Kooperationsoffensive der IHK Bonn/Rhein-Sieg Eine Region sucht Leuchtturmprojekte

Bonn · Die IHK Bonn/Rhein-Sieg drängt auf konkrete interkommunale Zusammenarbeit. Sie fürchtet, dass sonst viele Probleme ungelöst bleiben werden. Das war Thema beim zweiten Talk im Rahmen der „Kooperationsoffensive“.

 Schnelles Umsteigen vom ICE-Bahnhof in Siegburg in eine Hochbahn nach Bonn, davon träumt IHK-Präsident Stefan Hagen.

Schnelles Umsteigen vom ICE-Bahnhof in Siegburg in eine Hochbahn nach Bonn, davon träumt IHK-Präsident Stefan Hagen.

Foto: Meike Böschemeyer/MEIKE BOESCHEMEYER

 Andrea Hartz gibt sich optimistisch: „Die Region ist auf gutem Weg. Ein großes Pfund, auf dem man aufbauen kann.“ Hartz ist Landschafts-, Raum- und Stadtplanerin, ihr Beratungsbüro sitzt in Saarbrücken. An diesem Mittwoch (2.6.) nimmt sie an der „Kooperationsoffensive“ von Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis teil. Das Gesprächsformat hat die Industrie- und Handelskammer (IHK) ins Leben gerufen, im Januar 2019 hatte man sich erstmals in der Godesberger Stadthalle getroffen, um über die Zukunft der Region zu diskutieren. Corona hat die Teilnehmer bei diesem zweiten Treffen gezwungen, ins Internet auszuweichen.

Der Optimismus von  Raumplanerin Hartz wird von der IHK-Spitze nicht geteilt. „Wir brauchen keine weiteren Arbeitskreise oder Fachgremien. Wir brauchen eine institutionalisierte und verbindliche Zusammenarbeit“, das heißt gemeinsame, konkrete Projekte, die die Verwaltungen vorbereiten und die Kommunalräte verabschieden, fordert IHK-Hauptgeschäftsführer Hubertus Hille.

Projekt Neila: Hervorragend oder ein zartes Pflänzchen?

IHK-Präsident Stefan Hagen räumt ein, dass es immerhin einige „zarte Pflänzchen“ in der interkommunalen Kooperation gebe. Bereits vor Jahrzehnten war ein regionaler Arbeitskreis ins Leben gerufen worden, zu dem auch Ahrweiler in Rheinland-Pfalz gehört. Darauf aufbauend gibt es seit 2018 das von der Bundesregierung geförderte Projekt Neila (Nachhaltige Entwicklung durch interkommunales Landmanagement).

Der Arbeitskreis erstellte 2019 auch ein gemeinsames Fachgutachten. Das kam zu dem erschreckenden Befund: Die vorhandenen Gewerbeflächen in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis deckten bis 2035 nicht einmal die Hälfte des Bedarfs. Raumplanerin Hartz: „Wir müssen Flächen im Bestand aktivieren. Wie gehen wir das strukturiert an?“ Neila sei in dieser Hinsicht „mit Sicherheit ein hervorragendes Projekt“, so Hartz.

Bonn und Rhein-Sieg-Kreis mit hoher Kaufkraft

  Allein Bonn und der Rhein-Sieg-Kreis zählen zusammen fast eine Million Einwohner. Eine wohlhabende Region mit relativ hoher Kaufkraft, wie Robert Follmer vom Sozial- und Marktforschungsinstitut infas aus Bonn betont. Das bedeute auch: „Hohe Grundmobilität und hohe Autodichte.“ Follmer erwartet  nicht, dass die Corona-Pandemie dauerhaft den Pkw-Verkehr verringern wird. „Meine Prognose: Es wird schneller zurückgehen zum Stand vor Corona als gedacht.“ 

Follmer sucht Leuchtturmprojekte, die die Bundesstadt vom Podest der Stauhauptstadt in NRW herunterholen. „Fahrradhighways oder ein schicker ÖPNV? Oder etwas ganz Neues?“ Der Verkehrsforscher räumt ein: „Es gibt in Deutschland kein wirkliches Vorbild.“ Sein persönlicher Leuchtturm sei die Seilbahn, die aber nur eine Lösung für Bonn sei.

Traum von einer regionalen Hochbahn

Als die Diskussion in dem von Follmer geleiteten Workshop stockt, entwickelt IHK-Präsident Hagen seinen Traum von einem ICE-Bahnhof in Siegburg ohne Parkhäuser drum herum, dafür stehen dort gläserne Hochhaustürme und es gibt eine schnelle Umstiegsmöglichkeit in eine Hochbahn, die den Reisenden – ohne  Behinderung durch Bahnschranken und kreuzende Straßen – direkt nach Bonn zum Bertha-von-Suttner-Platz bringt, wo unterirdisch wiederum Shuttlebusse warten, die die Pendler zu ihren Arbeitsplätzen fahren.

Der Landrat des Rhein-Sieg-Kreises, Sebastian Schuster (CDU), und Bonns Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Grüne) berichten von einer „sehr erfreulichen Entwicklung“ bei der regionalen Zusammenarbeit. Die Verwaltungsvorstände von Bundesstadt und Kreis hätten sich bereits einmal getroffen, seitdem Dörner im vergangenen Herbst ihr Amt angetreten hat. Die Oberbürgermeisterin zeigt sich überzeugt, dass Bonn mehr Gehör an der Spree in Sachen Fortentwicklung des Bonn-Berlin-Gesetzes finden würde, wenn man das volle Gewicht der Region bei den Verhandlungen mit einbringe.

„Jobwärts“ führt das Projekt „Lead City“ weiter

Der Landrat betont, dass das interkommunale Gewerbeflächenkonzept bereits vorbereitet sei. Nun müssten es Bonn und die linksrheinischen Kommunen des Kreises umsetzen, wo es noch verfügbare Flächen gibt. Auch „Jobwärts“ wird als Beispiel für ein interkommunales Projekt erwähnt: Es ist die Fortführung des bisher vom Bundesumweltministerium finanzierten „Lead City“-Projekts, das ab Juli mit Mitteln von Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis getragen wird. Ziel ist, die Berufspendler vom eigenen Pkw auf Fahrrad, Bus und Bahnen umsteigen zu lassen.

   Aus Dörners Worten ist allerdings auch herauszuhören, dass es die IHK-Spitze mit ihrer Forderung schwer haben dürfte, die Zusammenarbeit zwischen Bundesstadt und Kreis noch weiter auszubauen. „Wir brauchen keine anderen Formen von institutionalisierter Zusammenarbeit“, sagt sie beispielsweise. Und: „Unsere Wirtschaftsförderungen arbeiten sehr eng zusammen.“ Sie schränkt ein: „Bei bestimmten Prozessen brauchen wir ein größeres Tempo.“ Schuster ärgert sich etwa, dass die zusätzliche Rheinquerung bei Wesseling, „anfangs unstrittig“, nun „zerredet und zerfleddert“ werde.

Hille mutmaßt, dass nur wenige Kommunalpolitiker der Diskussion beigewohnt haben. Er wünscht sich eine Wiederauflage in zwei Jahren, um hoffentlich Fortschritte bei dem Thema feststellen zu können.

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