"Bei ihren Tieren sparen die Leute am wenigsten"

Immer mehr Bauern im Rhein-Sieg-Kreis satteln auf Pferdehaltung um - Landwirte können sich auf diese Weise von der Agrarpolitik aus Brüssel lösen - Hohe Nachfrage rund um die Städte

Bonn/Königswinter. Placido und Franz-Willi sind ein eingespieltes Team. Der Fuchswallach wartet geduldig in seinem Stall, bis der Landwirt ihm das Heu mit der Schubkarre über den eingezäunten Auslauf bis vor die Nase fährt. Dann erst zupft er sich einzelne Halme heraus.

Rund 40 Pferde betreuen Franz-Willi und Anja Wicharz auf ihrem Hof am Ortsrand von Königswinter-Bockeroth.

Füttern, Zäune reparieren, Heu einfahren, Mist sammeln: "Unser Arbeitstag dauert meist von acht Uhr morgens bis acht Uhr abends", sagt Anja Wicharz. Freie Wochenenden oder Urlaub sind für die Landwirte ein seltenes Vergnügen.

Trotzdem: "Es besteht nach wie vor großes Interesse an der Pensionspferdehaltung", hat Peter Asshauer, Betriebsberater der Landwirtschaftskammer Rheinland, festgestellt. Vor allem im Rhein-Sieg-Kreis satteln zunehmend Landwirte etwa vom Ackerbau oder der Mastviehhaltung auf Pferde um.

35 586 Tiere und 3 541 Halter mit mehr als zwei Hektar bewirtschafteter Fläche hat die Landwirtschaftskammer im vergangenen Jahr für das Rheinland gezählt. Das sind rund 3 300 Vierbeiner und 40 Halter mehr als 1999.

"Pferdehaltung ist das, was sich in der Landwirtschaft derzeit noch am ehesten lohnt", zieht Asshauer Bilanz. Denn Preise und damit auch die Einkommen entstünden hier auf dem freien Markt und nicht in Brüsseler Politiker-Runden.

Die Pferdehaltung lohnt sich laut Asshauer vor allem dann, wenn die Bauern das Futter selber anbauen. Dafür haben sich auch Anja und Franz-Willi Wicharz entschieden. Sie pflanzen neben Hafer und Mais auch Weizen, Rüben und Raps.

Heu, Stroh und Silage für die vierbeinigen Pensionsgäste stammen aus eigener Herstellung. Doch damit sind die Bockerother Bauern wieder von Brüssel abhängig.

"Für den Ackerbau entstehen ständig neue Vorschriften und Verbote", klagt Franz-Willi Wicharz, der seinen Betrieb vor drei Jahren komplett von Michvieh- auf Pferdehaltung umgestellt hat.

Als weiteren Nachteil nennt der Landwirt die hohen Investitionen, die für die Unterbringung der Reittiere notwendig seien. "Ab etwa 30 bis 40 Pferden muss neben dem Reitplatz auch eine Halle her", weiß Betriebsberater Asshauer.

Als Einnahmen verbuchten die Bauern dafür zwischen 100 und 400 Euro pro Tier und Monat. "Wer weiß, wie lange die Leute sich das noch leisten können", sorgt sich Bauer Wicharz angesichts der Konjunkturflaute.

Nach Erkenntnissen der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) sind seine Befürchtungen allerdings unbegründet. "Am Pferd sparen die Leute am wenigsten", sagt FN-Sprecher Thomas Hartwig. "Im Gegenteil: Für optimale Haltungsbedingungen sind die Tierbesitzer zunehmend bereit, etwas mehr zu zahlen."

Vor allem in der Nähe von Großstädten - wie in der Region Köln/Bonn - sieht der Verbandssprecher weiter gute Geschäftschancen rund um den Reitsport. "Ökonomisch und ökologisch hochinteressant" sei die Pferdehaltung.

Denn die Weiden-Bewirtschaftung benötige deutlich weniger Chemie als der Ackerbau. Probleme bereiten den Landwirten meist nicht die Tiere, sondern deren Besitzer. "Ständig Leute vor der eigenen Haustür - das ist nicht jedermanns Sache", erklärt Assauer von der Landwirtschaftskammer.

Die Zukunft der Pferdehöfe? Laut FN liegt das Erfolgsrezept in mehr Dienstleistung. Dazu gehöre eine Rundum-Betreuung vom auf die Weide bringen bis zur Reitstunde. "Einfach nur einen Stall hinstellen wird unterer Standard", meint Hartwig.

Familie Wicharz hat sich für diese Entwicklung schon gerüstet. Bei ihnen stehen die Pferde zu zweit im offenen Auslauf, statt alleine im dunklen Einzelstall. Die Idee stammt von Bäuerin Anja Wicharz: "Die Tiere fühlen sich wohler und wir heben uns von den Angeboten der Konkurrenz ab."

Lesen Sie dazu auch: " Wirtschaftsfaktor Reitsport"

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