Öffentlicher Dienst wird attraktiv Ausbildung in Bonn und der Region mit Problemen

Bonn · Ein halbes Jahr vor Beginn des Ausbildungsjahres interessieren sich deutlich weniger Bewerber für eine Berufsausbildung. Auch die Zahl der ausbildenden Firmen sinkt.

 Handwerksberufe sind in der Corona-Pandemie gefragt. (Symbolbild)

Handwerksberufe sind in der Corona-Pandemie gefragt. (Symbolbild)

Foto: picture alliance / dpa/Michael Reichel

Der Ausbildungsmarkt der Region Bonn/Rhein-Sieg ächzt unter der Corona-Pandemie: Die Zahl der Bewerber, die sich bei der Arbeitsagentur Bonn/Rhein-Sieg gemeldet haben und um Unterstützung bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz bitten, ist um 9,3 Prozent gegenüber dem Stand des Vorjahres gesunken. Gleichzeitig ist die Zahl der angebotenen Ausbildungsstellen um 11,5 Prozent zurückgegangen. Ein halbes Jahr vor dem Start des Ausbildungsjahres suchen noch rund 2300 Jugendliche einen Ausbildungsplatz.

Stefan Krause, Leiter der Arbeitsagentur Bonn/Rhein-Sieg, führt den erneuten Rückgang der Bewerber für eine duale Ausbildung auf den pandemiebedingten Ausfall von Beratungsterminen an Schulen und Berufsorientierungsmessen zurück. Schon in den vergangenen Jahren seien die Bewerberzahlen gesunken, während die Zahl der angebotenen Lehrstellen relativ stabil war. Dass jetzt auch die Zahl der angebotenen Stellen gesunken ist, führt er auch auf die Tatsache zurück, dass viele Firmen ihre Mitarbeiter aus dem Homeoffice heraus arbeiten lassen. Die Betriebe hätten jetzt die Sorge, wie sie eine gute Ausbildungsqualität sicherstellen können, wenn sich Betreuer und Azubi im Homeoffice befinden. In einigen Branchen wie bei den Friseuren und dem Gastgewerbe seien die Zukunftssichten außerdem so ungewiss, dass er es verstehen könne, wenn sich diese Unternehmen mit Ausbildung zurückhalten.

Besser sieht die Lage im Handwerk in der Region aus. Hier sind in den vergangenen Monaten 322 neue Ausbildungsverträge geschlossen worden. Das seien 5,9 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, sagte Markus Eickhoff, Leiter Geschäftsstelle Bonn der Handwerkskammer zu Köln. Das Handwerk nutze mittlerweile auch Whatsapp für den Erstkontakt zu den Bewerbern.

Bei den Berufen der Industrie- und Handelskammer (IHK) gibt es eine deutliche Zurückhaltung bei den Firmen, kaufmännische Berufe anzubieten, während die Industrie als „Fels in der Brandung“ im Angebot stabil bleibe, erläuterte Jürgen Hindenberg, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg. Manche Firmen warteten auch noch ab, bis Details zur Ausbildungsprämie veröffentlicht seien.

Prämie vor Ausweitung

Die Ausweitung der Ausbildungsprämie, die das Bundeskabinett beschlossen hat, soll weiteren Anreiz zur Ausbildung bringen. Sie wird an kleine und mittlere Betriebe gezahlt, die trotz Umsatzrückgängen durch die Corona-Pandemie gleich viel oder sogar mehr ausbilden. Bleibt die Zahl der Ausbildungsverträge konstant, können ausbildende Unternehmen in diesem Jahr 4000 Euro pro Lehrstelle erhalten. Jeder zusätzliche Ausbildungsplatz soll mit 6000 Euro gefördert werden. Zudem wird diese Regelung auf Unternehmen mit bis zu 499 Angestellten ausgeweitet. Bislang lag die Grenze bei 249 Beschäftigten. Diese Förderung soll weiterhin auch für überbetriebliche Berufsbildungsstätten gelten.

Bei den besonders nachgefragten Ausbildungsberufen hat die Arbeitsagentur eine Renaissance des öffentlichen Dienstes festgestellt. „Durch die Pandemie entsteht ein neues Bedürfnis nach Sicherheit“, meinte Krause. Der Verwaltungsfachangestellte in der Kommunalverwaltung liege auf Platz neun der Wunschberufe. Dass der Beruf so beliebt war, daran könne sich in der Agentur für Arbeit niemand erinnern.

Viele Azubis in Bonn von außerhalb

53,1 Prozent der Azubis, die in Bonn eine Lehrstelle haben, kommen von außerhalb. Aber nur 29,4 Prozent der Bonner Lehrlinge hätten einen Ausbildungplatz außerhalb der Stadt. Krause riet dazu, sich auch für Lehrstellen im Rhein-Sieg-Kreis zu interessieren.

Außerdem sei es ratsam, auch bei Vorstellungsgesprächen per Videochat Höflichkeitsregeln zu beachten. Er habe von Gesprächen gehört, wo Bewerber zwischenzeitlich anfängen zu googeln, um Fragen beantworten zu können.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort