Bilanz für 2020 Brexit und Strafzölle belasten die Süßwarenbranche

Köln · Salzkaramell und vegane Chips: Die Deutschen greifen im Lockdown zu Süßigkeiten und Knabbergebäck. Warum die Branche trotzdem unter der Corona-Krise leidet.

 Nervennahrung: Schokolade wird in der Krise vor allem im Supermarkt gekauft.

Nervennahrung: Schokolade wird in der Krise vor allem im Supermarkt gekauft.

Foto: picture alliance / dpa/Hendrik Schmidt

Im Homeoffice oder Digitalunterricht greifen die Deutschen gerne zu Chips, Keksen und Schokolade. „Auch ausgefallene Urlaube und Fernreisen haben dem heimischen Süßwarenkonsum genutzt“, sagte am Donnerstag Ludwig Veltmann Hauptgeschäftsführer des Mittelstandsverbunds bei einer Online-Pressekonferenz anlässlich der wegen der Corona-Krise ausgefallenen Kölner Süßwarenmesse ISM.

Nach Schätzungen des Branchenverbandes BDSI wurden in Deutschland im vergangenen Jahr rund 2,8 Millionen Tonnen Süßwaren und Knabberartikel und damit 2,6 Prozent mehr als im Vorjahr verkauft. Der Inlandsumsatz liege mit rund neun Milliarden Euro knapp vier Prozent über dem Vorjahresniveau. Besonders gut schmeckt den Deutschen derzeit offenbar salziges Karamell. Die Zuckermasse machte BDSI-Vorsitzender Bastian Fassin als aktuellen Trend aus, „insbesondere als Füllung in Schokolade, Keksen oder Eis“.

Trotz der Corona-Frustesser will sich die Süßwarenbranche keinesfalls als Krisengewinnler sehen. Im Gegenteil: „Die aktuelle Krise belastet die Unternehmen deutlich“, so Fassin. „2020 war insgesamt ein schwieriges Jahr.“ Die Kosten der Süßwarenhersteller seien durch die Hygienemaßnahmen, teurere Logistik und Personalausfälle, etwa durch Quarantäne, stark gestiegen.

Erschwerte Beschaffung

Dazu kamen deutliche Probleme im Export. Von den 3,9 Millionen Tonnen in Deutschland produzierten Süßwaren und Knabberartikeln gingen 2020 nach Verbandsschätzung rund 2,2 Millionen Tonnen ins Ausland. Das waren knapp drei Prozent weniger als im Vorjahr. Zu schaffen macht der Branche vor allem der Brexit. Die Lieferbedingungen auf die Insel seien nach wie vor schwierig, sagte Uwe Lebens vom Internationalen Süßwarenhandelsverband Global Sweets Network. „Und es wird auch noch einige Zeit dauern, bis sich das eingependelt hat.“ Dazu kamen 2020 Strafzölle in den USA gegen Kekse und Waffeln aus Deutschland. Die Beschaffung von Rohstoffen bei zum Teil wegen der Pandemie geschlossenen Grenzen sei außerdem deutlich erschwert gewesen, so Fassin.

Einbußen am Kiosk

In Deutschland hat die Corona-Krise die Branche gespalten. Während die großen Supermarktketten eine gestiegene Nachfrage verzeichneten, ist das Geschäft in Flughäfen und an Bahnhöfen zum Teil komplett zusammengebrochen. Deshalb verzeichneten auch Produkte wie Bonbons oder Kaugummis, die gerne unterwegs am Kiosk gekauft werden, deutliche Einbußen. Auch die Insolvenz der Süßigkeiten-Fachhandelskette Hussel sehen Branchenvertreter als eine Folge der Krise. In Innenstadtlagen und Einkaufszentren seien zu wenige Kunden unterwegs.

Auch bei den Supermärkten habe die Pandemie zumindest die Kaufgewohnheiten verändert, so Fassin. „Die Kunden erledigen ihren Einkauf möglichst zügig und greifen daher öfter zu bekannten Produkten und Klassikern“, so der Verbandsvertreter. Neue Süßigkeiten und Marken hätten es daher derzeit schwer.

Und auch auf den Preis schauen die Deutschen weiterhin. Nur in Belgien seien die Preise in Bezug auf einen gemischten Warenkorb mit Standardprodukten stärker gesunken. „Die Deutschen naschen nach wie vor am günstigsten“, sagte Verbandsvertreter Lebens. Die gleiche Auswahl von Süßigkeiten, die es hierzulande für 19,53 Euro gibt, koste beispielsweise in Norwegen 46,43 Euro. Der europäische Durchschnittspreis liegt bei 27 Euro.

Weniger Osterhasen

Nur bei Festen wie Weihnachten zeigten sich die deutschen Süßwarenkäufer spendabel, so die Experten. Ostern sehen sie dagegen wenig optimistisch: Wo keine Verwandtenbesuche sind, werden auch weniger Schokohasen gekauft.

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