„Ein Geschenk enthält immer eine Botschaft“ Darum sind Geschenke wichtig

Rheinbach · Warum beschenken wir uns? Wer richtig schenkt, knüpft damit ein Beziehungs-Netz über die Zeit, verrät die Rheinbacher Wirtschaftspsychologin Britta Krahn.

 Wie verhält man sich, wenn man unerwartet ein Geschenk erhält? Am besten ist es, ehrlich seinen Dank zum Ausdruck zu bringen.

Wie verhält man sich, wenn man unerwartet ein Geschenk erhält? Am besten ist es, ehrlich seinen Dank zum Ausdruck zu bringen.

Foto: Malte Christians

Regelmäßig vor Weihnachten werden Geschenke verteufelt. Dann ist von Konsumterror die Rede. Trotzdem sterben sie nicht aus? Warum?

Britta Krahn: Schenken ist etwas, was uns Menschen sehr immanent ist. Wir finden es als eine von wenigen universalen Charakteristika in allen Kulturen. Wir schenken etwas, um Beziehungen zu knüpfen, zu erhalten und zu vertiefen. Insofern stärkt Schenken unsere Gesellschaft und Zivilisation.

Im Grunde sind Geschenke doch ein Paradox. Sie suggerieren eine freiwillige Eigentumsübertragung. Andererseits – so sagt der Philosoph Derrida – ist damit praktisch immer die Erwartung einer Gegengabe verbunden.

Krahn: Das ist richtig. Mit Gaben und Gegengaben knüpfen Menschen ein Netz über die Zeit. Ein Geschenk enthält als wirksames Kommunikationsmittel gleichzeitig immer auch eine Botschaft. Diese kann positiv, aber auch negativ ausfallen.

Geschenke gelten in der Wissenschaft als soziale Sanktion. Das klingt nicht eben altruistisch?

Krahn: Sanktionen sind dabei grundsätzlich wertfrei gemeint. Anders gesagt ist ein Geschenk ein Symbol oder eine Manifestation für unsere Beziehungen. Tatsächlich nützen Geschenke auch den Schenkenden, indem sie ihnen das gute Gefühl geben, soziale Beziehungen zum Partner, zu Kindern, Freunden oder Kollegen zu festigen.

Ist es also vielleicht gar nicht gut, Geschenke abzulehnen – nach dem Reflex. Ich wünsche mir nichts. Oder, ach, das wäre ja nicht nötig gewesen?

Krahn: Das ist wahr. Ein Geschenk drückt Wertschätzung und Aufmerksamkeit gegenüber dem Beschenkten aus. Gleichzeitig zeigt der Schenkende auch seine schwache Seite, denn er riskiert die Gefahr der Ablehnung und des Undanks. Im BGB ist sogar festgelegt, dass Geschenke bei grobem Undank zurückgefordert werden dürfen.

Man sagt, kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Was ist da dran?

Krahn: Das ist ein ganz guter Sinnspruch. Etwas sehr Wertvolles zu schenken kann das fragile Gleichgewicht sozialer Beziehungen ins Wanken bringen und eine Schuld erzeugen, die der Beschenkte erstmal abtragen muss. Dann werden Geschenke zu Machtmitteln oder sie illustrieren Prestige oder soziale Hierarchien. Andererseits wissen wir aus vielen, auch neueren Untersuchungen, dass kleinere Gaben sehr gut dafür geeignet sind, unsere Beziehungen zu festigen und zu stärken. Das gelingt, wenn das Geschenk einerseits zu dem Beschenkten passt, aber andererseits auch etwas über den Schenkenden aussagt.

Leute, die nichts schenken wollen, verweigern sich in gewissem Maße sozialer Interaktion. Kann man das so sagen?

Krahn: Ja, die nehmen an diesem wichtigen Ritual unserer sozialen Interaktion nicht teil. Das betrifft diejenigen, die nichts schenken genauso wie diejenigen, die nichts annehmen wollen. Ein solches Verhalten ist sehr schade, denn es geht beim Schenken nicht um materielle Werte. Wir können empirisch gut nachweisen, dass es bei einem Geschenk nicht sehr auf dessen Preis ankommt.

Ist das Argument mit dem Konsumterror dann vielleicht auch nur ein Zeichen der Bequemlichkeit? Es gibt ja auch Geschenke wie selbstgemachte Marmelade, Gebasteltes oder einen Ausflugsgutschein, die mit Kommerz nicht sonderlich viel zu tun haben, aber dem Schenkenden Arbeit machen.

Krahn: Wichtig ist, dass die Passung eines Geschenkes die Wertschätzung ausdrückt. Das kann durchaus ein umsichtig verpacktes Geldgeschenk oder ein Gutschein für einen lang gehegten Wunsch sein, wenn er zeigt, dass der Schenkende sich damit befasst hat. Schenken ist eine Investition von Zeit und Aufmerksamkeit.

Wie lässt sich der richtige Wert eines Geschenkes bestimmen?

Krahn: Das ist natürlich die Gretchenfrage. Es gibt leider keine allgemeingültige Antwort. Aber man kann kleine Fallen vermeiden. Zum einen sollte man pauschale Kategorisierungen vermeiden, die eigentlich Gleichgültigkeit ausdrücken: Pralinen für die Oma, Schnaps für den Mann und Blumen für die Frau. Es sei denn, jemand wünscht sich explizit etwas für den Haushalt. Dann sollte man den Wunsch auch erfüllen und nicht nach eigenem Geschmack etwas anderes aussuchen. Der zweite Fallstrick ist nämlich die Projektion eigener Interessen und Normen auf den anderen nach dem Motto: Dir muss gefallen, was mir gefällt. Oder ein Geschenk als Anspruch auf die Zukunft: Etwa ein Lebensratgeber nach dem Motto: Ändere dich bitte. Das ist dann schon übergriffig.

Wird Schenken in einer gesättigten Gesellschaft schwieriger?

Krahn: Es gibt das Problem, dass viele Menschen sich die Geschenke theoretisch auch selber kaufen können. Aber wenn man einen kurzen Gedanken zur gegenseitigen Beziehung oder zu anstehenden Aufgaben oder Lebensereignissen des zu Beschenkenden wie einem runden Geburtstag oder einer Reise investiert, dann findet sich eigentlich immer etwas Passendes. Man sollte sich von Kategorien wie einem bestimmten Preis lösen. Dann kann Schenken ganz leicht sein und vor allem beiden Seiten Freude bereiten.

Andersherum wird gerade zu Weihnachten viel sinnloses Zeug verschenkt, wie sich ab dem 27.12. dann an den Retouren zeigt. Welchen Anteil hat daran die Werbung?

Krahn: Werbung nutzt das Bedürfnis nach Austausch und gemeinsamen Ritualen mit den Personen oder Gruppen, die uns wichtig sind.. Sie ist deshalb sehr emotional und betont dieses weihnachtliche Gemeinschaftserlebnis. Das Symbol dafür ist das Geschenk.

Wenn man wie Sie um die Funktionsprinzipien des Schenkens weiß – schenkt man dann eigentlich noch gerne? Oder fühlt man sich ertappt?

Krahn: Ich schenke wirklich gerne. Allein das Gefühl, passende Geschenke gefunden zu haben, gibt einem sehr viel. Das lasse ich mir nicht nehmen und bin in diesem Jahr sogar schon ziemlich weit mit den Weihnachtseinkäufen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort