Arbeitsmarkt in Bonn und der Region Warum es mehr Lehrstellen als Bewerber gibt

Bonn · Am Montag beginnt das Ausbildungsjahr. In NRW gibt es 44.400 unbesetzte Azubi-Stellen. Mehr Arbeitslose gibt es auch. Das hat einen guten Grund.

 Die Agentur für Arbeit berichtet von mehr als 44 400 unbesetzten Ausbildungsstellen in der Region.

Die Agentur für Arbeit berichtet von mehr als 44 400 unbesetzten Ausbildungsstellen in der Region.

Foto: dpa/Oliver Berg

Wenige Tage vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres sind in Nordrhein-Westfalen noch mehr als 44 400 Lehrstellen unbesetzt, wie die Regionaldirektion NRW der Arbeitsagentur am Freitag in Düsseldorf mitteilte. Während sich die Wirtschaft vorübergehend von den Corona-Lockdowns erholt hat und wieder mehr ausbilden will, geht die Zahl der Lehrstellensuchenden demografiebedingt zurück. Auch im Juli war der Arbeitsmarkt noch in einer guten Verfassung, obgleich die Arbeitslosenquote im Vergleich zum Juni sowohl in der Region als auch bundesweit erneut gestiegen ist. Sie ist aber fast überall niedriger als im Juli 2021.

In fast allen Branchen suchen Unternehmen Fachkräfte, weil es nicht genügend junge Menschen gibt, die die in den Ruhestand gehenden Menschen ersetzen. So ist die Wirtschaft gezwungen, wieder mehr auszubilden, denn der Nachwuchs soll später in die freien Jobs rücken. Der Vorsitzende Geschäftsführer der Regionaldirektion, Torsten Withake, erklärte: „Für das eigene Unternehmen ist die beste Möglichkeit, gut qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen, die Ausbildung von eigenem Nachwuchs.“

10 000 junge Menschen gelten nicht als unversorgt

Den unbesetzten Stellen für eine duale Ausbildung stehen in NRW 24 700 unversorgte Bewerber gegenüber, damit kommen rein rechnerisch 1,8 Bewerber auf eine offene Lehrstelle. Im Ausbildungsjahr 2020/21 waren es 1,34 Bewerber pro offener Stelle, im Jahr davor 1,2 Bewerber. Laut der Ausbildungsstatistik suchen darüber hinaus weitere 10 000 junge Menschen eine Lehrstelle, haben aber zum 30. September eine Alternative gefunden. Sie gelten in der Statistik nicht mehr als „unversorgt“.

Insgesamt haben die Unternehmen laut Withake bis Juli mehr als 107 000 Ausbildungsstellen gemeldet, das waren rund 4470 mehr als im Vorjahr. Dagegen hätten sich nur knapp 98 000 junge Menschen für eine Lehrstelle bei den Arbeitsagenturen und Jobcentern interessiert, ein Minus von 2,9 Prozent. Auch wenn das Ausbildungsjahr offiziell am 1. August beginnt, sei die Situation für Bewerber günstig: Die Unternehmen seien flexibel und stellten auch noch in den kommenden Monaten ein, so Withake.

Im Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis sah die Situation etwas anders aus: Hier meldeten die Unternehmen laut der Arbeitsagentur bis Juli 259 weniger Ausbildungsplätze, nämlich 4241 (minus 5,8 Prozent). Als ausbildungsplatzsuchend hatten sich 4325 Jugendliche gemeldet, 3,5 Prozent weniger als im Vorjahr. Ohne Ausbildungsplatz waren Ende Juli demnach noch 1197 junge Menschen, ihnen standen 1939 unbesetzte Ausbildungsstellen gegenüber. „Leider passen zu selten die Wunschvorstellungen der der jungen Leute mit den Anforderungsprofilen der Ausbildungsbetriebe überein“, erklärte der Vorsitzende der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Bonn, Stefan Krause. „Dabei hilft: Offen sein für alternative Ausbildungsberufe einerseits und runter mit den Anforderungen an den Nachwuchs andererseits.“

Mehr Arbeitslose als im Juni

Auf dem Arbeitsmarkt machen sich die Folgen des Ukraine-Krieges bermerkbar. Im Juli waren in NRW 687 723 Menschen arbeitslos gemeldet und damit 4,5 Prozent (rund 30 000) mehr als im Vormonat, wie Withake mitteilte. Hauptgrund ist, dass seit Juni viele ukrainische Geflüchtete registriert und als arbeitslos gemeldet sind. Die Arbeitslosenquote stieg in NRW um 0,3 Prozentpunkte auf sieben Prozent. Schon im Juni war die Quote geklettert. Vor einem Jahr war die Lage schlechter als derzeit gewesen, damals lag die Quote bei 7,4 Prozent.

In der Region Bonn/Rhein-Sieg stieg die Arbeitslosenquote gegenüber Juni um 0,3 Prozentpunkte auf 5,8 Prozent. Fast 30 000 Menschen waren arbeitslos gemeldet. Im Vergleich zum Juli 2021 sank die Quote aber um 10,6 Prozent. Krause erklärte, der Anstieg zum Vormonat sei vor allem saisonal bedingt, weil sich jüngere Menschen wegen des Schul- und Ausbildungsendes arbeitslos meldeten. „Die Erfahrungen zeigen, dass in den kommenden Wochen Entlastungseffekte durch neu beginnende Ausbildungs- und Arbeitsverhältnisse erwartet werden können.“ Im Agenturbezirk waren rund 7200 Geflüchtete als arbeitssuchend erfasst; davon galten 3860 als arbeitslos, weil sie nicht in Maßnahmen wie einer Fortbildung waren.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Viel Potenzial bei Ungelernten
Kommentar zur Arbeitslosenquote Viel Potenzial bei Ungelernten
Zum Thema
Aus dem Ressort