Gruppe für anonyme Insolvenzler Bonn "Es existierten immer noch zu viele Vorurteile"

BONN · Winfried Persch hat in Bonn eine Gruppe für anonymen Insolvenzler gegründet.

"Und plötzlich hatte ich 250.000 Euro Schulden", erzählt Winfried Persch (63). "Oder sagen wir lieber eine Viertel Million - das hört sich noch besser an." Ein amüsiertes "Ha" entweicht ihm. "Sie sehen, heute kann ich darüber lachen. Es ist nur Geld." Doch 20 Jahre mit Schulden zu leben, musste auch er erst lernen. Heute hat er selbst eine Gruppe für anonyme Insolvenzler ins Leben gerufen, die sich Anfang November zum zweiten Mal trifft.

Es existierten in der Gesellschaft immer noch zu viele Vorurteile, findet Persch, gegenüber Menschen, die ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können: "Versager oder Krimineller" waren Klischees, mit denen er sich selbst häufig konfrontiert sah. Es sei schließlich auch nicht so gewesen, dass er einfach seine Kreditkarte überlastet habe oder nicht mit Geld umgehen könne. Aber dieses Denken sei weit verbreitet, kritisiert Persch.

Wo tatsächlich die meisten Gründe für Privatinsolvenzen in Deutschland liegen, zeigt der Überschuldungsreport 2014 des Instituts für Finanzdienstleistungen. Demnach zählt zu Hauptgründen für Überschuldung vor allem Arbeitslosigkeit (28,9 Prozent), Scheidung oder Trennung (10,4 Prozent), gescheiterte Selbstständigkeit (10,0 Prozent), "falsches" Konsumverhalten (7,6 Prozent) und Krankheit (8,0 Prozent). Überdies hat sich "Einkommensarmut" (6,8 Prozent) als weiterer Überschuldungsauslöser manifestiert.

In seinem Fall kamen zwei Faktoren zusammen, wie Persch beschreibt. Zum einen meldete einer seiner Kunden Insolvenz an, was für ihn als Selbstständigen größere Einbußen verursachte. Dazu kam, dass sein Partner, mit dem er einen Gastronomiebetrieb leitete, monatelang weder Rechnungen zahlte noch Steuern abführte. 1992 musste der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann den Offenbarungseid leisten. 2013 war er wieder "ein freier Mensch" wie er heute sagt. In dieser Zeit habe ihm vor allem seine Familie Kraft gegeben und hinter ihm gestanden. "Der Umgang mit Menschen, die in meiner Situation sind, ist katastrophal", so Persch. Ständig bekomme man auch von allen Seiten das Gefühl vermittelt, nicht glücklich sein zu dürfen."

Persch ist nach dem Offenbarungseid nur langsam wieder aufgestanden. Mit kleinen Jobs versuchte er wieder auf die Beine zu kommen. "Ich habe in einer Putzfirma angefangen, als Kassierer gearbeitet, aber immer weiter gemacht", erklärt er. Geholfen habe ihm damals vor allem eine Gruppe der anonymen Insolvenzler in Köln. In Bonn habe es zu diesem Zeitpunkt keine gegeben. So kam er auf die Idee, hier selbst eine Gruppe zu gründen. Seit Oktober steht sie jetzt allen, die sich in, vor oder nach einer Insolvenz befinden offen. Die Treffen finden jeden ersten Donnerstag, 20 Uhr, in den Räumen der Awo statt.

Nächster Termin: Donnerstag, 6. November. Ansprechpartner ist Winfried Persch, Tel. 0228/ 616570, Mobil: 0178/ 4578525.

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