Streit um Zulassung von Medikamenten Bonner Hirnforscher fordert herstellerunabhängige Finanzierung

Bonn · Über das Vorgehen bei der Zulassung von Medikamenten in Deutschland gibt es Streit. Der Direktor der Klinik für Epileptologie in Bonn, Christian Elger, kritisiert die Form der Zulassungsstudien, an der viele Arzneimittel-Neuentwicklungen scheiterten, da ein Zusatznutzen nicht nachgewiesen werden könne. Elger sieht darin klare Nachteile für Patienten.

Nicht alle Neuentwicklungen haben auch einen Zusatznutzen: Produktion von Medikamenten.

Nicht alle Neuentwicklungen haben auch einen Zusatznutzen: Produktion von Medikamenten.

Foto: dpa

Die Ausgangssituation: Nur wenn ein Wirkstoff nachweislich besser ist als vorhandene Arzneimittel, darf er auch mehr kosten. Elger meint, diesen Mehrwert könne man aber mit den Daten, die man erheben kann, nicht beweisen, da sie eine andere Zielsetzung haben.

Dafür seien vergleichende Studien nötig, und für die brauche man teilweise Jahre. Den Nachweis des Mehrwerts müssten die Hersteller aber schon nach einem halben Jahr erbringen. Bevor in Deutschland ein Arzneimittel auf den Markt kommt, wird es vom Bonner Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geprüft, ob der Nutzen die Risiken übertrifft.

Nachdem es zugelassen ist, gibt es eine Bewertung des Zusatznutzens durch das Kölner Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Wenn ein Hersteller ein neues Medikament auf den Markt bringen will, muss er über eine Studie nachweisen, dass das Mittel wirksamer ist als ein bestehendes.

Nur dann erlaubt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), dass die gesetzlichen Krankenkassen höhere Preise für das neue Medikament erstatten als für die vorhandenen. So hat der GBA gegen zwei neue Epilepsie-Medikamente votiert, da die Datenlage nicht genügend überzeugt hatte. In vielen Fällen mag die Beurteilung stimmen, heißt es bei der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie.

Jedoch gebe es eine hohe Anzahl an Menschen mit Epilepsie, bei denen auch durch viele verschiedene Therapieversuche Anfälle nicht verhindert würden. "Verlaufen die Studien auch nicht immer für alle Teilnehmer erfolgreich, so bringen sie doch für einen Teil die erhoffte Entlastung, wovon ja auch wieder andere Patienten profitieren", so die Gesellschaft.

Auch ein neues Diabetes-Medikament konnte jüngst bei der Bewertung des Zusatznutzens nicht überzeugen. Die Konsequenz: Es ist jetzt in anderen Ländern auf dem Markt, aber nicht in Deutschland. Die drei Medikamente waren durch das Bonner BfArM bereits zugelassen worden, scheiterten aber beim Nachweis des Zusatznutzens.

Der Vorsitzende des GBA, Josef Hecken, erklärt, dass es Verbesserungsbedarf bei klinischen Studien vor der Zulassung gebe. Beim IQWiG zeigt sich eine Sprecherin mit dem derzeitigen Verfahren zufrieden: "Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht." Hirnforscher Elger fordert, die Finanzierung der Studien auf eine andere finanzielle Basis zu stellen. Statt von den Arzneimittelherstellern sollen sie seiner Vorstellung nach aus den Überschüssen der Krankenkassen finanziert werden.

Karl Broich, Vizepräsident des BfArM, sieht in herstellerunabhängigen Studien durchaus Sinn. "Das ist wünschenswert und bringt zusätzliche Erkenntnisse", so Broich. Er verweist auf das Beispiel der USA, wo Studien der Nationalen Gesundheitsbehörde aus dem Staatshaushalt finanziert werden.

Ansätze dazu gebe es auch in Europa, wo die EU zusammen mit der pharmazeutischen Industrie zwei Milliarden Euro auch für solche Projekte zur Verfügung gestellt habe. "Es dauert aber natürlich Jahre, bis sich das auswirkt." Die Idee, Überschüsse der Krankenkassen zur Finanzierung zu verwenden, sei "smart, verkennt aber, dass Überschüsse nicht immer zur Verfügung stehen".

Bei den anderen Akteuren, die in Deutschland an der Bewertung des Zusatznutzens von Medikamenten beteiligt sind, sieht er eine stärkere Bereitschaft, auf das Know-how des BfArM zurückzugreifen. "Nicht umsonst bezeichnen wir es als lernendes System." Das IQWiG müsse nach Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses bei der Bewertung des Zusatznutzens eines neuen Arzneimittels zusätzlich auf die "zweckmäßige Vergleichstherapie" achten, bei der unter anderem darauf geachtet wird, dass sie nicht zu teuer ist.

Für das BfArM spielen Preisüberlegungen keine Rolle, dort ist man dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand verpflichtet. Um Zulassungsstudien zu einem Erfolg zu bringen, würden die Hersteller im Vorfeld zunehmend beraten, damit die Studien sinnvoll angelegt werden für die Bedürfnisse des BfArM aber auch des IQWiG.

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