"Dieser Wettbewerb vernichtet Arbeitsplätze"

Rolf Büttner, oberster Post-Beauftragter der Gewerkschaft Ver.di, zur Situation der Beschäftigten beim weltgrößten Logistikkonzern und zur Politik der Bonner Bundesnetzagentur

"Dieser Wettbewerb vernichtet Arbeitsplätze"
Foto: Frommann

Bonn. Nach nur zwei Verhandlungsrunden haben sich die Deutsche Post und die Gewerkschaft Ver.di am Samstag auf einen Tarifvertrag geeinigt. Mit Rolf Büttner, dem Verhandlungsführer der Gewerkschaft und stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden der Post, sprachen Claudia Mahnke und Julian Stech.

General Anzeiger: Die Post hat im vergangenen Jahr hohe Gewinne erzielt. Können Sie da mit dem Tarifabschluss zufrieden sein?

Rolf Büttner: Auf jeden Fall. Die Ergebnisse, die wir erzielt haben, sind in der deutschen Tariflandschaft unerreicht. Die rund 130 000 Arbeitnehmer erhalten eine Einmalzahlung von 250 Euro und ab 1. November eine Lohnerhöhung von drei Prozent. Ein Jahr später gibt es nochmals 2,5 Prozent.

Von 2002 bis 2007 haben sich die Einkommen bei der Post laut Tabellen dann um 17,8 Prozent verbessert. Auch für die 57 000 Beamten haben wir viel erreicht. Kürzungen beim Weihnachtsgeld können ausgeglichen werden, zusätzlich gibt es eine Einmalzahlung von 110 Euro, seit 2002 insgesamt 480 Euro. Das sind doch tolle Erfolge, die sich die Leute auch verdient haben.

GA: Wie kam es zu dieser überraschend schnellen Einigung?

Büttner: Tarifpolitische Tempeltänze mit langen Ritualen sind nicht mein Fall. Das habe ich schon vor der Tarifrunde klargemacht: Drei Runden, dann sind alle Argumente ausgetauscht, danach geht es zur Sache. Bei uns standen 40 000 Beschäftigte für Warnstreiks bereit. Das hat wohl gewirkt.

GA: Warum klappt das nicht auch bei der Telekom, wo Ver.di die Verhandlungen für gescheitert erklärt hat?

Büttner: Jedes Unternehmen ist ein Einzelfall. Herr Ricke muss sich bewegen. Und wie das geht, sieht man bei der Post.Tatsache ist, dass wir bei der Post genau wissen, woran wir mit der anderen Seite sind.

Die Zusammenarbeit mit Vorstandschef Klaus Zumwinkel, aber auch anderen Vorstandsmitgliedern klappt hervorragend. Wir werden in alle wichtigen Dinge von vornherein eingebunden und müssen nicht am Ende schwierige Reparaturarbeit leisten.

GA: Die nächsten Tarifverhandlungen werden Sie erst nach dem Auslaufen des Briefmonopols Ende 2007 führen. Befürchten Sie da mehr Druck?

Büttner: Das ist die Frage nach der Zukunft der Post. Wenn sich das Management anstrengt, rechne ich auch nach 2007 mit einem stabilen Briefmarkt. Entscheidend ist, ob die Post auf Billigpreise oder auf Qualität setzt. Im Konzern gibt es Kräfte, die den Wettbewerb über den Preis führen wollen.

Wir sehen das mit Sorge. Wenn die Post auf billig macht, wird das ein Sterben auf Raten. Viele Kunden, die zu billigen Wettbewerbern gewechselt sind, kommen zur Post zurück. Auf der anderen Seite ist klar, dass auch wir Arbeitnehmer uns bewegen müssen.

GA: Inwiefern?

Büttner: Was wir nicht wollen, ist die Auslagerung von Arbeit oder den massiven Einsatz von Minijobbern. Die Briefzustellung ist das Kerngeschäft der Post. Deshalb gehen wir jetzt mit Vorschlägen zur besseren Organisation und Flexibilisierung der Arbeit auf den Vorstand zu. Mit dem Ziel, dass in Ballungsräumen möglichst bis zum frühen Nachmittag jeder seine Post bekommt. Da hängen 75 000 Arbeitsplätze dran.

GA: Und beim Wettbewerb?

Büttner: Es stimmt doch gar nicht, dass durch den Wettbewerb mehr Arbeitsplätze entstehen. Seit 1998 ist die Zahl der Briefzusteller um rund 5 000 gesunken. Die Bundesnetzagentur vergibt heute Lizenzen an Unternehmen, wo drei bis vier Euro Stundenlohn gezahlt werden und mehr als 58 Prozent der Mitarbeiter geringfügig Beschäftigte sind.

Dieser Wettbewerb vernichtet Arbeitsplätze. Die Politik der Bundesnetzagentur ist ein Skandal, gegen den wir jetzt auch mobil machen werden.

GA: Die Telekom hat in Berlin ein Vorruhestandsgesetz für Beamte beantragt, um den geplanten Personalabbau zu bewältigen. Gilt das dann auch für Postbeamte?

Büttner: Das Gesetz wird wahrscheinlich für alle Beamten von Bahn, Post und Telekom gelten.

GA: Die Post macht in den USA riesige Verluste im Paketgeschäft. War es ein Fehler, sich dort zu engagieren?

Büttner: Nein. Die Strategie ist richtig. Das Beispiel USA zeigt aber wie im Lehrbuch, was passiert, wenn man auf billig setzt und nur Leiharbeiter hat. Da gibt es keine Tarifverträge, keine emotionale Bindung an das Unternehmen, aber eine hohe Fluktuation. So kriegen Sie keine Qualität hin. Unter dem neuen USA-Chef John Mullen, der auch gute Kontakte zu den Gewerkschaften dort hat, wird jetzt aber umgesteuert.

Zur Person

Rolf Büttner, Jahrgang 1949, kennt die Post seit mehr als 40 Jahren. 1965 absolvierte der aus Garding in Schleswig-Holstein gebürtige Büttner in Hamburg die Ausbildung zum Postjungboten. Im gleichen Jahr trat er der SPD und der Postgewerkschaft bei. In der Gewerkschaft ging es für Büttner dann Schritt für Schritt nach oben.

Seit 2000 ist Büttner Aufsichtsratsmitglied bei der Post, seit 2002 stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender. Bei der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di leitet er als stellvertretender Bundesvorsitzender den Fachbereich Postdienste, Speditionen und Logistik.

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