Solarworld in Bonn Frank Asbeck hat seine Solargemeinde überwiegend im Griff

BONN · Schicksalstag für Solarworld. Draußen hört es gerade auf zu regnen. Als Aufsichtsratschef Claus Recktenwald die außerordentliche Hauptversammlung eine Minute nach zehn Uhr eröffnet, haben sich etwa 400 Aktionäre im ehemaligen Plenarsaal des Bundestages in Bonn versammelt.

Heute sollendie Aktionäre über die Zukunft des Bonner Konzerns entscheiden. Sie sollen sich selbst quasi enteignen und so das Überleben von Solarworld sichern. Und sollte das nicht Ärger geben?

Viel Geld haben die Aktionäre schon verloren: Auf kümmerliche 22 Euro ist zusammengeschmolzen, was vor fünf Jahren 1000 Euro in Solarworld-Papieren wert war. Und selbst davon wird kaum noch etwas bleiben, wenn der Plan des Managements durchgeht.

In einem drastischen Kapitalschnitt sollen je 150 Aktien zu einer einzigen zusammengelegt werden, nur fünf Prozent werden die Altaktionäre zusammen noch an der "sanierten" Solarworld halten. 3,6 Prozent genau genommen, denn 1,4 Prozent hält dann noch Altaktionär Frank Asbeck. Reichlich Grund also für die Aktionäre, wütend zu sein.

Auf dem Plenum sitzen Aufsichtsrat und Vorstand, in der Mitte der Sonnenkönig. Doch Frank Asbeck sagt nichts. Noch nicht. Recktenwald verliest die Formalien, dann gibt Finanzchef Philipp Koecke kurze Erläuterungen zum Stand der Sanierung.

Mit der Entschuldung - Koecke hat den Gläubigern in monatelangen Verhandlungen den Verzicht auf mehr als eine halbe Milliarde Euro abgerungen - bekomme Solarworld genügend Luft für die nächsten Jahre. Erst 2018 muss wieder ein großer Batzen Schulden getilgt werden, 321 Millionen Euro von 427 Millionen Euro insgesamt.

Im eigentlichen Geschäft sinken die Verluste, meldet Koecke als Erfolg. Personal, Produktion, Marketing, überall habe es schon "Optimierungen" oder "Anpassungen" gegeben.

"Auch in Bonn haben wir uns leider von vielen Mitarbeitern trennen müssen." Sorgenkinder: Logistik und Einkauf. Koecke führt das zwar nicht näher aus, in der Branche ist aber bekannt, dass Solarworld mit Siliziumlieferanten wegen ungünstiger Lieferverträge prozessiert. Ausgang: ungewiss.

Dann sprechen die Vertreter der Aktionärsschutzvereinigungen. Doch harsche Töne sind zunächst kaum zu hören. "Etwas mehr Demut und Selbstkritik" hätte man sich vom Vorstand gewünscht, sagt Roland Klose von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Dass allein chinesische Dumpingpreise für die Misere bei Solarworld verantwortlich sein sollen, sei nicht nachvollziehbar.

"Es stellt sich die Frage, ob die Kapazitäten rechtzeitig angepasst wurden." Nur indirekt greift Klose Asbeck wegen seines privaten Schlosskaufs an. Auch Ralf Jochen Ehresmann von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger und Dachverband der kritischen Aktionäre bleibt friedlich. Es wäre doch wünschenswert, dass Asbeck selbst einmal das Wort an die Aktionäre richten würde.

Und das tut der Vorstandschef dann auch. "Ja, das ist ein 'Vogel, friss oder stirb!", räumt er ein, den Aktionären die Pistole auf die Brust zu setzen. Aber er selbst sei schließlich auch von dem Kapitalschnitt betroffen. Und mit den zehn Millionen Euro, mit denen er sich später für knapp 20 Prozent an Solarworld beteiligen will, investiere er einen "erheblichen Teil meines privaten Geldvermögens" in die Firma.

Dass er die Anteile deutlich günstiger erhalte als Katar Solar, liege unter anderem daran, dass er sich verpflichte, an der Beteiligung fünf Jahre nichts zu verändern - bis zu dem Zeitpunkt nämlich, wenn Solarworld den Löwenanteil seiner Schulden von immer noch 427 Millionen Euro zurückzahlen muss.

Als Asbeck den seiner Ansicht nach zu weichen Kompromiss der EU im Handelsstreit mit den Chinesen kritisiert und vor dem Angriff aus Fernost auf weitere deutsche Industriezweige warnt, brandet Szenenapplaus auf. Da ist er wieder, der Visionär, und so liebt ihn seine Solargemeinde.

Erst am Nachmittag wird der Ton rauer. Kleinaktionäre machen ihrem Ärger über die Enteignung Luft. Bis zum Abend zieht sich die Debatte. Am Ende bleiben die Kritiker aber chancenlos. Der Kapitalschnitt wird mit großer Mehrheit beschlossen.

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