Ausbildungsplätze in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis "Der Trend geht zu den großen Namen"

BONN · In Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis ist es für die Unternehmen in diesem Jahr deutlich schwerer geworden, ihre Ausbildungsstellen zu besetzen. Auch nach Beginn des neuen Ausbildungsjahres hat die Bonner Agentur für Arbeit noch 642 offene Ausbildungsstellen.

Schweißen will gelernt sein: Doch auch in den technischen Berufen gibt es weniger Bewerber für freie Ausbildungsstellen.

Schweißen will gelernt sein: Doch auch in den technischen Berufen gibt es weniger Bewerber für freie Ausbildungsstellen.

Foto: dpa

Das ist immerhin ein deutlicher Rückgang gegenüber August, wo noch 1309 Lehrstellen unbesetzt waren. "Es lohnt sich, weiter am Ball zu bleiben", sagt Lars Normann, Sprecher der Agentur für Arbeit Bonn. Sowohl für Unternahmen als auch für Bewerber. Im September und Oktober laufe das Vermittlungsgeschehen noch auf Hochtouren. Deutliche Lücken geben es in der Hotel- und Gastronomiebranche, in den medizinischen Berufen, bei Fleischern und Lebensmittelfachverkäufern.

Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter haben naturgemäß oft unterschiedliche Positionen, aber bei der Beurteilung der Situation auf dem Ausbildungsmarkt sind sich der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sowie die Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein Sieg (IHK) völlig einig.

Ingo Degenhardt, Vorsitzender des DGB-Kreisverbandes Bonn/Rhein-Sieg: "Es verfestigt sich zunehmend ein Akademisierungswahnsinn." Das schade dem dualen Ausbildungssystem und der Wirtschaft gleichermaßen. "Wir brauchen Fachkräfte aus der Praxis für die Praxis."

"Wir haben einen Bachelor-Wahn", sagt Jürgen Hindenberg Geschäftsführer für Berufsbildung und Fachkräftesicherung bei der IHK. Es gebe unter den Bewerbern für einen Ausbildungsplatz kaum noch Realschüler mit guten Noten. Diese würden regelmäßig auf das Berufskolleg wechseln, um dort die Hochschulreife zu erwerben. Bei der IHK nehmen die Experten deshalb künftig verstärkt die Zielgruppe der Studienabbrecher ins Auge. Ihnen wird eine "Turbo-Ausbildung" angeboten, die sie nach 18 Monaten abschließen können.

"Kleine Unternehmen haben es schwerer, ihre Ausbildungsstellen zu besetzen", hat Hindenberg festgestellt. Das hänge natürlich damit zusammen, dass der Firmenname nicht so bekannt sei und sich deshalb unter jungen Leute nicht herumspreche. Außerdem hätten kleine Firmen in der Regel nicht so ein professionelles Ausbildungsplatzmanagement: "Der Trend geht zu den großen Namen."

Bei den großen Arbeitgebern der Region ist Bewerbermangel in der Tat noch eher die Ausnahme. Bei der Deutschen Post DHL gibt es bundesweit im Durchschnitt neun Bewerber pro angebotener Ausbildungsstelle, erläutert Alex Schneider, der als Vice President Employer Branding und Nachwuchskräfte der Post für das Thema Ausbildung zuständig ist.

"In kaufmännischen Berufen gibt es 25 Bewerber pro Stelle", sagt Schneider. Bei anderen Ausbildungsgängen wie Berufskraftfahrern oder der Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen wünsche sich der Konzern mehr Bewerbungen, dort gibt es Nachwuchsprobleme.

Gute Erfahrung mache das Unternehmen mit der Einstiegsqualifizierung, bei der junge Menschen, die noch nicht für eine Ausbildung reif sind, an den Beruf herangeführt werden. Die Ausbilder müssten sich zwar intensiv um die jungen Menschen kümmern, aber das lohne sich.

Eine deutliche Veränderung des Bewerberverhaltens macht Schneider aus: "Alles ist viel kurzfristiger." Viele Eltern würden heute noch denken, dass junge Menschen ihren Ausbildungsplatz ein Jahr vorher in der Tasche haben müssten. Aber das sei keineswegs so. "Viele Bewerbungen kommen erst nach den Weihnachtsferien." Deshalb sei ab Januar bei der Stellenvergabe besonders viel zu tun. Bewerbermangel verzeichnet die Post auch in einigen Regionen Deutschlands wie München oder Stuttgart. Für Köln und Bonn gelte das nicht: "Die Lage ist gut." Die Region wirke attraktiv auf junge Menschen.

