Auswirkungen durch die Corona-Pandemie Wirtschaft in der Region stürzt historisch ab
Bonn/Rhein-Sieg-Kreis · Die neueste Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg ergibt historisch schlechte Werte. Ein Großteil der Unternehmen erwartet massive Umsatzeinbußen, viele Insolvenzen drohen.
Nach vielen Jahren des Aufschwungs und meist guter Entwicklung der Geschäfte bremst das Coronavirus die regionale Wirtschaft massiv aus. Bei ihren Umfragen unter Firmen der Region hat die Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg noch niemals schlechtere Werte für Stimmung und Lage ermittelt. „Wir befinden uns in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit dem zweiten Weltkrieg“, sagte IHK-Präsident Stefan Hagen am Mittwoch bei der Vorlage der Ergebnisse. Der Konjunkturklimaindikator fällt mit 67 Punkten auf den tiefsten jemals gemessenen Wert – nach 112 Punkten zum Jahresbeginn 2020 und dem Allzeithoch von 132 Punkten zu Jahresbeginn 2018. Ein Wert von 100 Punkten bedeutet, dass sich optimistische und pessimistische Einschätzungen die Waage halten.
Jedes zweite Unternehmen aus Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis bezeichnet die aktuelle Geschäftslage als schlecht. Dem stehen nur noch 15 Prozent mit einer anhaltend guten Situation gegenüber. Bis zum Jahresbeginn waren immer rund 40 Prozent mit ihrer Situation zufrieden. 84 Prozent der befragten Unternehmen spüren negative Auswirkung der Corona-Krise auf ihre Geschäfte. „Besonders stark betroffen sind das Gastgewerbe und die Verkehrsbranche“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Hubertus Hille.
Deutlich geringere Nachfrage
Zwei Drittel der Unternehmen verzeichnen eine geringere Nachfrage nach ihren Produkten und Dienstleitungen. 30 Prozent berichten von Liquiditätsengpässen und mehr als jedes fünfte Unternehmen muss sogar einen Stillstand der geschäftlichen Tätigkeit verkraften. Jedes zweite Unternehmen rechnet mit einer weiteren Verschlechterung der Geschäfte in den kommenden zwölf Monaten Monaten, nur 18 Prozent erwarten eine Verbesserung. Hille: „Insbesondere im Gastgewerbe, in der Logistikbranche und im Einzelhandel sind die Aussichten sehr düster – trotz der von der NRW-Landesregierung beschlossenen Lockerungen.“
Hagen forderte, dass der Bund bei Konjunkturprogrammen die Investitionen fördern müsse. Wenn beispielsweise die dringend notwendige Digitalisierung der Schulen gefördert werde, bringe das Aufträge für Unternehmen. Wenn Konsumenten direkt Mittel zur Verfügung gestellt würden, verpuffe der Effekt.
Der IHK-Präsident befürchtet massive Folgen für die Finanzen der Kommunen durch Gewerbesteuerausfälle. Dieses und kommendes Jahr würden viele Unternehmen keine Gewinne erzielen. Die Gemeinde Grafschaft an der Ahr beispielsweise als starker Gewerbestandort habe ja bereits mitgeteilt, dass sie vom Wegbrechen der Gewerbesteuer besonders betroffen sei und deshalb an Rande der Zahlungsunfähigkeit stehe.
Große Umsatzeinbußen
Das werden anderen Kommunen in der Region nicht anders gehen: Bei den erwarteten Umsätzen für das Jahr 2020 sehen 15 Prozent der Firmen einen Einbruch von 50 Prozent oder mehr. 22 Prozent rechnen mit einem Rückgang zwischen 25 und 50 Prozent und weitere 27 Prozent kalkulieren mit einer Reduzierung der Umsätze zwischen zehn und 25 Prozent. Dem stehen aktuell nur vier Prozent mit einer Umsatzsteigerung gegenüber.
„Wenn sich die Geschäfte kurz- bis mittelfristig nicht wieder verbessern, wird das für viele Unternehmen zwangsläufig in die Insolvenz führen“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Hubertus Hille. In den kommenden vier Wochen halten immerhin noch 78 Prozent bei den derzeitigen Rahmenbedingungen eine Insolvenz für ausgeschlossen oder unwahrscheinlich. Für vier Prozent wäre eine schnelle Insolvenz sicher oder sehr wahrscheinlich. Sollte sich auch in den kommenden drei Monaten die Situation nicht verbessern, steigt dieser Wert schon auf 14 Prozent.
Zum Zeitpunkt der Umfrage bis Anfang Mai war das Gastgewerbe besonders stark von den Einschränkungen der Coronakrise betroffen und es fehlte zudem eine Perspektive, erläuterte Hille. Die meisten Betriebe mussten komplett schließen oder konnten durch Mitnahme- und Lieferangebote nur einen Bruchteil der sonst üblichen Umsätze generieren. Mit 12,4 Punkten erzielt der Geschäftsklimaindex den historisch niedrigsten Wert aller betrachteten Branchen. 96 Prozent schätzen ihre Geschäftslage als schlecht ein.
Exporte aus der Region werden stark schrumpfen
Der IHK-Beschäftigungsindikator zeigt insgesamt deutlich nach unten. 38 Prozent der befragten Unternehmen planen derzeit einen Personalabbau, nur sechs Prozent wollen ihre Beschäftigungsumfänge erhöhen.
Durch die Ausbreitung des Coronavirus und die damit verbundene Unterbrechung vieler Logistikketten werden auch die Exporte aus der Region stark schrumpfen. Zwei Drittel der exportierenden Unternehmen rechnen mit einem Rückgang der Ausfuhren. Und das sei für die Wirtschaftslage der Region von Bedeutung: „Wir haben ja noch eine veritable Industrie hier“, so Hagen.
Um der Wirtschaft durch die Krise zu helfen, hat die Politik zahlreiche Maßnahmen beschlossen. Bis jetzt hat knapp die Hälfte der Unternehmen eine oder mehrere der Hilfsmaßnahmen genutzt. 72 Prozent der Unternehmen, die Hilfe angenommen haben, haben Kurzarbeitergeld beantragt. 67 Prozent haben einen Antrag auf eine Soforthilfe in Form eines Zuschusses gestellt. Fast 40 Prozent haben die Möglichkeit genutzt und Steuerstundungen oder Herabsetzungen von Vorauszahlungen vereinbart.
Grundlegend zufrieden zeigten sich Hille und Hagen mit dem Krisenmanagement von Bund und Land. Jetzt müsse es darum gehen, mit weiteren Maßnahmen für weniger Unsicherheit zu sorgen.