Verschuldung steigt weiter an Bahn legt die Latte tiefer
BERLIN · Noch zu Beginn des Jahrzehnts sah Bahnchef Rüdiger Grube den Konzern auf einem anhaltend starken Wachstumskurs. Aus gut 34 Milliarden Euro Umsatz sollten bis zum Ende des Jahrzehnts rund 70 Milliarden Euro werden.
Einen Teil davon hätten der Planung nach zugekaufte Unternehmen beigesteuert, den größten Teil wollte er aus eigener Kraft erwirtschaften. Doch davon ist die Bahn noch so weit entfernt, dass Grube die ambitionierten Ziele wieder kassiert.
Das Marktumfeld habe sich seither drastisch verändert, räumte der Bahnchef bei der Vorstellung der jüngsten Bilanz ein, "die finanziellen Spielräume sind dadurch kleiner geworden." 50 Milliarden Euro sind die neue Zielmarke, gut zehn Milliarden mehr als im vergangenen Jahr. Doch auch dieser Wert erscheint angesichts der schwierigen Marktverhältnisse ambitioniert.
Gar nicht gut lief es zuletzt zum Beispiel im Fernverkehr. Das Sturmtief ELA im letzten Sommer kostete das Unternehmen 60 Millionen Euro. Dazu kommen die Streiks der Lokführer, die mit 166 Millionen Euro zu Buche schlugen. Weitere 120 Millionen Euro Umsatz blieben aus, weil Fahrgäste lieber mit dem Reisebus unterwegs sein wollten. Zwar verzeichnete die Bahn mit gut zwei Milliarden Zugreisenden einen neue Fahrgastrekord. Doch im Wettbewerb mit dem Fernbus musste der Konzern Tickets offenkundig deutlich stärker mit Rabatten an den Kunden bringen als geplant, um mithalten zu können.
Auch international lief nicht alles wie gewünscht. Die Logistiksparte litt ebenfalls an einem starken Wettbewerbsdruck. So ist das Konzernergebnis vor Steuern und Zinsen nach Angaben von Finanzvorstand Richard Lutz um fast sechs Prozent auf 2,1 Milliarden Euro gesunken. Schlecht ist das nicht, aber eben auch kein Superergebnis. Und die Bahn muss Gewinne erwirtschaften, alleine schon für den Schuldendienst. 820 Millionen Euro gab das Unternehmen allein 2014 für Zinszahlungen aus. Denn der Konzern steht bei Anlegern tief in der Kreide. Ende des Jahres lag der Schuldenstand bei 16,2 Milliarden Euro. Zum Abschluss dieses Jahres rechnet Lutz mit einem Anstieg auf 17,5 Milliarden Euro.
"Wir stehen vor dem größten Umbruch seit der Bahnreform 1994", sagt Grube und meint damit unter anderem die Digitalisierung in der Branche. Mit einem gewaltigen Investitionsaufwand soll nun verlorenes Terrain zurückerobert werden. Die Details sind bereits bekannt. Die Bahn will mit eigenen Bussen einen Teil des Fernbusmarktes erobern.
Die Chancen dort stehen nicht schlecht. Innerhalb der nächsten Jahre erwartet das Unternehmen noch einmal eine Verdreifachung des Fahrgastaufkommens auf der Straße. Mit neuen Zügen und Verbindungen abseits der Metropolen will die Bahn im Fernverkehr auf die Erfolgsspur zurückfinden. Und sie will in allen Sparten die Digitalisierung vorantreiben, was insbesondere in der internationalen Logistik ein wichtiger Wettbewerbsfaktor ist. "Wir wollen und werden Treiber und nicht Getriebener dieser Entwicklung sein", verspricht Grube.
Deutliche Kritik an der Geschäftspolitik des Konzerns kommt vom Bündnis "Bahn für Alle", das einen alternativen Geschäftsbericht vorlegte. Grube werfen die Kritiker vor, das Brot-und Buttergeschäft in Deutschland zu vernachlässigen. Erstmals komme der größere Teil des Umsatzes nicht aus dem Schienengeschäft, sagt Sprecher Bernhard Knierim.