Fußball-WM in Katar Fußballgucken im Büro: Das ist erlaubt

Bonn · Mehrere WM-Spiele finden zu Zeiten statt, in denen Fußballfans noch am Arbeitsplatz sitzen. Dürfen sie zwischendurch ein paar Spielminuten verfolgen? Ein Arbeitsrechtler aus Sankt Augustin klärt auf.

Wer in seiner Arbeitszeit auf dem Bildschirm die WM-Spiele verfolgen will, braucht dafür eine Erlaubnis vom Arbeitgeber.

Wer in seiner Arbeitszeit auf dem Bildschirm die WM-Spiele verfolgen will, braucht dafür eine Erlaubnis vom Arbeitgeber.

Foto: DPA

Auch wenn die Kritik an der diesjährigen Fußballweltmeisterschaft und ihrem Gastgeberland Katar nicht abreißt, steht fest: Die Spiele wollen sich trotzdem viele gern ansehen. Schwierig wird es nur, wenn das mit der Arbeitszeit kollidiert. So fand das erste Deutschlandspiel am Mittwoch ausgerechnet um 14 Uhr statt. Können Fußballfans in so einem Fall das Spiel während der Arbeit am Bildschirm verfolgen?

Grundsätzlich geht das nicht, sagt Jürgen Monhemius, Professor für Arbeits- und Privatrecht an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) in Sankt Augustin. „Es handelt sich dabei um eine private Tätigkeit, ähnlich wie die private Internetnutzung. Auch das ist in der Arbeitszeit schließlich nicht erlaubt.“ Wer trotzdem guckt und dabei erwischt wird, riskiert eine Abmahnung. Das war auch einem Mitarbeiter der Ford-Werke passiert, der sich im Jahr 2016 während seiner Arbeitszeit Ausschnitte eines Europa-League-Spiels angeschaut hatte. Das Arbeitsgericht Köln gab damals dem Arbeitgeber Recht, der eine Abmahnung ausgesprochen hatte: Der Mitarbeiter habe seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt.

Betriebsvereinbarungen für vergangene WM-Spiele gelten nicht mehr

Selbst wenn der Betriebsrat für vorangegangene Weltmeisterschaften eine Betriebsvereinbarung durchgesetzt hat, dass die Mitarbeiter während der Arbeitszeit Fußball gucken dürfen, gilt das nicht automatisch für die aktuellen Spiele. „Solche Vereinbarungen sind in der Regel einzelfallbezogen und gelten nur kurzfristig“, sagt Monhemius.

Auf der sicheren Seiten sind Beschäftigte, wenn sie sich eine explizite Erlaubnis beim Arbeitgeber einholen. Laut Monhemius ist es ratsam, sich die Erlaubnis des Fachvorgesetzten schriftlich geben zu lassen – „vor allem für den Fall, dass direkte Vorgesetzte und Geschäftsführung unterschiedlicher Meinung sind“. In Unternehmen mit Vertrauensarbeitszeit ist indes kein offizielles Einverständnis nötig. „Hier können Arbeitnehmer im Prinzip machen, was sie wollen, wenn sie die verlorene Arbeitszeit später wieder nachholen“, sagt der Arbeitsrechtler.

Wenn nicht gerade ein Termin anstehe, könnten Arbeitnehmer durchaus für ein Spiel den Fernseher einschalten, sagt Monhemius. Unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung sei es dann klug, als Geschäftsführung auch den Mitarbeitern vor Ort das Fußballgucken zu erlauben. Sind im Betriebsnetz die Websites der Plattformen gesperrt, die die Spiele übertragen, könnte die Geschäftsführung veranlassen, sie vorübergehend freizuschalten.

Radiohören darf nur, wer sich davon nicht ablenken lässt

Notfalls lassen sich auch Alternativen finden: etwa das Radio. Früher habe es hierzu häufig Betriebsvereinbarungen gegeben, die genau geregelt hätten, an welchen Orten und wie laut das Radio angestellt werden durfte, sagt Monhemius. Da inzwischen die meisten Kopfhörer und Streamingdienste nutzten, sollten einschlägige Dienstvereinbarungen heute generell den privaten Multimediakonsum während der Arbeitszeit regeln. Grundsätzlich gelte: Sobald es die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt, wenn man Radio hört, können Arbeitnehmer Schwierigkeiten bekommen. Bei einfachen Arbeiten, die wenig Konzentration erfordern, ist Radiohören laut Monhemius wenig problematisch, anders sieht es bei geistig anspruchsvollen Aufgaben aus. Gibt es keine Regelung der Geschäftsführung, könne auch der jeweilige Vorgesetzte entscheiden, was in seiner Abteilung gilt.

Zumindest den aktuellen Spielstand in Apps wie Kicker könnten Mitarbeiter in der Regel problemlos abfragen. Zwar könnten Arbeitgeber auch das unterbinden, doch: „In der Realität machen das nur wenige Unternehmen.“

Krankmeldung ist Betrugsversuch

Auch einen Kurzurlaub oder eine Freischicht könnten Beschäftigte nutzen, um ein Fußballspiel zu verfolgen, wenn der Arbeitgeber sein Einverständnis gibt. Anders sieht es bei einer Krankmeldung aus: „Wer sich krankmeldet, um Fußball zu gucken, begeht einen Betrugsversuch“, sagt Monhemius. „Kann ihm der Arbeitgeber das nachweisen, ist eine fristlose Kündigung möglich.“

Der Arbeitsrechtler hat einen anderen Vorschlag: Unternehmen könnten eine Weihnachtsfeier während der Arbeitszeit organisieren und eine Leinwand aufstellen für alle, die das Spiel verfolgen wollen. So ein Gemeinschaftsevent habe es bei der WM in Korea auch an der H-BRS gegeben.

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