Vernetzte Autos Daten zur Unfall-Aufklärung genutzt

München · Moderne Autos sammeln Daten über sich selbst und den Fahrer. Diese sollen nicht nur dem Fahrer helfen, ein Kölner Gericht hat sie bereits zur Aufklärung eines Unfalls abgerufen.

 Musste der Staatsanwaltschaft nach einem Unfall das Bewegungsprofil eines BMW-Fahrers liefern: Die Carsharing-Tochter DriveNow.

Musste der Staatsanwaltschaft nach einem Unfall das Bewegungsprofil eines BMW-Fahrers liefern: Die Carsharing-Tochter DriveNow.

Foto: picture alliance / dpa

Der Tag, an dem ein voll vernetztes Auto mehr über seinen Fahrer weiß als die Ehefrau, scheint nahe. Schon jetzt ähneln die Gefährte rollenden Computern. Und wenn Premiummarktführer BMW Innovationen vorstellt, dann geht es dabei immer weniger um PS und immer mehr um digitale Dienste. Die Münchner bieten sie unter dem Begriff BMW Connected an und setzen bei ihrer neuen Generation zum Sprung an. BMW-Digitalchef Dieter May schwärmt von bruchloser Mobilität und personalisierten Angeboten. „Wir wollen die Loyalisierung unserer Kunden erreichen und sie digital an uns binden“, sagt er.

Dazu würden alle Daten, die ein BMW-Fahrer seinem Auto zur Verfügung stellt oder die dieses im täglichen Fahrbetrieb selbst sammelt, intelligent kombiniert. „Das Auto lernt, was ein Kunde mag und was nicht“, sagt May. Bruchlos bedeutet, dass Daten vom Smartphone, der Smartwatch oder vom heimischen PC per Click im Bordcomputer landen, der dann zum Beispiel den Tagesablauf kennt und Fahrtrouten vorberechnet. Individualisiert heißt, er merkt sich alles und macht dem Fahrer von sich aus Vorschläge, die die Software aus den gespeicherten Daten abgeleitet hat. Wer regelmäßig zu ähnlichen Zeiten den gleichen Weg fährt, braucht dann nichts mehr einzuprogrammieren, weil das Auto weiß, dass es um sieben Uhr früh an einem Werktag immer zum Arbeitsplatz geht.

Bei der digitalen Vernetzung wähnen sich die Münchner technologisch in einer Führungsrolle. Unbestritten ist auf jeden Fall, dass es branchenweit in die gleiche Richtung geht. „Man muss sich sein Auto vorstellen wie einen digitalen Freund, dem man gewisse Dinge anvertraut“, beschreibt es Thom Brenner. Er ist bei BMW Chef der digitalen Produktentwicklung. Großen Wert legt er auf die Feststellung, dass die Daten im Auto bleiben und der Konzern keinen Einblick hat. Darin würde sich BMW fundamental von einem Internetkonzern wie Google unterscheiden, der an selbstfahrenden Autos bastelt und dem ein anderes Verständnis von Kundendaten eigen ist. Die Internetwirtschaft versteht sie als eine Art Währung, mit der Verbraucher mehr oder weniger bewusst für Dienste bezahlen.

BMW-Werkstätten zumindest wissen allerdings einiges, wenn etwa im Winter jemand wegen eines Warnlichts im Display vorfährt. Dann nimmt ein BMW-Mitarbeiter den elektronischen Startstick, der früher einmal ein Zündschlüssel war und steckt ihn am Counter in ein Lesegerät. „Sie sind in den letzten Tagen bei Minustemperaturen immer nur kurze Strecken unter zehn Kilometer gefahren, vielleicht die Batterie“, sagt er. Die war es. Die Frage, was sich sonst noch so alles aus dem Stick auslesen lässt, bleibt unbeantwortet.

Das Landesamt für Datenschutz prüft

Die Kölner Justiz wollte jüngst genau wissen, was geht. Ein 27-Jähriger hatte mit einem 1er BMW der Carsharing-Tochter DriveNow einen tödlichen Verkehrsunfall mit einem Radfahrer verursacht. Am Ende wussten die Ermittler, auf exakt welcher Route der Todesfahrer unterwegs war, mit welcher Geschwindigkeit und bei welcher Außentemperatur. Das Bewegungsprofil hatten BMW und DriveNow auf Verlangen der Staatsanwaltschaft geliefert.

BMW sagt, das Profil gehe zu wesentlichen Teilen auf ein technisches Modul (CSM) zurück, das nur in den derzeit weltweit 5000 Carsharing-Autos des Konzerns verbaut werde. Das speichere Fahrdaten in verschlüsselter Form, wobei DriveNow nur Orts- und Zeitangaben sowie Mietbeginn und -ende unverschlüsselt erhalte. Andere Daten würden „nur von der BMW Group und nur im Einzelfall zu konkreten Supportzwecken bei Kundenrückfragen/-beschwerden oder technischen Problemen abgerufen“, erklärt BMW. Zwischen Kunden- und Fahrzeugdaten könne BMW allein aber keine Verbindung herstellen. Das sei erst durch Kombination der CSM-Daten und derer aus BMW-Bestand möglich. Datenschutzrechtlich wähnt sich BMW auf der sicheren Seite.

Das wird derzeit vom bayerischen Landesamt für Datenschutz überprüft. „Das Nähere dazu müssen wir noch aufklären“, sagt Referatsleiter Manfred Ilgenfritz zum Fall. Wenn alle Ermittlungen abgeschlossen sind, erfolge auch eine datenschutzrechtliche Bewertung. Sicher sei aber schon, dass BMW keinen Zugriff auf die Handydaten des Fahrers hatte, wie verschiedentlich behauptet wurde. Das sei technisch nicht möglich. Wie lange noch, mag man sich angesichts der Entwicklung fragen.

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