Unternehmen nach Insolvenz Warum Bäckereiketten wie Oebel es heutzutage schwer haben

Bonn · Die Zahl der selbstständigen Bäckereien in Deutschland sinkt jedes Jahr. Zuletzt ging auch die Kette Oebel insolvent. Ein Bonner Insolvenzverwalter sagt, was es braucht, um am Markt zu überleben.

Rund 56,5 kg Brot und Backwaren isst jeder Haushalt in Deutschland im Jahr. Doch viele Betriebe haben Zukunftssorgen.

Foto: dpa/Friso Gentsch

Das Geschäft mit Brot und Brötchen ist hart. Die Insolvenz der großen Aachener Bäckereikette Oebel im vergangenen Sommer ist nur ein Beispiel. Die Zahl der selbstständigen Bäckereien in Deutschland sinkt jedes Jahr. Nach Angaben des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks ging die Zahl der Handwerksbäckereien von 15.337 im Jahr 2008 auf 10.926 Betriebe 2018 zurück. Der Trend zur Größe beherrscht die Branche. Im vergangenen Jahr gab es in der Region noch eine weitere Veränderung: Die Swisttaler Bäckerei Voigt übernahm die alteingesessene Bäckerei Schell aus Bonn. Einer der Gründe für die Probleme der Branche ist das wachsende Angebot an Broten und Backwaren in Supermärkten und bei Discountern.

Der Bonner Insolvenzverwalter Dirk Wegener hat im vergangenen Jahr das Insolvenzverfahren bei Oebel übernommen. Er arbeitet für das Prüfungs- und Beratungsunternehmen dhpg. Seine Erfahrung aus dem Verfahren beschreibt er so: „Standardbäcker, wie Oebel es war, sind heute nicht mehr interessant für den Kunden“, sagt Wegener. Die Filialen würden alle gleich aussehen. Wer sich abheben will, müsse besondere Produkte anbieten: „Es sind raffinierte Waren und außergewöhnliche Soßen gefragt.“ Da immer mehr Verbraucher außer Haus essen, gelte für alle Betriebe: „Snacks sind ein großes Thema.“

Gehörte früher das Abendbrot zum festen Familien-Ritual, so hätten sich die Lebensgewohnheiten der Familien geändert. Brot werde weiterhin gekauft, aber das sei nicht mehr so wichtig.

Wer als Bäcker überleben wolle, müsse moderne Essgewohnheiten wahrnehmen. „Die Bäcker, die gut sind, bieten dem Kunden mehr als das klassische Brötchen.“ In diesen Geschäften würden die Sachen ganz anders präsentiert. Verbraucher zahlten gerne 30 Cent mehr für Sachen, wenn sie gesunde Zutaten enthalten. Apps könnten eine Form der Kundenbindung werden, indem Käufer darüber beispielsweise ihre Waren vorbestellen.

Wegener betrachtet es rückblickend als ein Hauptproblem, dass „Oebel ein Filialist war, der keinen eigenen Backbetrieb hatte“. Als Auslöser der Insolvenz hatte er schon früher neben Logistikproblemen infolge der Insolvenz des Lieferanten Kronenbrot auch unerwartet massive witterungsbedingte Umsatzeinbrüche im heißen Monat Juni bezeichnet. Die Großbäckerei Kronenbrot aus Würselen war 2017 erstmals pleite gegangen. Danach wurde Oebel als Tochtergesellschaft abgespalten.

Das Oebel-Insolvenzverfahren sei allein schon von der Masse der Informationen her eine Herausforderung gewesen, so Wegener. Es habe sich immerhin um 153 Filialen gehandelt, die über 200 Kilometer vom Rheinland bis ins Ruhrgebiet verteilt waren.

80 Filialen davon seien erhalten worden. „Ich bin froh, dass es so gekommen ist.“ Denn am Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Oktober habe er kein einziges Angebot auf dem Tisch gehabt. Die Filialen seien an andere Bäcker übergeben worden. Dazu gehören die Bäckereien Brinker, Klein, Merzenich und Schneider aus Bergheim, die selbst schon 140 Filialen haben.

