Brand in Godesberger Bistro Gastronomin Ruby Sardar war unterversichert

BAD GODESBERG · Unterversichert? Mit dem Thema hat sich Gastronomin Ruby Sardar in ihrem Leben nie beschäftigt. Bis zu jenem Samstag vor drei Wochen: Da stand die 41 Jahre alte Bad Godesbergerin an der Koblenzer Straße vor den verkohlten Ruinen ihrer Existenz.

Nach einem Brand, den laut Polizei Unbekannte an dem Bistro in einem gemieteten Anbau gelegt hatten, konnte die Feuerwehr nicht mehr viel retten. Nachdem Sardar den ersten Schock verdaut hatte, folgte die zweite Hiobsbotschaft. Denn noch am 6. April stellte sich nach einem Gespräch mit ihrem Versicherungsvertreter heraus: "Mein Inventar war unterversichert." Ruby Sardar, die nun um ihre geschäftliche Zukunft fürchten muss, fühlt sich im Nachhinein unzulänglich beraten.

Dabei sind Fälle wie dieser aus Sicht der Versicherungswirtschaft keine Seltenheit. Nach den Erfahrungen von Ralf Vaessen taugt der Fall von Ruby Sardar, "als Lehrbeispiel, wie es beim Abschluss einer existenziell wichtigen Versicherung nicht laufen soll". Der Bad Godesberger ist "Zertifizierter Finanzplaner" (CFP) und kennt die Gastronomin gut.

Für ihn liegt im Fall der selbstständigen Unternehmerin Sardar der Quell allen Übels bei einer so genannte "Geschäftsinhaltsversicherung", die laut Vaessen im privaten Sektor mit einer Hausratversicherung zu vergleichen ist. Sardars Problem: Versichert hatte sie ihr Inventar nur bis zu einem Schaden von 10.000 Euro, der Wert der Einrichtung lag aber deutlich höher.

"Mit einer Summe von etwa 20.000 Euro würde sich Frau Sardar im grünen Bereich bewegen", glaubt Fachmann Ralf Vaessen. Damit liegt aus seiner Sicht ein klassischer Fall von Unterversicherung vor. Der Schaden könne für die Bistrobetreiberin noch größer werden, weil sich gemäß einer Unterversicherungsklausel die Schadensleistungen der Versicherung noch entsprechend dem Prozentsatz der Unterversicherung minimieren können, erklärt Vaessen.

Wäre die Frau zum Beispiel um 50 Prozent unterversichert, müsste die Versicherung nur 50 Prozent der vereinbarten Summe von 10 000 Euro auszahlen, rechnet er vor. "Gleichwohl steht die genaue Schadenshöhe derzeit ebenso wenig fest wie die Höhe der Leistung der Versicherung", ergänzt die Geschäftsfrau. Eingebrockt hat Ruby Sardar die existenzbedrohende Situation nach ihrem Dafürhalten ihr Versicherungsmakler.

Der habe ihr nämlich bei der Geschäftsübernahme vor rund einem Jahr den Vertrag über die neue Geschäftsinhaltsversicherung ohne große Erklärungen zur Unterschrift vorgelegt. Und das auch noch in ihrem Bistro, "während des größten Betriebs, wo ich keine Zeit hatte, mir alles genau durchzulesen". Bei Unterzeichnung sei von einer Versicherungssumme definitiv nicht die Rede gewesen. Auch habe sie den Makler keineswegs darum gebeten, "die Versicherungssumme möglichst niedrig anzusetzen".

Das aber passiert nach Vaessens Beobachtungen oft, "weil viele Kunden die monatlichen Versicherungsprämien möglichst gering halten wollen". Der richtige Weg sei aber genau andersherum: "Ich lasse den Kunden erst einmal zusammenrechnen, was er alles versichert haben möchte", erklärt der Finanzplaner.

Zu einem seriösen Vertragsabschluss gehört seiner Meinung nach ein handschriftliches Beratungsprotokoll: "Da der Versicherungsmakler eine verantwortungsvolle Aufgabe hat, gehört dieses Protokoll nach dem 2008 reformierten Vertragsversicherungsgesetz zum Ehrenkodex." In Sardars Fall hatte der Makler das Protokoll jedoch bei Vertragsabschluss bereits maschinell ausgefüllt.

Trotzdem räumt die Gastronomin auch eigene Fehler ein: "Ich hätte nicht sofort unterschreiben dürfen, sondern den Inhalt studieren müssen." Stattdessen habe sie dem Makler vertraut und geglaubt, er werde einen Vertrag aufzusetzen, der ihren Bedürfnissen entspreche. Eine Mailanfrage an ihren Versicherungsvertreter blieb unbeantwortet. Mit ihrem Fall steht die Bad Godesbergerin keineswegs alleine da.

"Unterversicherung ist ein generelles Thema", sagt Martina Faßbender, Sprecherin der Gothaer Finanzholding in Köln: "Unterdeckung ist keine Seltenheit." Genaue Zahlen lägen leider nicht vor." Über die Gründe kann Kathrin Jarosch, Pressefrau beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft in Berlin, nur spekulieren: "Es ist gut möglich, dass Risiken, wie zum Beispiel Brände, mitsamt ihren Folgen unterschätzt werden."

Eine Möglichkeit, sich vor einer Unterversicherung zu schützen, ist aus ihrer Sicht eine Vorsorgeversicherung: "Werden zum Beispiel im Laufe eines Jahres Einrichtungsgegenstände angeschafft, hilft die Vorsorgeversicherung, die dann bei einem Schaden mögliche Unterversicherung zu vermeiden." Andernfalls müsste jede Neuanschaffung sofort dem Versicherer gemeldet werden.

Da sich der Wert des Gewerbebetriebes im Laufe der Zeit oft verändert, sollte der Vertrag ohnehin "in regelmäßigen Zeitabständen gemeinsam mit dem Versicherungsvermittler überprüft und die Versicherungssumme angepasst werden". All das will Gastronomin Ruby Sardar in Zukunft beherzigen. Denn ihr Entschluss steht fest: Wenn mit den Sanierungsarbeiten alles nach Plan läuft, will sie im Sommer versuchen, ihr Bistro neu zu eröffnen. Mit einer neuen Versicherung, die im Fall eines Schadens keine bösen Überraschungen mehr für sie bereit hält.

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