Einzelhandel in Bonn Die Samenhandlung Schmitz ist Züchter des "Bonner Advent"

BONN · Die Schubladen im nostalgischen Regal hinter der Theke könnte Rolf Schmitz blind rausziehen, ohne auf die lateinischen und deutschen Sortennamen zu schauen. Mit 15 Jahren hat er seine Lehre in der Samenhandlung des Onkels begonnen, mit 72 Jahren steht er noch selbst im Laden.

Am Remigiusplatz, der früher Römerplatz hieß, präsentiert die Samenhandlung Schmitz Gestecke, Grabschmuck und Blumenzwiebeln.

Foto: Horst Müller

Nur die Holzschubladen sind nicht mehr mit Bohnen und Blumenzwiebeln gefüllt. Das Saatgut wird heute in Tütchen und Netzen geliefert. "Früher gab es fünf Samenhandlungen in Bonn. Ich bin der Letzte, der übriggeblieben ist", sagt Schmitz.

Das "Samenfachhaus für Marktgärtner" wurde 1898 gegründet. Karl Schmitz, der Großvater von Rolf Schmitz, übernahm es 1921 von den Gebrüdern Klein. Das heutige Gebäude am Remigiusplatz besteht eigentlich aus zwei Häusern, der Samenhandlung und einer Schusterei, die später zusammengelegt wurden.

Das Land, auf dem Karl Schmitz in Alfter neue Gemüsesorten züchtete, hatte seine Frau mit in die Ehe gebracht. Das Paar hatte elf Kinder. "Das waren gute Geschäftsleute, die aus Nichts etwas aufgebaut haben", sagt Rolf Schmitz. Der größte Wunsch seiner Großmutter, einmal nach Rom zum Vatikan zu fahren, ließ sich dank dieses Erfolgs auch erfüllen: 1938 ging es im BMW nach Italien.

Der Remigiusplatz hieß früher Römerplatz. Dort war traditionell der Bonner Blumenmarkt. Schmitz erinnert sich, dass die Frauen zu Fuß mit Karren aus dem Vorgebirge kamen. Heute ist davon nur noch ein einziger Blumenstand übrig - und die Samenhandlung. Das Haus ist im Familienbesitz. "Sonst hätte man mich schon vor 30 Jahren rauskomplimentiert", ist der Inhaber mit Blick auf die Mieten in der Bonner Innenstadt sicher. Er will weitermachen. Wie lange? "Solange ich noch fit bin und Freude dran habe."

Gemeinsam mit Tochter Sylvia Schmitz-Bissing und drei Mitarbeitern hält Rolf Schmitz das Traditionsgeschäft aufrecht, das für rheinische Vorgebirgsgemüse und eigene verbesserte Züchtungen bekannt geworden ist. Die Stangenbohne "Ruhm vom Vorgebirge" und der Wirsing "Bonner Advent" sind Schmitz-Züchtungen. Was früher in aller Munde war, wird heute von den Botanischen Gärten der Universität langsam wieder bekannt gemacht. Dort läuft ein Projekt zum Erhalt regionaler Nutzpflanzen, das Archiv von Samen-Schmitz war dafür wichtige Informationsquelle.

Rolf Schmitz hat dort auch eine Rechnung von 1942 gefunden: "Mit Rücksicht auf die Kriegsverhältnisse wären wir Ihnen für prompte Zahlung dankbar", heißt es. Die Bestellung: ein Kilo Erdkohlrabi gelb, 3,80 Reichsmark; drei Kilo Rotklee, 18 Reichsmark; 25 Kilo Spinat "Rheinische Riesen" 45 Reichsmark.

Samenhandel hieß früher, in großem Stil Bauern und andere Samenhändler zu beliefern. In den besten Zeiten hatte Schmitz fünf Vertreter, die für ihn in ganz Deutschland unterwegs waren.

Das Sortiment im Laden hat sich im Lauf der Jahrzehnte verändert. In Zeiten, als viele Bonner Selbstversorger waren, kauften sie nur Saatgut und Blumenzwiebeln. Später kamen italienische Übertöpfe, Vasen und Kupferartikel hinzu. Heute gibt es Saisonales, wie aktuell die Gestecke für Allerheiligen, und Dekoratives. Sammler finden Gilde-Clowns und Singerengel. Experten für alles, was im Garten wächst, sind die Schmitz' aber nach wie vor.

Zwischen den unzähligen Blumenzwiebeln und Samentütchen entdeckt man natürlich den "Bonner Advent". Manche Kunden sagen: "Das habe ich schon überall gesucht, und Sie haben es!" Das freut die Mitglieder der Familie Schmitz und erfüllt sie auch ein bisschen mit Wehmut, denn sie sind die Letzten ihrer Zunft.