Finanztest kritisiert Praxis der Postbank

"Freie Berater haben Kunden abgezockt" - Auch bei anderen Banken Probleme den Verkäufern

Finanztest kritisiert Praxis der Postbank
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Berlin/Bonn. Eine 77-jährige Dortmunder Rentnerin kann sich kurz vor dem hundertsten Geburtstag auf ihr Eigenheim freuen. Denn in gut zwanzig Jahren wird der ihr von einem Berater der Postbank aufgeschwatzte Bausparvertrag über 80 000 Euro zugeteilt.

Um flugs an die Abschlussprovision für den Vertrag zu kommen, beendete der Vermittler rasch einen bereits bestehenden Bausparvertrag und schob die Guthaben des Rentnerhaushalts so lange hin und her, bis er möglichst schnell an die Erfolgsprämie von 640 Euro kam.

Kommentar Lesen Sie dazu auch " Die Mär vom Einzelfall"Die alte Dame ist kein Einzelfall, wie die Stiftung Warentest nun herausfand. "Weit über 100 Jahre alt müssten drei Postbank-Kundinnen werden, denen verschiedene Berater die Vorteile des Bausparvertrags BHW Dispo maXX schmackhaft machten", heißt es in der Zeitschrift Finanztest.

Ein ehemaliger Vertreter der Postbank schildert in dem Magazin, worum es bei den Kundengesprächen in erster Linie geht. "Verkaufen, verkaufen, verkaufen", laute das Motto. So werden Altverträge vorzeitig gekündigt, um neue abzuschließen, für die es eine weitere Provision gibt. Der Druck auf die Berater sei enorm.

Die Postbank bestreitet die Einzelfälle nicht, weist aber den Vorwurf einer generellen Falschberatung scharf zurück. "Wir haben sehr hohe Qualitätsstandards", beteuert Sprecherin Iris Laduch. Vertrauen und eine gute Beratung seien Teil des Geschäftes.

Dennoch erscheint die Vertriebsstruktur der Bank Interessenkonflikte zu begünstigen. Dabei geht es nicht um die Beratung am Schalter einer Postbank-Filiale oder am Telefon. Dort arbeiten fest angestellte Banker.

Darüber hinaus hat das Institut vor drei Jahren eine Vertriebsgesellschaft gegründet, in denen sogenannte mobile Finanzmanager tätig sind, die zum Hausbesuch bei den Kunden ausschwärmen. Die Vertreter leben allein von der Provision und haben deshalb ein Interesse an möglichst vielen Abschlüssen. "Ich kann den Interessenkonflikt nicht sehen", sagt Laduch. Finanztest berichtet dagegen von einem enormen Verkaufsdruck.

Unterschiedlich stellen beide Seiten auch die Qualität der Beratung dar. Während Finanztest unter Berufung auf Insider schreibt, dass die Vermittler schlecht ausgebildet auf die Kundschaft losgelassen werden, weist die Bank auf eine 15-monatige Regelausbildung der Finanzmanager hin.

Die Kritik an der Beratungspraxis ist nicht neu. In Zusammenhang mit der Pleite der Lehman Bank geriet die Branche in Verruf. Um Provisionen zu kassieren, schwatzten Angestellte der Citibank oder auch mancher Sparkasse meist älteren Kunden Zertifikate auf, deren Funktionsweise die Kunden meist nicht kannten. Nach dem Konkurs blieben die Anleger auf ihrem Schaden sitzen.

Der frühere Innenminister Gerhard Baum, der heute als Anwalt geschädigter Anleger seine Brötchen verdient, lässt kein gutes Haar an den Geschäftspraktiken der Finanzinstitute. Der Kunde müsse sich über eines im Klaren sein, warnt Baum vor allzu viel Vertrauen in den Bankberater, "die Anlageprofis wollen verkaufen."

Nach Erfahrung aus seiner Kanzlei haben die Institute selten die Interessen ihrer Kunden im Sinn. Der harte Wettbewerb in der Branche werde oft vielmehr zu Lasten der Ratsuchenden ausgetragen. Das Personal trifft dabei am wenigsten Schuld. Oft werden die Berater durch hohe Zielvorgaben in einen erheblichen Verkaufsdruck gezwungen.

Im kleinen Kreis beschweren sich die Angestellten auch über die unrealistischen Erwartungen ihrer Chefs. So erzählt eine Commerzbank-Mitarbeiterin zum Beispiel von höheren Verkaufsnormen in diesem Jahr, obwohl ihre Kunden gar nichts mehr von finanziellen Experimenten hören wollten. Am liebsten, so sagt sie, hätte sie den Job hingeschmissen.

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