Sonder­urlaub für Unwetter-Opfer Was Arbeitnehmer und Beamte jetzt wissen müssen

Bonn · Arbeitnehmer haben Anspruch auf bezahlte Freistellung, wenn sie durch die Unwetter-Katastrophe persönlich betroffen sind. Wie lange der Sonderurlaub gewährt wird, ist Ermessenssache.

 Wer nach der Unwetter-Katastrophe sein Haus sichern muss, hat als Arbeitnehmer meist Anspruch auf wenige Tage Sonderurlaub.

Wer nach der Unwetter-Katastrophe sein Haus sichern muss, hat als Arbeitnehmer meist Anspruch auf wenige Tage Sonderurlaub.

Foto: dpa/Thomas Frey

Das Wohnzimmer ist voll Schlamm, in der Küche steht im Geschirr der Rest des Hochwassers: Wer Opfer der Unwetter-Katastrophe geworden ist, darf für notwendige Schritte ohne Lohneinbußen der Arbeit fernbleiben, um erst einmal seine eigenen Angelegenheiten zu regeln. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.

Wer hat Anspruch auf Sonderurlaub?

Ist es für einen Arbeitnehmer unmöglich oder nicht zumut­bar, zur Arbeit zu kommen, hat er nach dem Bürgerlichen Gesetz­buch (BGB) ein Recht auf bezahlten Sonder­urlaub. Paragraf 616 regelt, dass Arbeitnehmer bei Bezahlung frei­gestellt werden müssen, wenn sie unver­schuldet nicht zur Arbeit kommen können, weil sie vorüber­gehend verhindert sind. Klassische Fälle sind die Eheschließung oder die Geburt eines Kindes. Sofern das Arbeitsverhältnis einem Tarifvertrag unterliegt, kann es auch hier Regelungen zum Sonderurlaub geben.

Wie lange können Betroffene Sonderurlaub nehmen?

Demnach können Arbeitnehmer„für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" pausieren. Wie viele Tage das konkret sind, ist allerdings Ermessenssache und richtet sich danach, wie groß die Schäden zu Hause sind. „Jemand, dem nur der Keller vollgelaufen ist, wird sicherlich einen geringeren Anspruch haben, als jemand, bei dem das ganze Haus beschädigt ist“, sagt der Bonner Arbeitsrechtler Harald Klinke.

Die Dauer des bezahlten Sonder­urlaubs ist im Bürgerlichen Gesetz­buch nicht fest­gelegt. In der Regel sind es ein oder mehrere Tage. „Es hängt häufig davon ab, in welchem Arbeits­verhältnis sich der Arbeitnehmer befindet. Jemand, der für ein halbes Jahr befristet beschäftigt ist, wird für einzelne Ereig­nisse weniger Sonder­urlaubs­tage bekommen als jemand, der seit 20  Jahren in einem Betrieb arbeitet“, sagt Klinke.

Wie gehen Betroffene am besten vor?

Damit Betroffene keine Probleme bekommen, sollten sie ihren Arbeitgeber sofort telefonisch informieren. In einem zweiten Schritt können sie dann mit ihm klären, wie viele Tage sie zu Hause bleiben dürfen. Der Arbeitgeber kann verlangen, dass der Arbeitnehmer ihm einen Nachweis über den Grund des Sonderurlaubs erbringt. Hier hilft es, den Zustand des Hauses oder der Wohnung mit Fotos zu dokumentieren.

Wer bezahlt den Sonderurlaub?

Sonderurlaub wird vom Arbeitgeber bezahlt. Meistens handelt es sich um einzelne Tage. Auch der gesetzliche Urlaubsanspruch bleibt weiterhin bestehen und kann nicht gekürzt werden. Es gibt jedoch auch die Möglichkeit der unbezahlten Freistellung, falls die von der Unwetterkatastrophe Betroffenen länger brauchen, um alles zu regeln. Ist der Arbeitgeber selbst betroffen, weil sein Geschäftsbetrieb wegen der Hochwasserschäden nicht weiterlaufen kann, behalten Arbeitnehmer ihren Anspruch auf Bezahlung, auch wenn sie nicht arbeiten können. Hier gilt Kurzarbeit als eine Möglichkeit, die Folgen abzumildern.

Wer bekommt keinen Sonderurlaub?

Ein Arbeits­vertrag kann dieses Recht auf Sonderurlaub individuell ausschließen oder eingrenzen. „Das ist zulässig und gibt es öfter“, sagt Klinke. Ein Blick in den eigenen Arbeitsvertrag hilft.

Die Regelung des BGB beschränkt sich außerdem auf Fälle, in denen Arbeitnehmer persönlich betroffen sind. Ist etwa eine Straße überflutet und der Arbeitsweg dadurch nur etwas länger als sonst, kann man nicht mit Verweis auf Paragraf 616 der Arbeit fern bleiben. Wer wegen der allgemeinen Auswirkungen des Starkregens auf den Verkehr nicht zur Arbeit kommen kann, hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Vergütungsfortzahlung. Das sogenannte Wegerisiko trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer. Hier handelt es sich ja auch nicht um  eine persönliche Verhinderung, da viele Arbeitnehmer betroffen sind.

Was ist mit Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst?

Für Bundesbeamte richtet sich der Sonderurlaub nach der Sonderurlaubsverordnung (SUrlV). Die Paragraphen regeln alle Ansprüche auf Sonderurlaub inklusive der Dauer der bezahlten Freistellung.

Das Bundesinnenministerium hat zudem in einem Rundschreiben 2019 bekräftigt, dass sowohl Bundesbeamte als auch Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst in diesen Situationen eine Arbeitsbefreiung von bis zu fünf Tagen erhalten können: zur Sicherung des eigenen, unmittelbar durch Hochwasser oder extremen Schneefall bedrohten Eigentums und in anderen Fällen der vorübergehenden Verhinderung der Arbeitsleistung infolge der akuten Katastrophe wegen Hochwassers oder extremen Schneefalls. „Die jeweilige Dienststelle hat innerhalb dieses Rahmens über den notwendigen Umfang nach Maßgabe aller bekannten Tatsachen eigenverantwortlich zu entscheiden“, heißt es in diesem Rundschreiben.

Lässt sich aus der Regelung für Beamte auch etwas für Angestellt der Privatwirtschaft ablesen?

„Die Regelung für den öffentlichen Dienst kann auf jeden Fall als Anhaltspunkt dienen“, sagt Rechtsanwalt Klinke. Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer überlegten, welche Länge für den Sonderurlaub angemessen sei, könnten sie sich daran orientieren.

Was gilt für Landesbeamte in NRW?

Für Beamte in NRW keine landesweit einheitliche Regelung für Sonderurlaub. „Aktuell erteilen die einzelnen Ressorts Sonderurlaub nach Ermessen“, teilt der  Beamtenbund und Tarifunion Nordrhein-Westfalen mit. Es sei wünschenswert, dass analog zur Regelung für Bundesbeamte nun kurzfristig auch in NRW ein einheitlicher Rahmen für die Betroffenen vorgegeben werde.

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