Schlechte Nachrichten für die Wirtschaft Das bedeutet der Brexit für Bonn und die Region

Bonn · Großbritannien ist einer der wichtigsten Märkte für Unternehmen aus Köln, Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis. Laut Industrie- und Handelskammer sind in der Region 279 britische Firmen registriert.

Schlechte Nachrichten für die Region: Der Brexit könnte den Raum Köln/Bonn besonders stark treffen. Der Regierungsbezirk gehört zu den Regionen in Europa, in denen Industrie und Handwerk unter dem geplanten britischen EU-Austritt besonders leiden dürften. Dies geht aus einer Untersuchung des Europäischen Ausschusses der Regionen hervor.

Großbritannien sei ein wichtiger Markt für die NRW-Wirtschaft, erklärt ein Sprecher der Industrie- und Handelskammer zu Köln. Demnach gehen sieben Prozent der NRW-Exporte nach Großbritannien, 3,9 Prozent der NRW-Importe kommen von dort.

Nach Angaben des Landeswirtschaftsministeriums betrug das Handelsvolumen zwischen Nordrhein-Westfalen und Großbritannien im vergangenen Jahr 22,4 Milliarden Euro, womit NRW das wichtigste Bundesland im deutsch-britischen Handel war. Köln stehe für 25 Prozent der Wirtschaftskraft sowie des Außenhandels in NRW. „Das heißt, dass der Brexit unsere Unternehmen besonders fordern wird“, erklärt der IHK-Sprecher aus Köln.

Besonders betroffen ist laut IHK die Automobilbranche – wie sich regional am Beispiel von Ford zeigt: Der Autobauer hatte diese Woche mitgeteilt, dass ihn der angekündigte EU-Austritt bereits im vergangenen Jahr Verluste in Höhe von 600 Millionen US-Dollar (rund 490 Millionen Euro) eingebracht hat. Auch 2018 rechne der Konzern mit einem „stattlichen Minus durch das schwache Pfund“. Ford leide unter einem harten Brexit besonders, weil es einen hohen internen Austausch zwischen der Produktion in Großbritannien und den Werken auf dem Kontinent gebe. So würden alle Dieselmotoren in Großbritannien gefertigt. In Köln und Saarlouis würden sie dann in die Autos eingebaut. Die Rechtslenker-Modelle würden dann wieder zurück auf die Insel gebracht. Hier drohe „eine unglaublich hohe Zollbelastung“.

Auswirkungen für den Rhein-Sieg-Kreis

Die Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg schätzt, dass es jetzt bereits Schäden über die Branchen hinweg gibt, vor allem weil große Unsicherheit herrsche: „Das führt zu Zurückhaltung.“ Die deutsche Wirtschaft sei bereits jetzt durch sinkendes Wachstum in Großbritannien und nachlassende Investitionen dort betroffen, erklärt der Leiter der Abteilung International der IHK Bonn/Rhein-Sieg, Armin Heider. „Bei Unklarheiten können Unternehmen nicht sicher agieren und könnten im Zweifel sogar Geschäfte unterlassen“, führt er weiter aus.

Besonders treffen könnte der Brexit zwei Unternehmensgruppen, so Heider: Unternehmen, die bisher nur innerhalb des Binnenmarktes Handel betreiben und daher mit zollspezifischen Verfahren nicht vertraut sind – oft kleine und mittlere Firmen. Und zum anderen solche mit internationalisierten Wertschöpfungsketten, deren Produkte an verschiedenen Standorten produziert werden – wie eben Ford. „Die Unternehmen in der Region Bonn/Rhein-Sieg erwarten für 2018 nochmals schlechtere Geschäfte mit Großbritannien“, erklärt Heider. Der Handel deutscher Unternehmen mit Unternehmen im Vereinigten Königreich nehme bereits ab.

Dagegen verweist das NRW-Wirtschaftsministerium auf eine Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo), die vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegeben wurde: Im ungünstigsten Fall würde Deutschland insgesamt nur Verluste in Höhe von 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu verkraften haben.

Wirtschaftsförderung sieht Brexit gelassen

Kreiswirtschaftsförderer Hermann Tengler rechnet für den Rhein-Sieg-Kreis mit direkten und indirekten Effekten des Brexits. „Die Industrie im Kreis ist ein wichtiger Arbeitgeber mit einer Exportquote von 41 Prozent“, so Tengler. Eines der wichtigsten Exportländer für die Region sei dabei Großbritannien. Im Rhein-Sieg-Kreis stark vertreten und von Auswirkungen möglicherweise entsprechend stark betroffen seien Unternehmen des Maschinenbaus, der Kunststoffindustrie sowie der Autozuliefererbranche.

IHK-Abteilungsleiter Heider weißt darauf hin, dass gerade in Bonn – als internationaler Standort mit zwölf Prozent nicht-deutscher Einwohner – auch Fachkräfte mit britischem Pass betroffen sein könnten. In der Region Bonn/Rhein-Sieg sind von 15.000 eingetragenen Firmen im Handelsregister 700 mehrheitlich in ausländischem Besitz. Großbritannien liegt dabei mit 48 Firmen auf Rang vier. Beispiele sind die beiden Auto- und Luftfahrtzulieferer GKN Sinter Metals und GKN Walterscheid sowie Neuway Pharma. Laut IHK Köln gibt es in der Domstadt rund 231 britische Firmen, darunter bekannte Marken wie Dyson.

Die Wirtschaftsförderung der Stadt Bonn sieht möglichen Auswirkungen des Brexit relativ gelassen entgegen: „Die Studie (des Europäischen Ausschusses der Regionen, Anm. d. Red.) bezieht sich insbesondere auf die Folgen des Brexits für das Produzierende Gewerbe. Grundsätzlich ist hier für Bonn von einem geringeren Einfluss auszugehen, da in Bonn rund 95 Prozent der Bruttowertschöpfung (für das Jahr 2015) auf den Dienstleistungssektor und lediglich fünf Prozent auf den industriellen Sektor entfallen“, schreibt die Wirtschaftsförderung in ihrer Antwort auf eine Anfrage des General-Anzeigers. „Die größten Importanteile Großbritanniens machen beim deutschen Industriesektor die Branchen Fahrzeugbau, Chemie und Plastik sowie Maschinenbau aus. Es ist nicht ganz auszuschließen, dass auch Bonner Unternehmen vom Brexit über direkte und indirekte Lieferbeziehungen beeinflusst werden. Konkrete Erkenntnisse zu einzelnen Unternehmen liegen der Wirtschaftsförderung jedoch bisher nicht vor.“

Großbritannien soll die Europäische Union am 29. März 2019 verlassen. Doch folgt zunächst eine knapp zweijährige Übergangsfrist.

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