Gründungsdynamik in Bonn/Rhein-Sieg Die Region ist Schlusslicht bei Existenzgründungen

Bonn · Bonn/Rhein-Sieg holt bei IT-Start-ups zwar auf, aber es bleibt viel Luft nach oben. Eine Studie erklärt, warum.

Eigentlich hat Jörg Rossen, Geschäftsführer von Creditreform Bonn, ganz gute Nachrichten zu verbreiten: „Wir sind ein starker Standort im Süden Nordrhein-Westfalens. Wir schwächeln nicht.“ Die Wirtschaftsauskunftei hat am Donnerstag das dritte Jahr in Folge eine Studie zu den Chancen und Risiken der Region Bonn/Rhein-Sieg vorgelegt. Mit Blick auf die Situation in NRW insgesamt sieht es in und um die Bundesstadt fast rosig aus. Doch das täuscht: Nach wie vor gibt es zu wenige Unternehmensgründungen.

Rossen spricht von einer „alarmierend schwachen Gründungsdynamik.“ Nur 1,46 Prozent aller hiesigen Unternehmen sind Start-ups, womit Bonn/Rhein-Sieg schlechter abschneidet als alle anderen Vergleichsstädte und -regionen (siehe Grafik). Ein wenig ist das auch die Kehrseite einer niedrigen Arbeitslosigkeit. Regina Rosenstock, die bei der Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg (IHK) die Unternehmensförderung leitet, erklärt: „Gründungen geschehen hier nicht aus der Not heraus, sondern weil jemand eine gute Idee hat und sich damit selbstständig machen will.“

Das erklärt möglicherweise auch, warum von den Neugründungen wiederum so wenige innerhalb eines Jahres ausfallen: Mit 0,43 Prozent Pleiten unter den frisch gegründeten Firmen steht die Region glänzend da. Nur Start-ups in Darmstadt, Hannover, Dortmund, Mainz/Wiesbaden und Nürnberg haben noch weniger Ausfälle.

Schlechter als um die Gründungsrate steht es aus Sicht von Creditreform um das hiesige Wachstum. Nach den jüngsten zur Verfügung stehenden Daten der Statistikämter wuchs das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) in der Region 2014 um drei Prozent. Fast alle Vergleichskommunen standen wesentlich besser da. Auch über einen längeren Zeitraum gesehen war es nicht besser: Von 2010 bis 2014 betrug das BIP-Plus neun Prozent, wobei es ein Stadt-Umland-Gefälle gibt. In Bonn wuchs es in diesen fünf Jahren lediglich um 4,4 Prozent, im Rhein-Sieg-Kreis um mehr als 16 Prozent. Die Münchner Wirtschaft legte hingegen um fast 21 Prozent zu, auch in Köln waren es immerhin 13,5 Prozent.

In Branchen wie Verkehr und Bau nicht so gut aufgestellt

IHK-Geschäftsführer Hubertus Hille hat allerdings auch eine Erklärung für die geringere Dynamik. Bundesweit seien die Wachstumsimpulse zuletzt aus den Branchen Bau, Verkehr, Handel, Gastgewerbe und IT gekommen. In diesen Wirtschaftsbereichen aber sei Bonn/Rhein-Sieg nicht so gut aufgestellt.

Erfreulich ist aus Sicht von Finanzierungspartnern und Lieferanten, dass die Ausfallgefahr in der Region weiter gesunken ist. Laut Rossen lag die Ausfallquote von Unternehmen 2016 mit 1,57 Prozent praktisch auf dem bundesweiten Niveau. Die Zahl weist den Anteil der Unternehmen aus, die ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können.

Die umsatzstarke Telekom zählt nur als ein Unternehmen

Auch wenn die Region bei der IT-Wirtschaft nicht führend ist, hat sich die Zahl der Unternehmen aus diesem Sektor immerhin erhöht. Gegenwärtig liegt der Anteil von IT-Unternehmen an der Gesamtzahl der Betriebe bei knapp 3,3 Prozent – wobei es hier nur um die Zahl und nicht die Umsatzstärke geht. Denn natürlich fällt ein Konzern wie die Deutsche Telekom in dieser Hinsicht ganz anders ins Gewicht. Von der IT-Unternehmenskonzentration her nimmt Bonn/Rhein-Sieg Platz 11 unter den Vergleichskommunen ein und liegt auch über dem bundesweiten Durchschnitt von 2,5 Prozent.

Eng verbunden mit dem Thema Existenzgründung ist die Unternehmensnachfolge. Laut IHK-Bereichsleiterin Rosenstock suchen 12 500 Betriebe in der Region einen Nachfolger. Dabei ebenso wie bei dem Gang in die Selbstständigkeit bietet die IHK Hilfen an„Wir müssen weg vom Image Bonns als Behördenstadt“, erklärt Hille.

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