Traditionsgeschäfte in der Bonner Innenstadt Bei Hut Weber werden noch Initialen in Hutbänder geprägt

BONN · Der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan hat eine Prinz-Heinrich-Mütze von Hut Weber aus Bonn. "Wahrscheinlich hat er sie bei Helmut Schmidt gesehen", vermutet Inhaber Thomas Weber. Auf jeden Fall wusste Annan genau, was er wollte.

1928 hat die Familie Weber das Hutgeschäft auf der Ecke Bonngasse/Markt übernommen. Das auffallend schmale Haus ist noch älter. 1876 wurde hier der Schriftsteller Wilhelm Schmidtbonn geboren. Es gab zu dieser Zeit noch Balkone zur Straße hin, die aber 1912 für die heutige Fassade zurückgebaut wurden. Bis auf die Schriftzüge und die Fensterdekoration sieht das Haus heute noch so aus wie vor 100 Jahren.

Wer den Laden im Erdgeschoss betritt, stößt ebenfalls auf Historisches. Die hölzernen Regale und die Ladentische aus der Nachkriegszeit hat Thomas Weber mit einem Zylinderkoffer und ledernen Hutschachteln dekoriert. Außerdem hütet er einen alten Kaufmannsladen, ein Geschenk des Onkels, und diverse Kopfbedeckungen im Miniaturformat, die seine Eltern als Werbegeschenke gesammelt haben.

Der 50-Jährige hat Bankkaufmann gelernt, aber zur Hochsaison im Winter oft den Eltern geholfen. Inzwischen führt er das Geschäft in dritter Generation. Das historische Foto zeigt noch die Pelzetage im ersten Stock, die in den 1960er-Jahren zugunsten der Damenhutabteilung geschlossen wurde. Heute gibt es bei Hut Weber immer noch Klassiker wie den breitkrempigen Bogart-Hut, außerdem Accessoires wie Schirme, Schals, Spazierstöcke und Handschuhe.

Die Zeiten, wo die Herren sogar mit Hut und Mantel ins Fußballstadion gingen, sind vorbei. Deshalb ändert sich auch die Hutmode. "Die Kunden kaufen heute auch Outdoor- und Trekkinghüte aus sehr strapazierfähigem Material, die man zur Jacke tragen kann", sagt Weber. Jüngere Leute bevorzugen kleinere Hutformen, wie sie zum Beispiel die Rockband Brings populär gemacht hat. Bei den Damen sind - vor allem seit der royalen Hochzeit von William und Kate - kleine dekorative Hüte und Haarschmuck ein Renner.

Obwohl Weber Händler und kein Hutmacher ist, gibt es noch Handarbeit. In einer Ladenecke steht der Hutdämpfer, mit dessen Hilfe die Hüte in Form gebracht und abgebürstet werden. Der Hutweiter ist ebenfalls noch regelmäßig im Einsatz und die Prägemaschine verziert die Hutbänder mit den goldenen Initialen des Trägers.

Thomas Weber will seinen Laden auf jeden Fall weiter betreiben: "Ich sehe im Moment keinen Grund, etwas zu ändern."

Die Letzten ihrer Zunft

Feinkost Hüls, Hut Helling, Drogerie Clemens, Seidenhaus Schmitz, Bäckerei Eschweiler, Haushaltswaren Haack, Metzgerei Brauel, Strömer & Emons, Stadtbäckerei Caspers, Eisenhandlung Dahm, Bekleidungsgeschäft Hettlage, Buchhandlung Müller: Wer in seiner Kindheit an der Hand von Mutter oder Tante durch die Bonner Innenstadt gebummelt ist, kennt diese Geschäfte noch. Ware und Familienname waren untrennbar miteinander verbunden, und das oft seit Generationen. So hatte man beim Namen Segschneider automatisch den Duft von Kerzen und Badezusätzen in der Nase, im Café Hau bullerte der Ofen und es gab wunderbare Kuchen. Das kenne ich selbst nur aus Erzählungen oder von alten Fotos. Ich kann mir heute schwer vorstellen, dass der Münsterplatz komplett mit Autos zugeparkt war und die Straßenbahnen durch die enge Sternstraße rollten.

Heute tragen die meisten Geschäftshäuser in der Innenstadt Markennamen an der Fassade. Es gibt nur noch wenige, wo hinter dem Verkaufstresen eine lange Familientradition fortgesetzt wird. Beim Spielwarengeschäft Puppenkönig zum Beispiel, das der GA kürzlich zum 140. Geburtstag porträtiert hat. Für Hauseigentümer in der Fußgängerzone ist Vermieten lukrativer, als selbst im Laden zu stehen. Manchmal fehlte aber auch schlicht der Nachfolger. In einer kleinen Serie möchten wir Traditionsgeschäfte der Bonner Innenstadt vorstellen, die seit mehreren Generationen in Familienhand sind. Es sind die letzten ihrer Zunft.

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