Club la Redoute: EZB-Chefvolkswirt geht mit Bankern hart ins Gericht

Kaum ist die schwerste Finanz- und Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit weitgehend überwunden, da droht sich ein ähnliches Szenario erneut aufzubauen. Davor warnte am Mittwochabend der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Jürgen Stark, in Bonn.

Club la Redoute: EZB-Chefvolkswirt geht mit Bankern hart ins Gericht
Foto: Barbara Frommann

Bonn. Kaum ist die schwerste Finanz- und Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit weitgehend überwunden, da droht sich ein ähnliches Szenario erneut aufzubauen. Davor warnte am Mittwochabend der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Jürgen Stark, in Bonn. Stark, der selbst viele Jahre im Bonner Finanzministerium gearbeitet hat, kam auf Einladung des Internationalen Clubs la Redoute ins Rheinhotel Dreesen, wo er unter den rund 200 Gästen "viele bekannte Gesichter" wiedersah.

"Man hat das Gefühl, das Kasino ist wieder offen", sagte Stark mit Blick auf die Banker. Im Finanzsystem müsse sich Elementares ändern, und das sei vor allem die Mentalität der Bankmanager. "Eine Änderung sehe ich nicht", kritisierte Stark. Es sei richtig, wie jetzt geplant, den Banken höhere Eigenkapitalquoten vorzuschreiben, sagte Stark. Eine wesentliche Beeinträchtigung des Kreditgeschäftes erwartet er dadurch nicht.

Auch die großen Ratingagenturen bekamen ihr Fett weg. Auf die Frage nach der möglichen Einrichtung einer europäischen Ratingagentur sagte Stark, dass die Agenturen nichts vorausgesehen hätten, weder die Asienkrise 1997/98 noch jetzt die Probleme in Griechenland, Spanien oder Irland. "Wo waren da die Ratigagenturen?" fragte Stark.

"Die Ratingagenturen folgen nur dem Markt und verstärken damit die Ausschläge", kritisierte der Notenbanker. Er messe Ratingnoten kein Gewicht mehr bei und rate zu Abstand von den Bewertungen, sagte Stark unter Beifall des Publikums.

Zur Schuldenkrise in Europa sagte Stark, diese sei nur zu bewältigen, wenn die Krisenstaaten ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik änderten. Dieser Weg werde jetzt durch die Hilfskredite und Garantien, die an harte Bedingungen geknüpft seien, verfolgt. "Da gibt es scharfe Kontrollen durch den IWF und uns", sagte Stark. Sein Eindruck sei, dass Griechenland "das Programm Punkt für Punkt umsetzt." Eine Insolvenzordnung für Staaten, wie sie viele forderten, packe das Problem dagegen nicht an der Wurzel und verlagere es nur.

Staatskrise und Währungsdebatte müsse man auseinanderhalten, so Stark. Eine Inflation drohe mittelfristig nicht. Die EZB habe den Euro bisher stabil gehalten. "Wir haben geliefert als Zentralbank; wer nicht geliefert hat, sind die Regierungen."

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