Anwälte bringen neue Geschütze gegen den Bonner Konzern Telekom in Stellung
Kanzlei beantragt die Eröffnung eines Verfahrens nach dem neuem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
Frankfurt/Bonn. (GA) Die Anwälte der klagenden Kleinaktionäre bringen eine Woche vor der Fortsetzung des Schadensersatzprozesses gegen die Deutsche Telekom eine neue Prozesstaktik ins Spiel. Die Rechtsanwalts-Kanzlei Tilp beantragte nach eigenen Angaben beim Landgericht Frankfurt am Main vorsorglich die Eröffnung eines Verfahrens nach dem neuen Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG), das allerdings erst am 1. November in Kraft tritt.
Der Prozess geht am kommenden Dienstag in die nächste Runde. Hintergrund ist die vom Vorsitzenden Richter Meinrad Wösthoff öffentlich angedachte Möglichkeit, den Prozess, der mit seinen rund 15 000 Klägern jeden Rahmen zu sprengen droht, mit Hilfe des neuen Gesetzes verfahrenstechnisch besser in den Griff zu bekommen.
"Da unsere Kanzlei den Pilotkläger mit dem höchsten Einzelstreitwert vertritt, sehen wir gute Chancen, dass unser Mandant Musterkläger wird", erklärte Rechtsanwalt Peter Gundermann. "Unsere jetzt gestellten Anträge stellen eine vorsorgliche Prozesstaktik dar." Zugleich signalisierte er seine Zustimmung zu einer Anwendung des neuen Gesetzes.
Richter Wösthoff hatte vor der Vertagung des Mammut-Prozesses im vergangenen November vorgeschlagen, ein Musterverfahren vor der nächsthöheren Instanz, dem Oberlandesgericht Frankfurt, zu führen. Das Landgericht würde dann nur zentrale Fragen benennen, die vor dem Prozess zu klären wären. Grundlage für diesen Schritt wäre des neue Gesetz.
Parallel dazu hat die US-Repräsentanz der Kanzlei Tilp am vergangenen Freitag vor einem Bezirksgericht in New York einen Antrag auf Akteneinsicht und Offenlegung von Beweismitteln eingereicht. Die Rechtsanwälte wollen damit Einsicht in die Unterlagen erlangen, die die Telekom im Rahmen des bereits abgeschlossenen US-Verfahrens vorgelegt hat. Dieser Prozess endete mit einer Vergleichszahlung in Höhe von 120 Millionen Euro.
Rund 15 000 Aktionäre werfen der Telekom vor, im Börsenprospekt zum Verkauf der dritten Tranche von T-Aktien im Jahr 2000 die Immobilienwerte zu hoch angesetzt und damit den Aktienpreis in die Höhe getrieben zu haben. Sie fordern deshalb ihr Geld zurück. Das Frankfurter Landgericht hatte das Mammut-Verfahren zum Prozessauftakt Ende November 2004 vertagt. Erschwert wird das Verfahren zudem dadurch, dass zum Beweis des Vorwurfs der Immobilienfehlbewertung ein millionenteures Gutachten angefertigt werden müsste, für das zunächst einmal die Kläger zur Kasse gebeten würden.
Ende Mai hatte die Bonner Staatsanwaltschaft nach fast fünfjährigen Ermittlungen ein Verfahren wegen des Verdachts der Falschbilanzierung und des Kapitalanlagebetruges von Telekom-Managern vorläufig eingestellt. Im Mittelpunkt des Verfahrens stand der Vorwurf einer zu hohen Bewertung des Immobilienvermögens vor dem spektakulären Börsengang 1996, was auch Auswirkungen auf die umstrittene dritte Tranche gehabt hätte.
Die Bonner Ermittler waren zwar zu der Überzeugung gekommen, der Telekommunikationsriese habe den Wert seines Immobilienvermögens "in strafrechtlich relevanter Weise" um mehr als zwei Milliarden Mark (eine Milliarde Euro) zu hoch angesetzt. Dass das Verfahren dennoch mit Zustimmung der Beschuldigten und des Landgerichts Bonn eingestellt wurde, begründete die Staatsanwaltschaft mit der langen Ermittlungsdauer und den schwerwiegenden persönlichen Belastungen, die sich daraus für die betroffenen Manager ergeben hätten, aber auch mit der Gefahr einer Verjährung der Anklage.