Neue Agenda der Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg Auf dem Weg zur klimaneutralen Wirtschaft
Bonn · Die Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg hat gemeinsam mit den Mitgliedsunternehmen ein Arbeitsprogramm für die kommenden Jahre erarbeitet. Die Begleitung der Unternehmen bei ihrem Wandel hin zur Klimaneutralität steht mit oben auf der Agenda.
Seit einigen Wochen weiß die Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg sehr gut, wie weit sie bei ihrer eigenen digitalen Transformation schon vorangekommen ist. Anfang August war die gesamte deutsche Kammerorganisation inklusive des Dachverbands Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK) von einem Cyberangriff auf die IT betroffen. „Wir gehen davon aus, dass Wirtschaftsspionage dahinter steckt“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Hubertus Hille. Ein Erpresserschreiben habe es nicht gegeben. Es sei nicht auszuschließen, dass der Angriff aus einem Teil der Welt komme, „mit dem wir uns derzeit nicht so gut verstehen“.
Erst langsam würden alle IHK-Systeme wieder hochgefahren, nachdem bundesweit die Sicherheitsstandards für die IT erhöht wurden. „Es ist gut, dass die Arbeit in dieser Zeit auch noch weitgehend analog funktioniert hat“, so Hille. Die weitere digitale Transformation der IHK selbst gehört aber zum Arbeitsprogramm der IHK für die nächsten Jahre, das mit den Mitgliedsunternehmen erarbeitet wurde. Hille stellte es am Mittwoch mit IHK-Präsident Stefan Hagen vor.
Die IHK hat sich vorgenommen, das Gründungsgeschehen in der Region zu stärken. Die Zahl der Gründungen sei ausbaufähig. Hauptgeschäftsführer Hubertus Hille setzt deshalb besonders auf mehr Ausgründungen aus der Universität Bonn. Es gebe vielversprechende Gespräche mit der Uni. In Planung sei eine „School of Entrepreneurship“. Auch Ausgründungen aus der Uniklinik würden schnell an Grenzen stoßen, da die Jungunternehmer dann die Labore dort nicht mehr nutzen dürfen, und es in der Region nicht genügend andere Labore gebe. Es sei bedauerlich, wenn die Unternehmen aus diesem Grund die Region verließen. Gerade im Bereich der Biotechnologie gebe es Gründungspotenzial. mah
Dabei gibt es eine neue Schwerpunktsetzung: „Wir wollen den Umbau hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft begleiten“, so Hille. Dass die Unternehmen dazu einen Beitrag leisten müssen, werde erstmals explizit ausgesprochen. Die IHK sehe ihre Rolle in der Aufklärung und Beratung der Unternehmen. Denn mit dem Wandel hin zur Klimaneutralität seien Existenzängste verbunden. Hille nannte als Beispiel die energieintensiven Gießereien. Es könne nicht das Ziel des Wandels sein, dass die Produktion aus Deutschland verdrängt und in andere Länder verlagert werde. Dadurch werde keine einzige Tonne CO2 eingespart. So sei der Begriff der EU-Taxonomie für viele Unternehmer noch sehr abstrakt. Die IHK wolle Aufklärung leisten, dass Banken künftig ihre Kredite auch danach vergeben würden, wie Firmen bei der Klimaneutralität aufgestellt seien. Um Unternehmen zu stärken, steht auf der IHK-Agenda die Gestaltung der Fachkräftesicherung vorne. Hagen bezeichnet den Arbeitskräftemangel als das größte Risiko für die Unternehmen. Nach Prognosen werden 2035 in der Region 57 000 Fachkräfte fehlen. Bereits jetzt dauert es in Bonn 125 Tage und im Rhein-Sieg-Kreis 143 Tage, bis eine Fachkraftstelle nachbesetzt ist. „Eine Verbesserung der Situation wird nicht ohne Zuwanderung aus dem Ausland gehen“, so Hagen.
Umweltspuren als Verkehrsthema
Ein weiteres Thema auf der IHK-Agenda heißt „Standorte sichern“. Hier stehen Verkehrsfragen ganz oben. „Wir sind keine Organisation, die gegen Umweltspuren ist“, betonte Hagen. Es sei aber eine Frage, wer darauf fahren dürfe. Seien es die Taxis oder die Altenpflegedienste? Grade habe ihm ein Physiotherapeut erklärt, dass er keine Hausbesuche mache, da er nur fünf Minuten Anfahrt bezahlt bekomme. „Die Wirtschaftsverkehre müssen fließen“, so der IHK-Präsident.
An der Attraktivität der Innenstädte müsse gearbeitet werden. Er plane mit Oberbürgermeisterin Katja Dörner einen Besuch im niederländischen Maastricht. Dort gelinge es gut, den Verkehr aus der Innenstadt weitgehend herauszuhalten. Es gebe genügend Park-and-Ride-Parkplätze am Stadtrand. Wenn ein Besucher im Einzelhandel ein größeres Stück kaufe, liefere der Händler es zum Parkplatz. „Wir dürfen nicht nur die Interessen der Verkehrsplaner, sondern auch die der Einzelhändler und Vermieter in den Blick nehmen.“