Bad Münstereifel Factory Outlet Center eröffnet

BAD MÜNSTEREIFEL · Das umstrittene Factory Outlet Center eröffnet am Donnerstag in Bad Münstereifel. Ein Wirtschaftswissenschaftler zweifelt vor dem Start am Erfolg des Großprojekts.

Heino und der Sportartikelhersteller Puma haben eigentlich nichts gemeinsam. Doch in Bad Münstereifel, wo am Donnerstag das umstrittene Factory Outlet Center eröffnet, verbindet sie etwas: Denn in dem Haus in der Altstadt, wo bis vor zwei Jahren das Heino-Café die Fans des Sängers anzog, werden ab Donnerstag Turnschuhe und T-Shirts verkauft. Statt Heinos tiefer Stimme erklingt hier dann nur noch das grelle Piepen des Scanners, wenn die Outlet-Ware mit der Raubkatze über die Ladentheke geht.

Heino gehörte anfangs selbst zu den Kritikern des Centers. Im Zuge der Planungen zog er mit seinem Café ins Kurhaus um, das nicht mehr ganz so zentral in der Innenstadt liegt. Trotzdem steht er am Donnerstagabend bei der Eröffnung auf der Bühne und singt.

Direkt im Gebäude neben dem früheren Pilgerort für Volksmusikliebhaber hat Thomas Reichenauer, der Geschäftsführer der Retail Outlet Shopping (ROS), die das Center betreibt, sein Büro bezogen. Mit Wiener-Akzent schwärmt er von seinem deutschlandweit einzigartigen Konzept, ein Outlet in einer historischen Innenstadt zu eröffnen: "Das Center soll endlich wieder Leben in die Stadt bringen." Rund eine Million Besucher zusätzlich pro Jahr will Reichenauer mit seinem Konzept in die kleine Stadt locken, die zuletzt zunehmend von Leerständen geprägt wurde. Auch die Zahl der Kurgäste ging stetig zurück.

"Das Center soll endlich wieder Leben in die Stadt bringen"

Ob das Konzept aufgeht, da ist sich Wirtschaftswissenschaftler Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg nicht sicher. Denn für den Erfolg eines Factory Outlet Center seien zwei Aspekte entscheidend: "Ist der Preisnachlass so hoch, wie er sein muss, um Kunden anzulocken?" Und "Werden die Marken angeboten, die die Kunden unbedingt wollen?"

Dass die Ware um 30 bis 70 Prozent reduziert ist, wie angekündigt, hält Roeb für fast ausgeschlossen. "Ich sehe das alles mit einer gewissen Skepsis." Und ob die vorhandenen Marken erfolgversprechend sind, ist die Frage. Denn unter den 40 Marken, die sich in Bad Münstereifel künftig auf 12.000 Quadratmetern verteilen, ist von Hugo Boss, Armani oder Versace keine Spur. Tom Tailor, Puma, Cecil und Bugatti besiedeln unter anderem die Altstadt - für Roeb nicht die allererste Klasse.

Grundsätzlich sei mit dem Outlet eine tolle Sache gelungen, sagt Roeb. Doch die Markenauswahl überrascht den Experten. "Ob zweitklassige Marken eine Million Menschen anziehen?" Dabei sei der Bedarf nach teurerer Kleidung durchaus vorhanden. "Und wer sollen die Kunden sein? Kaufen Heino-Fans Tom Tailor?" Im Vorfeld wurden bereits kritische Stimmen laut, es mangele an Interessenten für die Ladenflächen. Am Tag der Eröffnung bleiben noch zwei Läden geschlossen: Bonita und Zero öffnen ihre Pforten erst im September. Die Händler seien nicht rechzeitig fertig geworden, erklärt ROS-Geschäftsführer Reichenauer.

Das Unternehmen ROS rechnet folgendermaßen: Innerhalb eines Radius von 60 Minuten Anreisezeit wohnen 4,4 Millionen potenzielle Kunden, innerhalb eines Radius von 90 Minuten Anfahrtszeit bereits 13,6 Millionen. Damit soll das Center Besucher von Trier bis Duisburg und von Aachen bis Koblenz ansprechen.

Kurz vor der Eröffnung ist im Ort bereits spürbar gewesen, dass etwas passiert. Handwerker liefen von Laden zu Laden, Fassaden wurden gestrichen, Schilder angebracht - Spaziergänger blieben neugierig stehen und beobachteten das Treiben an vielen Stellen.

Zur größere Darstellung: Bitte auf das Bild klicken

Viele Einzelhändler und Gastronomen in der Stadt blicken dem Outlet hoffnungsvoll entgegen. So wie Rolf Engels. Er betreibt den kleinen Schuhladen "Engels Shoes and More". Mit dem Factory Outlet Center hat er nichts zu tun. Dennoch fürchtet er nicht um seine Kunden: "Es werden mehr Besucher hierher kommen", erklärt er. "Das wird sich irgendwann auch positiv auf uns Einzelhändler auswirken." Außerdem habe er gegenüber den neuen Geschäften einen Vorteil: "Die verkaufen Ware der vorherigen Saison, ich Neuware." Die einzige Sorge, die er im Moment hat: Ob am Eröffnungstag auch die Parkplätze ausreichen.