Alle Firmen stammten aus der Region und hätten sich selbst gemeldet. „Die Branche ist nicht für Finanzinvestoren interessant“, sagte Wegener. Es sei in der Regel immer noch so, dass der eine Bäcker den anderen übernimmt. Es schaffe niemand, 150 Filialen auf einen Schlag in das eigene Geschäft zu integrieren. So groß sei niemand.

Die Hoffnung, Oebel als komplette Firma verkaufen zu können, habe er zu Beginn des Insolvenzverfahrens gehabt. Es habe auch ein paar Interessenten gegeben, doch letztlich sei kein Komplettverkauf zustande gekommen.

„Das eigentliche Vermögen von Oebel waren die Mitarbeiter. Sie sind heute ein rares Gut“, sagt Wegener. Für ihn sei die wichtigste Aufgabe zu Beginn des Insolvenzverfahrens gewesen, die damals 700 Verkaufsmitarbeiter zu halten. „Sie erfuhren von der Insolvenz aus der Zeitung“, berichtete der Insolvenzverwalter. Dementsprechend groß sei die Verunsicherung gewesen. „Bäckereiverkäufer sind Mitarbeiter aus dem Niedriglohnsektor, die zwischen zwölf und 15 Euro verdienen. Die brauchen ihr Geld.“

Gleichzeitig sei klar gewesen, dass eine Filiale nicht aufrechtzuerhalten ist, wenn die Mitarbeiter gehen oder abgeworben werden. Es sind Konkurrenten mit vorbereiteten Arbeitsverträgen in den Filialen erschienen, die Mitarbeiter für ihr eigenes Geschäft abwerben wollten. Doch das hätte dann verhindert, dass eine Filiale verkauft wurde: „Ein neuer Eigentümer würde keine Mitarbeiter finden.“

Die Kommunikation mit den Mitarbeitern sei sehr wichtig gewesen. Er habe aber keine zentrale Mitarbeiterversammlung für alle abhalten können, weil der Filialbetrieb aufrechterhalten werden musste. Ein Dilemma. Deshalb habe er Informationen vor allem über die Filialleiter weitergegeben.

„Die Mitarbeiter erwarten zu Recht, dass ich mich persönlich kümmere.“ Deshalb habe sich auch die Art und Weise verändert, wie er vorgehe. „Insolvenzverwaltung heute heißt nicht: Tür eintreten und sagen, wie es weitergeht.“ Es gehe vielmehr darum, die Interessen aller Beteiligten zu wahren. „Moderne Insolvenzverwaltung heute bedeutet viel Moderation“, so Wegener.

Die durchschnittliche Verfahrensdauer bei einer Insolvenz sei fünf Jahre, so lange werde es bei Oebel wohl auch dauern. Derzeit prüfe er, welche Ansprüche noch geltend gemacht werden können. Das richte sich auch gegen die Geschäftsführung. „Es gibt wenig Verfahren, in denen es keine Ansprüche gegen den Geschäftsführer gibt“, so Wegener. Das Thema sei dann Insolvenzverschleppung. Solche Haftungsansprüche müssten eventuell auch eingeklagt werden.

Aus seiner Erfahrung mit dem Oebel-Verfahren heraus rät Wegener Bäckern, sich klarer zu positionieren, um weiterhin am Markt zu bestehen. Wichtig sei, in die Offensive zu gehen und sich eine Nische n zu suchen, in der sich der Betrieb vom Wettbewerb abhebt. Gegebenenfalls solle ein Bäcker auch den Bestand reduzieren und auf qualitativ hochwertige Produkte setzen.

Die Investition in moderne Produktionsanlagen sei der entscheidende Faktor für das Überleben eines Betriebes. So habe Oebel auf die veralteten Anlagen von Kronenbrot gesetzt. Wenn es in den Filialen genug Platz gebe, sei eine Wohlfühlatmosphäre für die Kunden wichtig. Eine qualitativ hochwertige Auswahl an Produkten und Kaffee mache das Kundenerlebnis perfekt.

Das hat Oebel allerdings auch nicht gerettet: Die Kette hatte bereits überwiegend Filialen, in denen man sich auch hinsetzen konnte. Aus Unternehmenssicht seien Sitzplätze aber grundsätzlich ein wichtiger Wettbewerbsvorteil, so Wegener: „Getränke haben die größten Gewinnmargen.“