Ehrenamt nach Karriereende Beamte von Post, Telekom und Postbank im "engagierten Ruhestand"

Bonn · Beamte von Post, Telekom und Postbank können abschlagsfrei früher aufhören zu arbeiten – müssen dafür aber ein Ehrenamt übernehmen. Die Suche danach gestaltet sich schwierig.

Peter Schröder hat einen neuen Weg beschritten. Der 60-Jährige, der 40 Jahre als Beamter zunächst für die Deutsche Bundespost und dann für die Deutsche Telekom in Bonn arbeitete, hat als einer der ersten das Modell des „engagierten Ruhestands“ angetreten. Schröder ist seit 1. April ehrenamtlich bei der Freiwilligenagentur in Siegburg tätig. Freiwilligenagenturen gibt es überall in Deutschland. Sie sind Anlaufstellen für Menschen, die sich engagieren möchten, und für Organisationen, die mit Freiwilligen arbeiten möchten. Schröder kümmert sich um Kollegen aus den Postnachfolge unternehmen, die ebenso wie er vorzeitig in den Ruhestand treten wollen. „Es hakt oft noch“, hat er festgestellt. Viele Kollegen hätten Probleme, eine passende Stelle für ihr Engagement zu finden. Dementsprechend haben erst wenige Beamte das Modell genutzt.

Das könnte sich aber zügig ändern: Die Deutsche Post hat am Freitag Pläne zu Kostensenkungen bekannt gegeben, um die Paket- und Briefsparte profitabler zu machen. Dazu gehört ein Vorruhestandsprogramm, das sich an Beamte ab 58 Jahren in indirekten Funktionen richten wird. Für dieses Programm, das 2018 und 2019 umgesetzt wird, fallen im Gesamtjahr 2018 Restrukturierungsaufwendungen in Höhe von 500 Millionen Euro an. Der Konzern geht davon aus, dass das Programm bis 2020 zu jährlichen Kostensenkungen von mindestens 200 Millionen Euro führt. Zu den indirekten Funktionen eines Unternehmens gehören normalerweise neben der Geschäftsleitung Controlling und Revision, Unternehmenskommunikation, Rechtsabteilung, Personalwesen, Marketing und Werbung sowie Beschaffung und Arbeitsvorbereitung.

Der „engagierte Ruhestand“ ist im vergangenen Jahr in Gesetzesform gegossen worden und rückwirkend zum 1. Januar 2017 in Kraft getreten. Die Regelung gilt bis Ende 2020 speziell für Beamte bei der Deutsche Telekom, der Deutschen Post und der Postbank sowie bei der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost. Sie können „versorgungsabschlagsfrei“ ab dem vollendeten 55. Lebensjahr in den Ruhestand gehen.

Neben einem regulären Bundesfreiwilligendienst von mindestens zwölf Monaten erfüllen auch ehrenamtliche Tätigkeiten die Voraussetzungen, um die Regelung in Anspruch zu nehmen. Dafür müssen innerhalb von drei Jahren nach der Versetzung in den Ruhestand mindestens 1000 Einsatzstunden bei einer „gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Einrichtung“ geleistet werden. Der Vorruhestand ist auch dann möglich, wenn Familienangehörige gepflegt werden müssen oder ein Kind unter 18 Jahren zu betreuen ist.

Der Beamte muss sich im Personalüberhang befinden, das heißt, seine bisherige Tätigkeit muss weggefallen sein oder davon bedroht sein. Die sogenannte doppelte Freiwilligkeit muss gegeben sein: Sowohl der Beamte als auch das Unternehmen müssen die Vorruhestandsregelung wollen. So gibt es für das Postnachfolgeunternehmen weder die Möglichkeit, den Beamten zu der Inanspruchnahme des Vorruhestands zu zwingen, noch hat der Beamte einen Anspruch darauf. Wer 40 Dienstjahre angesammelt hat, kann das Modell ohne Abzüge an der Pension in Anspruch nehmen. Da im ersten Jahr noch etliche Detailfragen des Gesetzes offen waren, nehmen jetzt erst nach und nach die ersten Beamten bundesweit die Regelung in Anspruch. Die Regelung wird allein von den Postnachfolgeunternehmen finanziert. Sie sind dazu verpflichtet, die finanziellen Mehrbelastungen aus dem vorzeitigen Beginn des Ruhestands zu begleichen. Die Vorruhestandsregelung, die zuvor galt, war Ende 2016 ausgelaufen.

„Der Bundesfreiwilligendienst kann auch in Teilzeit absolviert werden“, sagt Christian Carls vom Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe. Das sei bislang sehr wenig bekannt. Nach zwölf Monaten mit einer Tätigkeit von etwa 20 Stunden in der Woche bekomme man die Bescheinigung über den Bundesfreiwilligendienst ausgehändigt.

