Bonner Bundeskartellamt nimmt Spritpreise ins Visier

Diesel bundesweit erstmals teurer als Superbenzin - Immer mehr Verbraucher nehmen Bahn

  Teurer Sprit:  Autofahrer misstrauen der Preisbildung.

Teurer Sprit: Autofahrer misstrauen der Preisbildung.

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Bonn. (ots) Das Bundeskartellamt nimmt nach Beschwerden von Verbrauchern und freien Tankstellen den Markt für Benzin und Diesel unter die Lupe. Die Wettbewerbshüter kündigten am Mittwoch eine Untersuchung des Kraftstoffsektors an. "Ziel ist es zu untersuchen, ob die Kraftstoffmärkte in Deutschland ordnungsgemäß funktionieren".

"Sollten sich Anhaltspunkte für Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht ergeben, werden angemessene Maßnahmen ergriffen". Am MIttwoch lag der Durchschnittspreis für Diesel bundesweit erstmals über dem für Superbenzin. Zahlreiche Verbraucherbeschwerden sowie Eingaben freier Tankstellenbetreiber hätten Anlass zu der Untersuchung gegeben. Die Wettbewerbshüter wollen zunächst die generellen Marktbedingungen untersuchen.

Das Bundeskartellamt könne einen bestimmten Wirtschaftszweig analysieren, "sofern Umstände darauf hindeuten, dass der Wettbewerb in diesem Sektor in Deutschland eingeschränkt ist". Die Untersuchung richte sich nicht gegen einzelne Unternehmen. Dem Kartellamt zufolge misstrauen viele Verbraucher der Preisbildung für Benzin und Diesel grundsätzlich. Die freien Tankstellenbetreiber würden den großen Gesellschaften vorwerfen, sie mit Beschaffungspreisen über den Tankstellenabgabepreisen in sogenannte Preis-Kosten-Scheren zu nehmen.

Mit der Untersuchung will das Kartellamt nach eigenen Angaben auch seine eigene Marktdaten aktualisieren. Die letzte bundesweite Erhebung liege schon einige Jahre zurück. Damals hatten die Wettbewerbshüter festgestellt, dass der deutsche Tankstellenmarkt von einem marktbeherrschenden Oligopol von fünf Mineralölgesellschaften geprägt ist.

Die hohen Benzinpreise haben der Bahn unterdessen neue Kunden zugetrieben. In den ersten vier Monaten des Jahres stieg die Zahl der Fahrgäste um 20 Millionen oder 2,3 Prozent auf 888 Millionen, wie das Unternehmen am Mittwoch bestätigte. Besonders stark fiel das Plus mit 3,1 Prozent im Fernverkehr beim ICE aus. "Dabei spielen auch die Benzinpreise eine Rolle", kommentierte Bahnchef Hartmut Mehdorn die Entwicklung. Die gestiegenen Energiekosten belasteten die Bahn weniger als die Wettbewerber Auto und Flugzeug. Das eröffne dem vor dem Börsengang stehenden Unternehmen die Chance, neue Kunden zu gewinnen.

Bahnreisende müssten trotzdem nicht befürchten, künftig nur noch in überfüllten Zügen zu sitzen. Die durchschnittliche Auslastung im Fernverkehr liege bei 48 Prozent, im Regionalverkehr noch unter 20 Prozent, sagte Mehdorn am Dienstagabend in Frankfurt am Main: "Wir haben noch reichlich Möglichkeiten, die Leute willkommen zu heißen."

Bahn-Vorstand Karl-Friedrich Rausch sagte der "Bild"-Zeitung: "Immer mehr Autofahrer kaufen Tickets statt zu tanken. Jetzt tun wir alles, um die Neukunden mit einer guten Leistung dauerhaft bei der Bahn zu halten. Schließlich ist der beste Platz für ein Auto nicht die Tankstelle, sondern der Parkplatz am Bahnhof."

Ein Bahnsprecher sagte, Fahrgastbefragungen zeigten, dass die Kunden die Bahn zunehmend als preiswerte Alternative entdeckten. Die Wettbewerber der Bahn profitierten vom Zuwachs noch deutlicher als die Bahn selbst, wie der Wettbewerbsbeauftragte des Konzerns, Joachim Fried, am MIttwoch in Berlin, sagte. Nach seinen Angaben wuchs der gesamte Schienenverkehr in Deutschland um 0,4 Prozent.

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