2200 Parkplätze stehen den Besuchern zur Verfügung. Erwartet werden jedoch deutlich mehr Menschen. Teile der Stadt werden gesperrt. Wiesen und Sportplätze seien teilweise zu Parkraum umfunktioniert worden, so Reichenauer. Auch Shuttlebusse seien unterwegs.

Die Investitionen für das Center belaufen sich bisher auf einen zweistelligen Millionenbetrag, so Reichenauer. Was die Eröffnungsfeier kostet oder wie viel Umsatz in den kommenden Monaten erwartet wird, dazu möchte er nichts sagen. Die Zahl der Arbeitsplätze, die entstanden sind, liege bei fast 250. Wenn noch Shops dazu kämen, könnten es 400 werden. Dazu müsste das Unternehmen weitere Verkaufsflächen erwerben. "Das ist allerdings noch Zukunftsmusik", erklärt Reichenauer.

Dass die Bewohner der Stadt nicht von den neuen Arbeitsplätzen profitieren, ist nur ein Kritikpunkt der Bürgerinitiative Stadtentwicklung Bad Münstereifel: "Die meisten werden von außerhalb kommen, um hier zu arbeiten", sagt Ralf Pannen. Die Bürgerinitiative habe sich gegründet, als die Pläne für das Center bekannt wurden. "Um es zu verhindern, war es aber schon zu spät."

Outlet-Center Bad Münstereifel
16 Bilder

Outlet-Center Bad Münstereifel

16 Bilder

Pannen kritisiert vor allem, dass es keine Bürgerbeteiligung gegeben habe: "Es ist alles sehr undemokratisch abgelaufen." Zudem bemängelt er, dass die Wohnqualität für die Anwohner nachlasse. Pannen gibt dem Center drei bis vier Jahre: "Danach ist es als Event vergessen. Dann fahren die Leute nach Königwinter." Dort in der Altstadt ist ebenfalls ein Outlet Center geplant.

Auch wenn das Münstereifeler Outlet am Donnerstag eröffnet wird, will sich die Bürgerinitiative deshalb nicht auflösen, erklärt Pannen: "Wir denken jetzt schon über einen Plan B für den Ort nach, vielleicht auch den sanften Tourismus mit dem Outlet zu verbinden." Auch das Verkehrskonzept, das Pannen nicht für ausgereift hält, werde weiterhin ein Thema sein.

Während es für die einen ein großes Ärgernis darstellt, ist es für die anderen Grund genug, sich in Bad Münstereifel anzusiedeln: Michael Griese hätte sein Bistro "Tapferes Schneiderlein" ohne die Pläne für das Outlet Center nicht eröffnet. Er bietet eine Küche, die auf regionalen und Bioprodukten basiert. "Ich brauche dafür auch Gäste aus Bonn und Köln." Vor allem Gäste, die besonderen Wert auf Ernährung legen, möchte er ansprechen.

Ohne das Outlet Center hätte er sich keine großen Hoffnungen auf Erfolg gemacht. Doch ein kleiner Zweifel bleibt noch: Denn auch er ging anfangs davon aus, dass wesentlich namhaftere Marken die Stadt besiedeln würden. Jetzt hofft er, dass auch die vorhandenen Namen ausreichend Kundschaft in die Stadt locken. Er zuckt die Schultern: "Wir werden sehen." Vorbereitet ist er auf jeden Fall für den großen Ansturm. Um seine Vorräte aufzustocken, hat er sich extra zwei zusätzliche Kühlschränke besorgt. Sein Eindruck, wie sich das Großprojekt bisher auf das Städtchen ausgewirkt hat: "Positiv. Jeder streicht ein bisschen sein Haus, die Leute stellen Blumen vor die Tür." Es werde insgesamt viel gemacht.

Der Wirtschaftswissenschaftler Roeb bezeichnet das Outlet als "letzte Chance für Bad Münstereifel". In Anbetracht der Umstände könnte es für Investoren und Kunden aber auch eine Enttäuschung werden. "Ob es ein Desaster wird, wird sich zeigen." Zu dem außergewöhnlichen Standort sagt Roeb: Insgesamt sei es rechtlich sehr schwierig, für ein Outlet Center auf der grünen Wiese eine Genehmigung zu bekommen, vor allem in NRW. In der Innenstadt sei das leichter: "Die Investoren haben so aus der Not eine Tugend gemacht", meint Roeb.

Dass auch in anderen Orten - wie Königswinter oder Grafschaft - Center geplant sind, bereitet Reichenauer keine Sorgen. In Deutschland sei bestimmt noch für neun bis zehn Factory Outlet Center Platz. Ob er bereits ein weiteres in Planung habe? Das will er weder bejahen noch verneinen. "Im Moment steht erst mal die Eröffnung an, dann sehen wir weiter."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort