Chef von Medien Tenor auf der Anklagebank

Seit Jahren wird die Seriosität des Unternehmens und ihrer Untersuchungsmethoden bezweifelt. Vor der Bonner Wirtschaftsstrafkammer geht es nun um andere Vorwürfe gegen den 45-jährigen Roland S.: Er soll zahlreiche Straftaten begangen haben.

  Die Auswertung  von Zeitungsprodukten ist das Geschäft von Medien Tenor.

Die Auswertung von Zeitungsprodukten ist das Geschäft von Medien Tenor.

Foto: dpa

Bonn. Der Mann auf der Anklagebank hatte vor Jahrzehnten eine Geschäftsidee, die ankam: Seine Firma Medien Tenor analysiert den Inhalt meinungsbestimmender Medien auf Inhalte, Wertungen und unter dem Gesichtspunkt: Wer zitiert wen, wer ist in aller Munde?

Und die Presse veröffentlichte regelmäßig die Ergebnisse der Auswertungen und die Ranking-Liste der angeblich am meisten zitierten Medien. Doch seit Jahren wird die Seriosität des Unternehmens und ihrer Untersuchungsmethoden bezweifelt, vor Gericht wurde um mögliche Datenmanipulation gestritten.

Doch nun vor der Bonner Wirtschaftsstrafkammer geht es um andere Vorwürfe gegen den 45-jährigen Roland S., und die wiegen schwer: Er soll, so die Bonner Staatsanwaltschaft, eine Vielzahl von Straftaten begangen haben, die unter dem Oberbegriff Wirtschaftskriminalität firmieren.

Eine geschlagene Stunde braucht Staatsanwalt Jörg Schindler, um die Anklageschrift zu verlesen, an die 150 Fälle listet er auf und wirft dem Mann auf der Anklagebank, der von zwei Verteidigern flankiert wird, betrügerischen Bankrott, Untreue in zig Fällen, zwei Fälle von Insolvenzverschleppung, Vorenthaltens von Arbeitnehmeranteilen in die Sozialversicherung und die Pensionskasse, falsche Angaben bei der Abgabe einer Eidesstattlichen Versicherung vor. Gesamtschaden laut Anklage: um die 555 000 Euro.

Der Mann, der, wie er selbst schildert, 1994 sein Unternehmen in Bonn gründete, hat in der Folgezeit laut Anklage ein Firmengeflecht unter leicht veränderten Namen in verschiedenen Ländern gegründet - und dabei immer wieder Scherbenhaufen hinterlassen, die strafrechtlich relevant sind.

Und obwohl er immer wieder so zahlungsunfähig geworden sein soll, dass er Mitarbeiter nicht mehr bezahlen konnte, und das Finanzamt immer wieder vergeblich bei ihm vorstellig geworden sein soll, meldete er keine Insolvenz an. Er selbst soll trotzdem nicht zu kurz gekommen sein: Laut Anklage ließ er sich von seinen Auftraggebern - darunter große Unternehmen und Banken - das Geld auf Konten zahlen, zu denen nur er Zugang hatte. Wie der Sohn eines ehemaligen Zeitungs-Chefredakteurs erklärt, hat er nur noch einen Firmensitz in der Schweiz in Lugano, wo er mit seiner zweiten Frau lebt. Von dort führe er die Geschäfte weiter.

Zu den Vorwürfen äußert sich der Mann, der "gerne Pianist geworden wäre", erst einmal nicht. Und ob er dazu überhaupt etwas sagen will, verrät er auch nicht. Am nächsten Prozesstag, kündigt Kammervorsitzender Hinrich de Vries an, werde man erst einmal Dokumente verlesen. Da könne man später besser verstehen, "wovon die Zeugen reden". Sollte S. weiter schweigen, ist von einem langen Prozess auszugehen.

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