Anbieterwechsel ist oft nur kurzzeitig profitabel

Ob Strom, Banken, Versicherungen - auch Kunden in der Region werden mit günstigen Angeboten geworben und leiden nach kurzer Zeit unter gestiegenen Preisen.

Anbieterwechsel ist oft nur kurzzeitig profitabel
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Bonn. Herbert S. aus Bonn (Name geändert) hatte es sich Anfang 2009 im Internet vorrechnen lassen: Beim neuen Stromanbieter würde er jährlich rund 140 Euro gegenüber dem Preis bei den Stadtwerken Bonn (SWB) sparen.

Und nach einem Jahr käme sogar noch ein Treuebonus von 125 Euro für das zweite Jahr dazu. Keine Frage - Herbert S. wechselt. Und das erste Jahr läuft auch problemlos. Bis Herbert S. kurz vor Weihnachten Post von seinem neuen Anbieter erhält.

Steigende Beschaffungskosten machten "eine geringe Preisanpassung notwendig", heißt es in dem Schreiben, das dem General-Anzeiger vorliegt. Herbert S. vergleicht die neuen Preise mit dem, was er bisher bezahlt.

Das Ergebnis: Die Grundgebühr steigt um 50 Prozent, der Strompreis um 21 Prozent - schon nach einem Jahr zahlt S. für den Strom beim neuen Anbieter genau so viel wie zuvor bei den Stadtwerken.

Herbert S. steht nach Erkenntnissen der Verbraucherzentrale Bonn damit nicht allein. Ob beim Wechsel des Strom- oder Gasanbieters, bei Geldanlage oder Versicherungen: Neukunden werden mit günstigen Angeboten geworben, und nach einiger Zeit steigen die Preise dann kräftig.

Das Prinzip, das die privaten Krankenversicherungen schon vor Jahrzehnten praktizierten, machen sich immer mehr Branchen zu eigen. Die Unternehmen setzen zum Beispiel darauf, dass die per Post angekündigten Preiserhöhungen vom Kunden nicht richtig zur Kenntnis genommen werden.

In den Schreiben werden zwar neue Tarife genannt, häufig fehlt aber ein Vergleich zu den bisherigen Konditionen. Den wahren Umfang von Preiserhöhungen können die Kunden oft nur dann feststellen, wenn sie alte Rechnungen oder Verträge aufgehoben haben.

"Die Firmen spekulieren ganz klar darauf, dass die Kunden nicht dauernd wechseln", erläutert Susanne Bauer-Jautz, Leiterin der Verbraucherzentrale in Bonn, die Strategie. "Wer sparen will, muss eigentlich ständig wechseln." Doch das ist vielen zu mühsam.

Wer hat schon Lust und Zeit, sich jedes Jahr neu um Autoversicherung, Haftpflicht, Hausversicherungen, Strom, Gas, Telefon, Geldanlage und vieles mehr zu kümmern, Preisvergleiche anzustellen, Kündigungs- und Antragsformulare auszufüllen?

Hinzu kommen schlechte Erfahrungen mit dem Wettbewerb. Typische Probleme: Der neue Anbieter bucht erst einmal Geld ab, liefert aber nicht. Hotlines sind ständig überlastet, Reklamationen werden nicht bearbeitet.

Und: Fallen im Kleingedruckten. "Man muss ganz genau lesen, was man unterschreibt", warnt Bauer-Jautz. Auch bei Bankangeboten und Handyverträgen könne es böse Überraschungen geben. Häufig überlesen werden zum Beispiel Angaben zur Vertragsbindung.

"Eine Scheidung geht heute schneller und einfacher, als einen Handyvertrag aufzulösen", sagt Bauer-Jautz. Keinesfalls sollte man sich auf mündliche Zusagen verlassen. Trotz der Probleme rät Bauer-Jautz, den Wettbewerb zu nutzen und auch Anbieter zu wechseln, "wenn es Sinn macht".

Auch Herbert S. sieht das so. Er hat dem neuen Stromanbieter wegen der Preiserhöhung gekündigt. Der Treuebonus geht ihm dadurch wohl verloren. Zu den Stadtwerken zurück geht S. dennoch nicht. "Ich probiere jetzt den nächsten Wettbewerber aus, zur Not muss ich eben jedes Jahr wechseln."

Bei den SWB gibt sich Geschäftsführer Peter Weckenbrock gelassen, obwohl bisher rund 12 Prozent der Kunden zu anderen Anbietern abgewandert sind: "Wir machen das Preisdumping nicht mit. Wir wollen uns als verlässlicher Partner positionieren. So gewinnen wir auch Kunden zurück."

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