Es seien hier alle Einsatzfelder der sozialen Arbeit vorstellbar, von Altenpflege bis zur Jugendarbeit. Noch sei grundsätzlich zu wenig bekannt, dass es für den Bundesfreiwilligendienst keine Altersgrenze nach oben gebe. Er gehe davon aus, dass gerade Menschen, die in den Postnachfolgeunternehmen gearbeitet und dort auch Leitungsfunktionen gehabt hätten, ein sehr gutes Potenzial für den Bundesfreiwilligendienst mitbrächten.

Heute gleicht die Suche nach einer Einsatzmöglichkeit für die vorruhestandswilligen Beamten häufig noch einem Spießrutenlauf: Viele Organisationen wüssten derzeit noch nicht, ob sie die Voraussetzungen für das Modell erfüllen, berichteten Interessenten kürzlich bei einer Veranstaltung der Diakonie. Sie müssen Feststellungs- und Freistellungsbescheide der Organisationen beibringen, die als Nachweis der Gemeinnützigkeit dienen. Doch viele Organisationen hätten diese Bescheide gar nicht. „Dass sich die Betroffenen selbst um die Frage kümmern müssen, ob die Stelle nach dem Gesetz infrage kommt, ist suboptimal“, sagte eine Beamtin. Viele Organisationen seien erstaunt, wenn man sich in höherem Alter engagieren wolle Auch dauere es einige Zeit, bis die Bundesanstalt für Telekommunikation und Post, die für die Pensionsberechnung zuständig ist, ausgerechnet habe, wie hoch die Ansprüche seien. „Den Vorruhestand muss man sich ja auch leisten können“, meinte ein Teilnehmer.

Klagen von Teilnehmern gab es auch darüber, wie umfangreich die Bewerbungsverfahren sind, die Interessenten absolvieren müssen. Doch Johanne Brinkmann von der Diakonie wies darauf hin, dass genau darin auch die Chance liege: „Es ist die Gelegenheit herauszufinden, ob die Stelle wirklich zum Interessenten passt.“

Marek Schmitz von der Senioreneinrichtung Haus Rosental würde es begrüßen, mehr ehrenamtliche Kräfte zu gewinnen: „Ich fände es spannend, wenn ältere Menschen zu uns kommen.“ Lebenserfahrung sei von Vorteil, sagt der Mitarbeiter der Einrichtung, die auch Tagespflege und betreutes Wohnen anbietet.

Die Telekom wird die Möglichkeit des engagierten Ruhestands nur in begrenztem Umfang ausnutzen, der laufende Personalumbau sieht zur Zeit keine außergewöhnlichen Stellenreduzierungen vor. „Bei uns geht die Initiative in der Regel vom Mitarbeiter aus, dann prüfen wir ob die Voraussetzungen für den engagierten Ruhestand vorliegen“, erläutert Telekom-Sprecher Peter Kespohl. Etwa durch den Breitbandausbau seien viele Abteilungen stark ausgelastet. Beamte in der Technik, die dort gebraucht werden, seien für den engagierten Ruhestand gesperrt: „Diese Beamten brauchen wir derzeit alle“, so Kespohl.

Im Unternehmen waren Ende 2017 noch 26 699 Beamte tätig, ein Anteil von 26,2 Prozent an allen in Deutschland tätigen Mitarbeitern. Im vergangenen Jahr sind dort durch die Umstellung nur 27 Beamte in den Vorruhestand gegangen, nachdem es 2016 nach der alten Regelung noch 3849 waren.

2013 bis 2015 lag die Zahl der Beamten, die in den Vorruhestand gingen, zwischen 900 und 1600. „Am oberen Ende dieser Größenordnung wird sich die Zahl auch in diesem Jahr bewegen“, schätzt Kespohl.

Bei der Postbank gibt man sich mit Aussagen äußerst zurückhaltend: Der engagierte Ruhestand sei Bestandteil des Angebots an die beamteten Mitarbeiter im Rahmen des Freiwilligenprogramms. „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir Ihnen hierzu keine Details nennen möchten“, teilt ein Sprecher mit. Die Postbank wird derzeit mit dem Privatkundengeschäft der Deutschen Bank zusammengelegt. In diesem Rahmen geht es um Personalabbau in größeren Stil. Zu den Möglichkeiten, wie Mitarbeiter auf freiwilliger Basis das Unternehmen verlassen, gehören Abfindungen auch Altersteilzeit.

Andreas Porsch, bei der Post zuständig für Beratung von Beamten in Sachen engagierter Ruhestand, wies auf der Veranstaltung der Diakonie darauf hin, dass die Unternehmen selbst keine Stellen für das Ehrenamt vermitteln dürfen. Es gebe aber ein Verzeichnis mit Trägern, die infrage kommen. Das hätten allerdings noch nicht so viele Kollegen angefordert, vielleicht zwei Hände voll.

Peter Schröder ist mit seiner Entscheidung für den vorgezogenen Ruhestand und die Form des ehrenamtlichen Engagements sehr zufrieden. „Ich finde es ganz toll.“ Bei Männern sei die „Vercouchungsgefahr“ im Ruhestand ohne größer als bei Frauen. Dem wirke er jetzt aktiv entgegen und habe schon rund zwei Drittel der 1000 Stunden absolviert.

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