Bei der Postbank kommen bundesweit durchschnittlich 25 Bewerber auf die mehr als 400 Ausbildungsstellen. Die Ausbildung zum Bankkaufmann sei weiterhin gut nachgefragt, berichtet Sprecherin Iris Laduch-Reichelt. Aber auch der neue Ausbildungsberuf "Verkäufer im Bereich Post- und Bankdienstleistungen", eine zweijährige Ausbildung, sei gut angenommen worden.

Bei der Deutschen Telekom bewarben sich bundesweit fast 50 000 junge Menschen auf die 3100 Ausbildungsstellen. "Wir können nicht klagen", sagt Sprecher Peter Kespohl. Engpässe bei Bewerbern gebe es in den Ballungsräumen Hamburg, Stuttgart und München.

Freie Plätze verzeichnet die Telekom hingegen noch an der Hochschule für Telekommunikation in Leipzig. In dualen Studiengängen gebe es ab 1. Oktober noch die Möglichkeit, informations- und medientechnische Studiengänge zu belegen.

Im Handwerk der Region gibt es deutlich mehr abgeschlossene Ausbildungsverträge, aber eben auch noch viele offene Stellen. Die Kölner Handwerkskammer, die auch für Bonn und den Rhein-Sieg-Kreis zuständig ist, meldet Stellen vor allem bei den Friseuren, Elektronikern, Energie- und Gebäudetechnikern, Anlagenmechanikern im Sanitär- und Heizungshandwerk, Dachdeckern sowie Metallbauern. Selbst bei den sehr gefragten Berufen Kaufmann für Büromanagement, dem Nachfolgeberuf des Bürokaufmanns, wie auch dem Kfz-Mechatroniker gebe es noch freie Ausbildungsplätze.

Stolz ist man bei der Handwerkskammer darauf, dass es gelungen ist, den Anteil der Abiturienten unter den Auszubildenden deutlich zu erhöhen. 18 Prozent der in diesem Jahr abgeschlossenen Ausbildungsverträge seien durch Abiturienten geschlossen worden - eine Steigerung zum Vorjahr um zwei Prozentpunkte.

Ausbildungssituation in Köln

Ende August waren bei der Arbeitsagentur Köln noch 1437 Ausbildungsstellen als unbesetzt gemeldet. Das waren 20 Prozent mehr als zum Vorjahreszeitpunkt. Dabei war die Zahl der gemeldeten freien Plätze um ein Prozent auf 6197 zurückgegangen. Es gebe immer noch Betriebe, die motivierten Jugendlichen eine Chance geben würden, so Roswitha Stock, die Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Köln. Freie Plätze gebe es in Einzelhandel, Gastronomie und in vielen Handwerksberufen.

Das werden die 1721 junge Menschen gerne hören, die noch eine Lehrstelle suchen. Wirklich unversorgt waren knapp 1000, 725 wollen eine Ausbildung beginnen, haben aber eine Alternative, falls sie keinen Platz finden, so die Arbeitsagentur. Darüber hinaus suchen auch viele Jugendliche aus den umliegenden Landkreise einen Ausbildungsplatz in Köln. Derzeit pendelten 8300 zur Ausbildung nach Köln ein.

Alle 480 bundesweit angebotenen Ausbildungsplätze hat Galeria Kaufhof bereits besetzt. Das Unternehmen mit Sitz in Köln bildet insbesondere zur Kauffrau oder zum Kaufmann im Einzelhandel aus, aber auch zu Informationskaufleuten, zur Fachkraft für Lagerlogistik oder zum Gestalter für Visuelles Marketing. Die Anforderungen an den Schulabschluss reichten vom Hauptschulabschluss bis zum Abitur, so das Unternehmen.

15.000 Bewerbungen habe Kaufhof erhalten. Um aber auch weiter alle Stellen mit qualifiziertem Nachwuchs besetzen zu können, gehe Kaufhof auch neue Wege bei der Rekrutierung. In München sei mit einem Kino-Spot um Bewerber geworden worden.

Auch Ford hatte keine Probleme, seine 212 Ausbildungsplätze in Köln zu besetzen. Sie werden nach der Ausbildung übernommen. Das Unternehmen bietet elf Ausbildungsberufe und drei duale Studiengänge an, so eine Sprecherin.

Berufsstarterbörse

Informationen über Praktikumsplätze, zukunftssichere Ausbildungsplätze, für duale Studiengänge und andere berufliche Perspektiven will "Talente im Dialog" bieten. Die Berufsstarterbörse der Regionalagentur Bonn/Rhein-Sieg findet am 18. September von 9 bis 16 Uhr statt in der Stadthalle Troisdorf,

Kölner Straße 167, statt. Schüler können die Personalverantwortlichen von Unternehmen und Institutionen aus der Region treffen. Weitere Informationen unter www.talente-im-dialog.de

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