Bonner Wirtschaftsexpertin Isabel Schnabel im Interview „Das Rentenalter muss mit der Lebenserwartung steigen“

Bonn · Isabel Schnabel, Professorin für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Bonn, hat als Mitglied des Sachverständigenrates das Gutachten mit verfasst. Delphine Sachsenröder hat nachgefragt, warum die Expertin trotz aller Widerstände auf ein Freihandelsabkommen mit den USA setzt.

 Isabel Schnabel, Professorin für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Bonn, setzt weiter auf ein Freihandelsabkommen mit den USA.

Isabel Schnabel, Professorin für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Bonn, setzt weiter auf ein Freihandelsabkommen mit den USA.

Foto: Volker Lannert

Sie fordern, das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA schnell umzusetzen. Ist das angesichts der Widerstände realistisch?

Isabel Schnabel: Berechtigte Einwände gegen TTIP müssen natürlich diskutiert werden. Doch es ist schon verwunderlich, dass in einer Exportnation wie Deutschland der Freihandel so negativ gesehen wird. Es gibt hier ein Kommunikationsproblem. Leider stehen auch beide US-Präsidentschaftskandidaten dem Freihandel eher skeptisch gegenüber.

Warum sollen die Deutschen nach Ansicht des Sachverständigenrates länger arbeiten?

Schnabel: Der demografische Wandel zählt zu den größten Herausforderungen für Deutschland. Um das Rentenniveau zu sichern, werden wir wie andere Länder das gesetzliche Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung koppeln müssen. Im Jahr 2080 könnte das Renteneintrittsalter dann bei 71 Jahren liegen.

Gleichzeitig sprechen Sie sich gegen den Mindestlohn aus. Dabei sind die befürchteten Folgen für den Arbeitsmarkt bisher ausgeblieben.

Schnabel: Der Mindestlohn schadet in wirtschaftlich guten Zeiten weniger. Die Folgen werden sich zeigen, wenn sich die Konjunktur abschwächt. Dann könnten Menschen mit geringerer Produktivität ihren Job verlieren. Schon jetzt stellt der Mindestlohn ein Hemmnis für die Integration der Flüchtlinge und Niedrigqualifizierten in den Arbeitsmarkt dar.

Was läuft bei den Banken schief?

Schnabel: Das europäische Bankensystem ist nach wie vor instabil. Gerade Institute wie die Deutsche Bank brauchen mehr Eigenkapital. Wir schlagen eine Quote von mindestens fünf Prozent der Bilanzsumme vor. Außerdem muss es möglich sein, dass Banken in Europa pleitegehen, statt mit Steuergeldern aufgefangen zu werden.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund wirft den Wirtschaftsweisen vor, die Umsetzung ihrer Vorschläge gefärdete „die Stabilisierung Europas.

Schnabel: Das Gegenteil ist der Fall. Wir möchten mit unseren Vorschlägen den Euroraum stabilisieren. Schließlich wurde die Krise in Europa nicht zuletzt durch zu hohe Schulden verursacht. Deshalb ist es jetzt wichtig, dass vor allem in den ehemaligen Krisenländern Reformkurs und Haushaltsdisziplin beibehalten werden. Leider ist das in vielen Ländern nicht der Fall.

Neben Haushaltsdisziplin fordern die Sachverständigen auch Investitionen, etwa in Bildung. Wie passt das zusammen?

Schnabel: Eine höhere Verschuldung ist hierfür nicht erforderlich. Innerhalb der öffentlichen Haushalte gibt es Raum zur Umschichtung von Ausgaben.

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