Gläubigerversammlung zu Solarworld Ein Geschenk zu Asbecks Geburtstag

Bonn · In Abwesenheit des Firmengründers erläutert Insolvenzverwalter Horst Piepenburg den Gläubigern, warum er das zahlungsunfähige Unternehmen wieder dem „Sonnenkönig“ anvertraut.

Bunte Lakritze und Schokolade haben Horst Piepenburgs Kanzleihelferinnen am Anmeldetisch hingestellt. Jeder der Herren und Damen, die sich für die Gläubigerversammlung in der Sache Solarworld im Bonner Amtsgericht registrieren lassen, darf in eine der Schalen greifen. „Wir müssen ja etwas zur Nervenberuhigung haben“, sagt eine Angestellte Piepenburgs. Aber nicht nur das Knabberzeug ist bunt. Blau, grün, gelb und rot sind die Abstimmungszettel, die jedem Gläubiger ausgehändigt werden. Sie sollen wenige Stunden später zum Einsatz kommen, wenn sich Insolvenzverwalter Piepenburg das Ja der Versammlung für seinen Sanierungsplan für Solarworld abholt. Jeder Zettel steht für eine der Gesellschaften von Frank Asbeck, die seit Mai in der Insolvenz sind.

Der 63-jährige Piepenburg ist ein freundlicher, seriös wirkender Herr in dunkelgrauem Anzug, der auf Anfrage mit ruhiger Stimme erläutert, wie sehr ihm das Wohl der Arbeitnehmer in den betroffenen Unternehmen am Herzen liege. Der Erhalt von Arbeitsplätzen sei ihm bei jedem der Insolvenzverfahren ein wichtiges Anliegen. Gesetzlich ist es aber so, dass das oberste Ziel jeder Insolvenz die Befriedigung der Gläubiger ist.

Auskunftsfreudig ist fast niemand

Viel war im Vorfeld der Versammlung von wütenden Gläubigern die Rede, doch diese Wut spürt man an diesem verregneten Freitagmorgen im Amtsgericht nicht. Geduldig stehen die Gläubiger beziehungsweise ihre mandatierten Vertreter in der langen Schlange, die sich vor dem Anmeldetisch bildet. Auskunftsfreudig ist fast niemand. Da hat man es mit den Mitgliedern des Gläubigerausschusses einfacher: Im Schwurgerichtssaal sind links von der Richterbank sieben Plätze für den Gläubigerausschuss reserviert, und dort lassen sich die Mitglieder über Namensschilder identifizieren.

Mathias Eisen etwa ist Rechtsanwalt einer großen „internationalen Sozietät“, wie er sagt, und wie sich herausstellt, vertritt er Qatar Solar Technologies, das Unternehmen, das Asbeck mit der Qatar Foundation gegründet hat. Qatar Solar ist Gläubiger und neuer Investor in einem. Zusammen mit Asbeck hat das Unternehmen die Solarworld Industries GmbH gegründet, an der Asbeck zu 51 Prozent und die Kataris mit 49 Prozent beteiligt sind, wie Piepenburg in der Gläubigerversammlung erklären wird. „Wenn die Qatar Solar nicht überzeugt wäre, dass es für die neue Gesellschaft ein gutes Konzept gibt, würde sie sich wohl nicht beteiligen“, erklärt Eisen.

Anke Martin-Heede sitzt ebenfalls im Gläubigerauschuss, dem engen Gremium, das den Insolvenzverwalter während des Sanierungsverfahrens kontrollieren soll. Martin-Heede ist Betriebsrätin am Produktionsstandort von Solarworld im sächsischen Freiberg. Vergangene Woche hat sie den Sozialplan mit ausgehandelt. 720 Mitarbeiter kommen in Freiberg in eine Transfergesellschaft. „Wir können nur der Erfahrung von Piepenburg vertrauen“, sagt Martin-Heede. „Ich hatte ihn auch angeschrieben und gebeten, das Angebot von Prisma zu überprüfen.“ Aber sie habe sich überzeugen lassen, dass der niederländische Solaranlagenentwickler als Retter von Solarworld nicht in Frage komme.

Lange Zahlenkolonnen und Charts

Weil am Ende 130 Gläubiger beziehungsweise Gläubigervertreter gekommen sind, müssen noch ein paar mehr Stühle herangeschafft werden. Um 11.10 Uhr schließen sich die Türen des Gerichtssaals. Asbeck ist nicht gekommen. Es wäre sicherlich keine gute Idee gewesen, wenn er im Amtsgericht aufgetaucht wäre, meint ein Sprecher Piepenburgs. Der Insolvenzverwalter selbst sagt: „Über ein Geschäftskonzept reden wir heute doch nicht. Ich stelle den Gläubigern einen Kaufvertrag vor.“

Zwei Stunden lang stellen Piepenburg und seine Mannschaft den Gläubigern vor, wie es zu der Lösung kam, die Asbeck zum Käufer seines eigenen Konzerns macht. Die neu gegründete Solarworld Industries übernimmt das Vermögen und die Verbindlichkeiten der insolventen Betriebe. Immer wieder bekommen die Gläubiger lange Zahlenkolonnen und Charts zu sehen, die auf eine Leinwand projiziert werden. Wer weiter hinten sitzt, kann kaum etwas erkennen. Ein Exemplar des Kaufvertrags wird ausgehändigt, Fotografieren ist aber untersagt. Fragen gibt es auch, ein Teilnehmer berichtet aber, dass „sehr verhalten“ gefragt worden sei.

Geburtstagsgeschenk für den Sonnenkönig

„Relativ ausführlich“, berichtet ein Gläubiger, befasst sich Piepenburg mit Prisma Systems. Er sagt, es habe eine Kontaktaufnahme gegeben. Aber weder deren Angebot noch eine Liquidation seien eine Alternative gewesen. Das komplette Herunterfahren der Anlagen in Freiberg und Arnstadt hätte wegen der vorhandenen Chemikalien sehr viel Geld gekostet, das schlicht nicht vorhanden sei.

In den zwei Stunden, in denen Piepenburg redet, sagt er eigentlich sehr wenig. In welcher Höhe die Forderungen der Gläubiger durch die Lösung mit Asbeck-Katar erfüllt werden, sagt er nicht. Der Bonner Betriebsratschef Peter Finger berichtet, dass er auf einem der Charts mitbekommen habe, dass wohl 40 Arbeitsplätze in der Bundesstadt erhalten bleiben sollen.

Asbeck kann die erfolgreich verlaufene Abstimmung als Geburtstagsgeschenk entgegennehmen. Er ist an diesem Freitag 58 geworden.

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