Deutscher Wetterdienst Ärger an der Meteorologenfront

Bonn · Ein neues Gesetz soll dem Deutschen Wetterdienst mehr Spielraum geben. Private Wetterunternehmen sind erzürnt. Denn für sie stehen dadurch Umsätze und Arbeitsplätze zur Debatte.

Die Debatte darüber, welche Wettbewerbsverzerrungen Unternehmen das Leben im Internet schwer machen, wird an vielen Stellen geführt. Besonders laut geht es schon seit vielen Jahren bei den Meteorologen zu. Das liegt auch an einem blühenden Markt, der sich in den letzten Jahren in diesem Bereich entwickelt hat. Das Wetter interessiert eben jeden – und viele kämpfen um die Aufmerksamkeit der Internetnutzer.

Dahinter stecken handfeste wirtschaftliche Interessen. Der DWD operiert mit gesetzlichem Auftrag und ist als Anstalt des öffentlichen Rechts überwiegend steuerfinanziert. Kernaufgabe der Offenbacher ist laut Gesetz, amtliche Warnungen vor Wettergefahren herauszugeben. Doch nach Auffassung vieler privater Dienstleiter stellt der DWD zu viele Wetterdaten kostenfrei zu Verfügung – ohne sich am Markt refinanzieren zu müssen. Seit 2005 bietet der Wetterdienst unter anderem eine Smartphone-App an, die über den Auftrag weit hinaus geht. Sie liefert nicht nur Warnmeldungen, sondern auch Wettervorhersagen, Regenradar und vieles mehr an die Nutzer – kostenfrei. Der Streit erinnert an die Auseinandersetzung zwischen Verlagen und öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten um die „Tagesschau-App“, den die Verlage zuletzt für sich entschieden.

Joachim Klaßen ist auch Meteorologe – aber eher ein Mann der leiseren Töne. Der Gründer und Geschäftsführer des in Bonn ansässigen Dienstes Wetteronline gerät allerdings in Rage, wenn er an das staatliche Wettergebaren denkt. Gegen die DWD-App läuft derzeit eine Klage, an der sich auch Klaßen beteiligt. Eine Wetter-App, die nichts kostet und die keine Werbung beinhaltet – natürlich freue sich der Verbraucher darüber, so Klaßen. Er würde sich auch über staatlich finanzierte Bäckereien freuen, die jeden Morgen kostenlos Brötchen verteilen. „Aber was passiert dann mit den Bäckereien, denen plötzlich ihre Geschäftsgrundlage entzogen wird?“, ereifert sich der promovierte Meteorologe, der in den letzten 20 Jahren aus einem Ein-Mann-Betrieb ein aufstrebendes Unternehmen mit 80 Mitarbeitern gemacht hat.

Klaßen, dessen Seite werbefinanziert ist, sieht sich und andere Unternehmen durch die subventionierten Angebote in der Existenz bedroht. Für ihn existiert die App ohne rechtliche Grundlage. Die Gerichte hätten entsprechende Bedenken gegen das unlautere Marktgebaren des DWD signalisiert, sagt Klaßen.

Doch jetzt öffnet sich ein neues Kapitel im Streit zwischen staatlichen und privaten Meteorologen. Das Bundesverkehrsministerium, zuständig für das Offenbacher Haus, arbeitet derzeit an einer Novelle des seit 1998 gültigen DWD-Gesetzes – und fasst darin den gesetzlichen Auftrag deutlich weiter. „Aufgaben des Deutschen Wetterdienstes sind die Erbringung meteorologischer und klimatologischer Dienstleistungen für die Allgemeinheit (...)“, heißt es unter anderem in dem Referentenentwurf, der dieser Zeitung vorliegt. Die Begründung klingt honorig: Das Ministerium verfolge das Ziel, den Bürgern einen einfacheren Zugang zu meteorologischen Daten zu ermöglichen.

Ein Schlag in die Magengrube für Klaßen und viele andere, die mit ebensolchen Wetterdaten ihr Geld verdienen. Für sie ist das Ziel des Ministeriums – gerade vor dem Hintergrund der rechtlichen Auseinandersetzung – klar: „Das Gesetz soll an das rechtswidrige Marktverhalten des DWD angepasst werden“, so Klaßen. Das Gesetz ziehe der digitalen Wirtschaft in diesem Bereich den Boden unter den Füßen weg.

Der Verband Deutscher Wetterdienstleister und der Verband Privater Rundfunk und Telemedien, in dem das Portal wetter.de des Kölner Senders RTL und wetter.com von Prosiebensat1 organisiert sind, stoßen ins gleich Horn. Es gebe einen sehr gut funktionierenden Markt meteorologischer Leistungen. Von einem Marktversagen könne keine Rede sein.

Der Kölner Staats- und Verwaltungsrechtler Christian von Coelln sagt den privaten Unternehmen Umsatzeinbußen und Arbeitsplatzverluste voraus. Der DWD werde in die Lage versetzt, private Anbieter zu verdrängen. „Alles in allem verstößt die Neuregelung gegen das Grundgesetz“, schreibt er in einem Gutachten.

Das Ministerium selbst gibt sich wortkarg. Der Gesetzentwurf befinde sich noch in der internen Abstimmung, heißt es aus dem Hause von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Die Frage, wie schnell das Gesetz umgesetzt werden soll, bleibt unbeantwortet. Die Befürchtungen der Privatwirtschaft jedenfalls teilt das Ministerium nicht.

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