50. Bonner Wirtschaftstalk Können in Krisen auch Chancen stecken?

Bonn · Ukraine-Krieg, Pandemie, Klimawandel: Beim 50. Bonner Wirtschaftstalk ging es um die aktuellen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen.

  Thema beim Wirtschaftstalk: Die Abhängigkeit vom russischen Gas.

Thema beim Wirtschaftstalk: Die Abhängigkeit vom russischen Gas.

Foto: dpa/Stefan Sauer

Wir leben in einer Zeit der Krisen: Die Corona-Pandemie, der Klimawandel, der Krieg in der Ukraine und dessen Folgen – man kommt kaum hinterher damit, die Herausforderungen aufzuzählen. Den Kopf in den Sand zu stecken, kommt jedoch nicht in Frage. Darauf konnten sich die Diskutierenden des 50. Bonner Wirtschaftstalks einigen.

Zum Thema „Zeitenwende – Herausforderungen der Bonner Wirtschaft“ unterhielten sich am Mittwochabend im Kammermusiksaal des Beethovenhauses Christiane Woopen, Professorin am „Center for Life Ethics“ der Universität Bonn, Frank Umbach, Forschungsleiter des European Cluster Climate, Energy and Resource Security, Ulrich Voigt, Vorsitzender des Vorstands der Sparkasse Köln-Bonn und Stefan Hagen, Präsident der IHK Bonn/ Rhein-Sieg und Vorstand des Deutschen Industrie- und Handelskammertags. Um die regionale Wirtschaft ging es letztendlich jedoch nicht ausschließlich: Zu monumental waren die angesprochenen Themen, zu weitreichend die Krisen, die insbesondere auch auf ihre gesellschaftlichen Auswirkungen hin thematisiert wurden.

Nicht resilient genug

Klare Worte fand Ulrich Voigt zur Krisenfestigkeit der deutschen Wirtschaft. „Wir sind nicht gut aufgestellt, in keiner Dimension.“ Weder die Wirtschaft noch die Gesellschaft hätten sich in den derzeitigen Krisen als besonders resilient erwiesen, sagte Voigt. „Wir waren zu naiv und haben nicht geschaut, was um uns herum in der Welt passiert“, so Frank Umbach. Insbesondere um die Staatsform Demokratie stehe es schlecht. „Die Anzahl der weltweiten Demokratien ist auf den niedrigsten Stand seit den 30er Jahren gefallen“, sagte Umbach. „Für die internationalen Beziehungen ist das bedeutsam: Demokratien führen keine Kriege gegen Demokratien, das tun nur Autokratien.“

Auch das sinkende Vertrauen in die Demokratie hierzulande kam zur Sprache, was im Panel für eine spürbare Betroffenheit sorgte. „Nur 50 Prozent glauben einer Umfrage der Körber-Stiftung nach noch an die Demokratie“, so Christiane Woopen. „Alle Akteursgruppen müssen sich stärker einbringen, wir brauchen einen Dialog von Politik und Gesellschaft auf Augenhöhe“, meinte die Ethikprofessorin.

Ob die regionale Wirtschaft auch die momentane Krise mit explodierenden Preisen, Lieferketten-Schwierigkeiten und globaler Unsicherheit bewältigen könne, fragte Moderator und GA-Chefredakteur Helge Matthiesen IHK-Präsidenten Stefan Hagen. „Ja, das wird sie“, so dessen Einschätzung. Aber: „Wir dürfen nicht nur in Warenkörben und Wirtschaftsketten denken.“ Die Krisenbewältigung in Hinblick auf den Ukraine-Krieg, aber auch beispielsweise auf den Klimawandel oder die Pandemie, greife weitaus tiefer. So habe etwa die Pandemie in Entwicklungsländern die Armut eklatant verstärkt, durch die Folgen des Ukraine-Kriegs drohe zudem eine Versorgungskrise. Die Unternehmen in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis zeigten sich vor den aktuellen Maßnahmen und Einschränkungen durch die Energiekrise verständnisvoll, meinte Hagen zudem. „Unternehmen wissen, die Wirtschaft lebt auch von der Freiheit“ – und einem autoritären Regime wie Russland etwas entgegenzusetzen, sei hierfür unabdingbar.

„Think global, act local“

Für die deutsche Gas-Abhängigkeit von Russland als eines der offensichtlichen Probleme der Globalisierung fanden die Diskutierenden in den 70 Minuten erwartungsgemäß keine Universallösung. „Wir müssen die goldene Mitte finden: Weder die komplette Abhängigkeit von einem Land noch die Abschottung sind eine Lösung“, sagte etwa Umbach. Dazu brachte Woopen den Ansatz „Think global, act local“ vor – diese Spannung müsse gerade in der heutigen Zeit immer wieder neu austariert werden. Kommunen müssten gestärkt werden, „Menschen brauchen lokale Identifikationsräume“, um in globalen Prozessen eingebunden zu werden.

„Können Krisen auch Chancen sein?“ – diese Frage, die im Gespräch immer mitschwang, bejahten die Teilnehmenden letztendlich. „Eine Krise braucht immer ein Umdenken, neue Entscheidungen“, sagte Woopen. Europa und der Westen allgemein müsse in Zukunft „kleinere Brötchen backen“, tragende Rollen spielen in der Zukunft Länder wie China und Indien, so Umbach. Christiane Woopens Verweis auf das Orakel von Delphi, das keine direkten Zukunftsvorhersagen wagte, sondern stets dazu riet: „Erkenne dich selbst“, schloss die Diskussionsrunde. Woopen: „Wenn wir ehrlich hingucken, was wir angehen müssen, können wir‘s schaffen.“

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