Schreiben der Anbieter zu den Altverträgen in vielen Fällen unwirksam Bausparer sollten Kündigung widersprechen

BERLIN · In wenigen Tagen wird die Bausparkasse BHW schätzungsweise 600 Millionen Euro an Verbraucher überweisen, die das Geld aber gar nicht haben wollen. Wie bitte? Diese Kapriolen sind nur in der extremen Niedrigzinsphase möglich. Es geht um 30 000 alte Bausparverträge, die die Postbank-Tochter mit Schreiben vom 18. Dezember gekündigt hat.

 Moderne Wohnhäuser im Bau: Ob die Kündigung von Bausparverträgen rechtens ist, müssen Gerichte klären.

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Foto: dpa

Die Bausparerer würden ihr Geld aber lieber bei der BHW belassen und dafür die Zinsen kassieren, die mit Sätzen zwischen 2,5 und 3 Prozent heutzutage üppig sind. Die BHW hat entschieden, den Kunden das Geld notfalls aufzudrängen. Ein Sprecher des Unternehmens sagte unserer Zeitung: "Wenn wir keine Bankverbindung haben, werden wir den Kunden Verrechnungsschecks zustellen."

Das Ganze hat etwa 2008 angefangen: Bausparkassen versuchen seitdem Bausparer aus alten, vergleichsweise hoch verzinsten Verträgen zu drängen. Schätzungen zufolge wurden bereits 200 000 dieser Verträge, die überwiegend vor mehr als zwei Jahrzehnten abgeschlossen wurden, bereits gekündigt. Dabei geht es meist um Verträge, die schon länger als zehn Jahre zuteilungsreif sind. Insgesamt ist nur ein Bruchteil der Verträge betroffen: Insgesamt laufen derzeit etwa 30 Millionen Bausparverträge. Doch die Kunden, denen gekündigt wird, ärgern sich über die verlorenen Zinsen. Die Rechtslage ist nicht eindeutig geklärt. Es gibt Urteile, die zugunsten der Bausparkassen ausfielen, es gibt aber auch Urteile, die den Verbrauchern Recht gaben. Eine höchstrichterliche Entscheidung durch den Bundesgerichtshof steht in der Sache aus.

Der Hamburger Anwalt und Finanzexperte Achim Tiffe rät Bausparern, deren Vertrag gekündigt wurde, aber dringend, bis dahin nicht untätig zu bleiben. "Die meisten Kündigungen der Bausparverträge durch die Bausparkassen sind voraussichtlich unwirksam", sagte Tiffe im Gespräch mit unserer Zeitung. Verbraucher sollten der Kündigung daher vorsorglich widersprechen und erklären, dass sie auch keinen Verrechnungsscheck akzeptierten. BHW-Bausparer müssen sich beeilen, da die Postbank-Tochter die Guthaben einschließlich Zinsen und gegebenenfalls Bonus Anfang Juli auszahlen will.

Tiffe rät: Verbraucher sollten sich hüten, einen Verrechnungsscheck anzunehmen. Andernfalls könnten sie von der Bausparkasse etwa bei einem Verlust des Schecks womöglich haftbar gemacht werden. Er sieht die Sache prinzipiell: "Ich gehe davon aus, dass eine Kündigung durch die Bausparkasse erst dann in Betracht kommt, wenn der Kontostand die Bausparsumme erreicht hat." Und auch dann sehe das Gesetz eine Kündigungsfrist von zehn Jahren und sechs Monaten vor.

Die Bausparkassen versuchten eine Kündigungsfrist von drei Monaten durchzusetzen. Im Fall von BHW betrug die Frist sechs Monate. Tiffe: "Ein Vertrag ist ein Vertrag, er sollte auch von Seiten der Bausparkasse eingehalten werden." Wenn sich das Unternehmen nicht mehr an einmal gegebene Zinszusagen halten wolle, müsse es dem Verbraucher ein finanzielles Angebot machen und etwas Vergleichbares wie Vorfälligkeitsentschädigung zahlen.

Ein Sprecher des Verbandes der Privaten Bausparkassen sieht die Lage anders: "Wir halten an unserer Auffassung fest, dass die Kündigungen rechtmäßig sind." Der gesetzlich definierte Sinn des Bausparens sei das Erlangen eines Darlehens. Bei diesen Altverträgen stehe dieser Zweck aber nun einmal erkennbar nicht mehr im Vordergrund. Angesichts der Nullzinspolitik der EZB sähen sich die Bausparkassen gezwungen, rechtzeitig gegenzusteuern, um vorzusorgen.

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