Gefälschte Rufnummern Anrufe vom Anschluss, den es nicht gibt

Bonn · In der Region sind etliche Menschen durch regelmäßige Telefonate von 0228-69200 genervt – doch die Nummer ist gar nicht vergeben.

Das Telefon klingelt mitten in der Nacht. Wer jetzt aufschreckt, an Krankheiten oder Unfälle im Familienkreis denkt und zum Telefon läuft, bleibt ratlos zurück. Denn das Telefon wird automatisch aufgelegt, sobald jemand abhebt. Das Telefondisplay zeigt die Rufnummer 0228-69200 an. Bei einem Rückruf bleibt das Telefon tot. Einzelne Anrufe kommen auch tagsüber an, manchmal ist zwei Tage Ruhe, dann geht es wieder los.

In Internetforen wird über das Phänomen geschimpft: „Telefonterror“, „Ruft andauernd nachts an“, „Legt schnell wieder auf“ oder „Kein ruhiger Schlaf möglich“, heißt es dort.

Für Erstaunen sorgt die Auskunft der Experten: Die Rufnummer 0228-69200 ist gar nicht vergeben, erläutert Michael Reifenberg, Sprecher der Bundesnetzagentur. Das bedeutet, dass diese Rufnummer bei den Angerufenen lediglich angezeigt wird, ohne dass die Anrufe tatsächlich von diesem Anschluss ausgehen. Die Bundesnetzagentur mit Sitz in Bonn ist die Behörde, die paketweise Rufnummern an Telefonprovider vergibt.

Bei der Netzagentur ist das Kapern einer Telefonnummer unter dem Fachwort Call-ID-Spoofing bekannt (auf Deutsch etwa: Fälschung der Anrufer-Identität). Und das ist verboten, passiert aber immer öfter. Ein solches Vorgaukeln einer Rufnummer verstößt gegen Paragraph 66k des Telekommunikationsgesetzes.

„Möglich wird dies unter anderem durch technische Manipulationen an einer Telekommunikationsanlage“, erläutert Reifenberg. Dass die Leitung bei einem Rückruf tot bleibe, sprenge allerdings das klassische Verständnis von Geschäftsmodellen, die dahinter stecken könnten.

Normalerweise sollen Verbraucher mit dem einmaligen Klingeln zum Rückruf einer möglichst teuren Rufnummer veranlasst werden. Das wird dann unter Fachleuten als Ping-Anruf bezeichnet und kann genauso das Handy betreffen. Bei diesem Rückruf wird zum Teil auch mittels Bandansage auf eine hochpreisige Rufnummer verwiesen, die angerufen werden soll.

Was hinter dem Geschäftsmodell mit der Rufnummer 0228-69200 steckt, bleibt im Dunkeln. Es sei der Bundesnetzagentur in solchen Fällen nur selten möglich, zu ermitteln, von welchem Anschluss aus die Anrufe tatsächlich erfolgt sind, berichtet Reifenberg. Bei diesen Informationen handelt es sich um sogenannte Verkehrsdaten. Um Einblick in die grundgesetzlich geschützten Verkehrsdaten zu nehmen, bedarf es einer besonderen Ermächtigungsgrundlage. Eine Ermächtigung dazu können nur Strafverfolgungsbehörden erteilen.

Auch bei der Bonner Polizei sind die Probleme mit der Rufnummer 0228-69200 bekannt. Es liegt auch eine Anzeige vor. „Der Hintergrund ist unklar“, sagt der Polizeisprecher. Es gebe keine Anzeichen für das Vorliegen einer Straftat. Für das Ausspionieren von Haushalten, ob jemand anwesend ist, halte er das Vorgehen für ungeeignet. Denn die Anrufe kämen ja von einer Maschine. Und für diese sei es wohl kaum zu ermitteln, ob am anderen Ende ein Anrufbeantworter, ein Faxgerät oder ein Mensch abhebe.

Der Verbraucherservice der Bundesnetzagentur hat allerdings immer öfter mit belästigenden Anrufen zu tun. Ein Drittel der 13 485 Beschwerden aus dem vergangenen Jahr betraf gefälschte Rufnummern. Die Bundesnetzagentur könne nur dann tätig werden, wenn entsprechende Erkenntnisse auf anderem Wege erzielt werden können, etwa weil der Angerufene zum Anrufzeitpunkt eine kostenpflichtige Fangschaltung installiert hatte oder mit Hilfe des genutzten Routers entsprechende Informationen ausgelesen werden können. „Solche Erkenntnisse gewinnen wir aber nur selten“, so Reifenberg.

Die Opferschutzorganisation Weißer Ring hat bereits wie Polizeistellen in einigen deutschen Städten vor Anrufen gewarnt, bei denen falsche Rufnummern vorgegaukelt werden. Dabei würden die Täter auch in die Rolle von Polizisten oder anderen vermeintlich seriösen Anrufer schlüpfen. Ein Beispiel: Das Opfer wird von einem vermeintlichen Staatsanwalt angerufen und über Ermittlungen informiert. Der falsche Staatsanwalt rät dem Opfer, sich Beistand von einem Rechtsanwalt – in Wahrheit ein Komplize – zu holen, um die Angelegenheit außergerichtlich zu klären. Kurze Zeit später ruft der falsche Rechtsanwalt beim Opfer an und rät ihm, mehrere Tausend Euro auf ein Konto einzuzahlen und so dem vermeintlichen Strafverfahren zu entgehen.

In Frankfurt gaukelten laut Polizei Anrufer vor, sie riefen von der Polizeinotrufnummer 110, vom Bundeskriminalamt oder Landeskriminalamt an. Die Telefonnummern ihrer Opfer fanden die Betrüger im Telefonbuch, wobei sie stets älter klingende Namen auswählten. Wer von vermeintlichen Anwälten angerufen und am Telefon zu Strafzahlungen oder der Herausgabe sensibler Daten gedrängt werde, sollte sich darauf nicht einlassen. Stattdessen könne man durch einen Kontrollanruf beim mutmaßlichen Anwalt dessen Identität bestätigen lassen, rät der Weiße Ring. Auf keinen Fall sollten während der Telefonate sensible Daten wie Kontonummern und Geldkarten-Kennungen preisgegeben oder Zahlungen zugestimmt werden. Wichtig sei es, beim Kontrollanruf nicht die im Telefon gespeicherte Nummer für den Rückruf zu verwenden, sondern im Internet oder Telefonbuch nachzuschauen und selbst zu wählen.

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