Landwirt aus Sankt Augustin berichtet Viele Bürger wollen auf dem Spargelfeld helfen
Bonn/Sankt Augustin · Überwältigt vom Hilfsangebot aus der Nachbarschaft sind die Spargelanbauer der Burg Niederpleis in Sankt Augustin: 150 Menschen vom Optiker über einen kompletten Frisörsalon bis zum Flüchtling aus Ägypten hätten sich zum Erntehelfermangel gemeldet. In der Region herrscht jedoch eine große Sorge um Arbeitsplätze.
Mit so einer Resonanz hatte die Sankt Augustiner Landwirtin Verena Nordhorn nicht gerechnet: Rund 150 Menschen haben sich bei der Familie für einen Einsatz als Spargelstecher gemeldet, nachdem ein Fernsehbeitrag den Mangel an Erntehelfern auf dem Hof zum Thema gemacht hatte. „Es sind viele Stammkunden darunter, aber auch ein Optiker, die komplette Belegschaft eines Frisörsalons und ein Ägypter, dessen Deutschkurse nun ausfallen“, sagte Verena Nordhorn, die den Spargelhof gemeinsam mit ihrer Familie betreibt. „Bei ganz vielen steht der Verdienst im Hintergrund, sie wollen einfach helfen.“ Über diese Solidarität habe sie sich sehr gefreut.
Allerdings sei die Spargelernte technisch und körperlich anpruchsvoll. „Bei der Erdbeerernte haben es Aushilfen einfacher.“
Als kleinerer Betrieb mit einem Bedarf von zehn Helfern, von denen vier bereits vor Ort sind, sieht Nordhorn die diesjährige Ernte als gesichert. In größeren Anbaubetrieben sind die wirtschaftlichen Risiken deutlich höher, vor allem nachdem die Bundesregierung am Mittwoch ein Einreiseverbot für Erntehelfer ausgesprochen hat. Die Landwirtschaft gehört zu den Branchen, in denen die Coronavirus-Krise zu einem Mangel an Arbeitskräften geführt hat, während in anderen Bereichen wie etwa der Gastronomie derzeit viele Beschäftigte nichts mehr zu tun haben. Die Folge: Mehr Menschen als sonst wenden sich mit Fragen zu Arbeitslosigkeit und Arbeitssuche an die Agentur für Arbeit Bonn/Rhein-Sieg, wie deren Sprecher auf Anfrage bestätigte. „Konkrete Auswirkungen der Coronavirus-Krise auf den regionalen Arbeitsmarkt werden sich jedoch erst im Monatsbericht für den April zeigen“, hieß es weiter.
Sorge um Arbeitsplätze in der Region
Zuversichtlich blickt trotz der aktuellen Schwierigkeiten für die Gastronomie Hans Hahne in die Zukunft, der in der Region als Franchisenehmer zwölf McDonald´s-Filialen mit insgesamt 320 Mitarbeiern betreibt. Die Fast-Food-Kette hat bundesweit eine Kooperation mit dem Discounter Aldi vereinbart. Demnach sollen Mitarbeiter der Burger-Kette bei Aldi helfen, den Kundenansturm zu bewältigen, indem sie Regale einräumen. Noch ist es in Bonn nicht so weit. „Wir stehen noch am Beginn der Absprachen“, sagt Hahne, „und es soll keiner unserer Mitarbeiter dazu gezwungen werden“. Der Unternehmer hat zwei seiner Filialen, am Bonner Hauptbahnhof und am Friedensplatz, geschlossen, weil in der Innenstadt kaum noch Menschen unterwegs seien. In den anderen Filialen liefe der Verkauf zum Mitnehmen weiter. „Wir werden keinen Mitarbeiter entlassen“, sagte Hahne.
Neuartige Kooperationsmodelle wie zwischen Aldi und McDonald’s sind in der Region allerdings noch die Ausnahme: „Es gibt bisher vor allem Unternehmen, die ihre Mitarbeiter für karitative Arbeiten freistellen, etwa als Einkaufshelfer für Corona-Risikopatienten“, sagt Michael Pieck, Sprecher der Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg. Einen hohen Arbeitskräftebedarf in der Region sieht er derzeit vor allem im Lebensmitteleinzelhandel und der Gesundheitsversorgung, aber auch in der Logistik.
Das bestätigt der Verband Verkehrswirtschaft und Logistik NRW: „Trotz erweiterter Lenkzeiten ist die erhöhte Nachfrage beim Transport von Lebensmitteln kaum noch zu bewältigen“, heißt es in einer Mitteilung. Die Branche fordert daher einfachere Regelungen für die vorübergehende Einstellung von Mitarbeitern: „Wenn wir auch mit größeren krankheitsbedingten Ausfällen leere Regale wieder auffüllen wollen, brauchen wir an diesem Punkt eine Aussetzung der Erlaubnispflicht bei der Arbeitnehmerüberlassung für die nächsten Monate“, so der Verband.