Auf einen Vermittler kommen 700 Arbeitslose

Arbeitsamt Bonn/Rhein-Sieg bestätigt Mängel bei der Statistik - "Dokumentationsproblem" - Die Zusammenarbeit mit Zeitarbeitsfirmen soll ausgebaut werden

Bonn. Die Beanstandungen des Bundesrechnungshofes (BRH) an den Statistiken zur Zahl der Arbeitsvermittlungen bei den Arbeitsämtern treffen auch für das Arbeitsamt Bonn/Rhein-Sieg zu. "Die Feststellungen des Bundesrechnungshofes werden von uns nicht infrage gestellt", sagte am Freitag Manfred Kusserow, stellvertretender Leiter des Arbeitsamtes, in Bonn.

Gleichwohl verwahrt sich das Arbeitsamt gegen Vorwürfe, bei den falschen Zahlen handele es sich um bewusste Manipulation: "Wir haben ein Dokumentationsproblem und kein Manipulationsproblem", sagte Kusserow. Da die Fehler in allen 181 Arbeitsämtern Deutschlands gemacht wurden, sei klar, dass es sich um ein "strukturelles Problem" handele.

Die Ursachen für die Fehler sieht Kusserow einerseits in den komplexen Regeln zur statistischen Erfassung. Allein für den Abgang aus der Arbeitslosigkeit seien 26 mögliche Gründe statistisch zu erfassen. Eine zweite Ursache seien Zeitdruck und Überlastung der Mitarbeiter in den Ämtern. "Wenn mitten in Beratungsgesprächen plötzlich ein bisher Arbeitsloser anruft und sagt, er habe eine neue Stelle gefunden, ist oft keine Zeit, alle Daten zur neuen Stelle zu erfassen", so Kusserow. Schließlich seien auch Vermittlungen über das Internet statistisch schwer zu erfassen.

So seien im vergangenen Jahr über die Internet-Börse SIS des Arbeitsamts 5 463 von insgesamt 24 770 Vermittlungen abgewickelt worden. In dieser Jobbörse können Arbeitgeber ihre Stellenangebote kostenlos inserieren. "Da bei den Stellenanzeigen häufig Adresse und Ansprechpartner der Firmen ganz konkret genannt werden, melden sich Interessenten häufig direkt bei dem Unternehmen und gar nicht mehr zuvor bei uns", erläutert Kusserow.

Der Rechnungshof beanstande nun, dass diese "Vermittlungen" nicht richtig dokumentiert seien. "Das ist auch grundsätzlich richtig, aber ein Problem des Mediums Internet", sagte Kusserow. Er räumte ein, dass nicht einmal festzustellen sei, ob die Stelle von einem bisher Arbeitslosen besetzt wurde, oder ob lediglich ein Mensch seinen Job gewechselt habe.

Umgekehrt stelle das Arbeitsamt anonymisierte Profile der Arbeitssuchenden im Internet bereit. Kusserow: "Dann schreibt uns zum Beispiel eine Firma an und bittet um Übermittlung der Adressen von zwei dieser Arbeitslosen. Wir erfahren aber nicht immer etwas über die ausgeschriebene Stelle. Auch solche Vermittlungen können bisher nicht ausreichend dokumentiert werden."

Grundsätzlich sei aber das Internet eine große Hilfe, weil Angebot und Nachfrage dort unbürokratisch zusammenträfen. Die feherhaften Statistiken zur Arbeitsvermittlung hätten aber keine Auswirkunmgen auf die tatsächliche Zahl der Arbeitslosen oder die Arbeitslosenquote.

Kusserow widersprach auch dem Eindruck, die Arbeitsämter hätten eine aufgeblähte Verwaltung und kaum echte Arbeitsvermittler. Unter den 425 Mitarbeitern des Arbeitsamts Bonn/Rhein-Sieg seien 62 Vermittlungs-Fachkräfte. Diesen arbeiteten weitere 75 Mitarbeiter zu. 83 Beschäftigte befassen sich laut Kusserow zum Beispiel mit der Gewährung von Lohnersatzleistungen, 42 arbeiten in der Berufsberatung.

"Wir sind außerdem zuständig beispielsweise für die Organisation der beruflichen Weiterbildung, für Arbeitserlaubnisse, die Gewährung von Insolvenzgeld, Kurzarbeitergeld, Altersteilzeitgeld, Kindergeld und für die Bekämpfung der illegalen Beschäftigung", sagte Kusserow. In der internen Verwaltung seien lediglich 37 Mitarbeiter tätig.

Auf einen Arbeitsvermittler kommen nach den Angaben von Kusserow rund 700 Arbeitslose. Kusserow räumte ein, dass diese Zahl trotz der Einstellung zehn weiterer Arbeitsvermittler zu hoch sei. "Es ist klar, dass wir unter diesen Rahmenbedingungen nicht die Arbeit leisten können, die wir eigentlich leisten wollen", so Kusserow. Für eine optimale Vermittlungsarbeit sei ein Verhältnis von 250 Arbeitsuchenden pro Vermittler wünschenswert.

Ausbauen will das Arbeitsamt Bonn/Rhein-Sieg die Zusammenarbeit mit privaten Arbeitsvermittlern, insbesondere Zeitarbeitsfirmen. Die Arbeitsämter, das Land NRW und die elf größten Zeitarbeitsfirmen haben ein Programm zur Integration von 15 000 älteren Arbeitslosen zwischen 50 und 54 Jahren vereinbart. Die bisher schon bestehende Zusammenarbeit mit den Zeitarbeitsfirmen bezeichnete Kusserow als "gut und sehr intensiv".

Rückendeckung erhielt das Arbeitsamt Bonn/Rhein-Sieg am Freitag vom Verwaltungsausschuss: "Die aktuelle Kritik darf nicht von den realen Problemen des Arbeitsmarktes ablenken", sagte Vorsitzender Gottfried Schmitz.

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