Solarworld in der Insolvenz Gehälter sind für Mitarbeiter von Solarworld bald nicht mehr sicher

Bonn · Acht dringende Fragen und Antworten zur Zukunft des Bonner Unternehmens.

 Ab August muss das Unternehmen Solarworld seine Mitarbeiter wieder selbst bezahlen.

Ab August muss das Unternehmen Solarworld seine Mitarbeiter wieder selbst bezahlen.

Foto: dpa

Wie geht es für die Solarworld-Mitarbeiter weiter?

Drei Monate, von Mai bis Juli 2017, erhalten die direkt bei Solarworld angestellten Mitarbeiter ihr Gehalt als Insolvenzgeld von der Bundesagentur für Arbeit. Ab August muss Solarworld seine Mitarbeiter wieder selbst bezahlen. Oft werden bei zahlungsunfähigen Unternehmen nach Auslaufen des Insolvenzgeldes Stellen gestrichen, weil das Geld für die Weiterbeschäftigung aller Mitarbeiter nicht reicht. Ein künftiger Investor könnte allerdings Interesse daran haben, Fachkräfte im Unternehmen zu halten und daher Geld vorschießen. Bereits jetzt hätten sich an allen Standorten Mitarbeiter neue Jobs gesucht und gekündigt, heißt es aus Mitarbeiterkreisen. Trotzdem sei die Motivation weiter hoch. Leiharbeiter mussten Solarworld direkt nach dem Insolvenzantrag verlassen. Sie erhalten kein Insolvenzgeld in den Betrieben, an die sie ausgeliehen werden.

Was sind die nächsten Schritte im Insolvenzverfahren?

Bisher befindet sich die Solarworld AG in einem vorläufigen Insolvenzverfahren. Ein Richter muss entscheiden, ob ein reguläres Insolvenzverfahren eröffnet wird. Eine zeitliche Frist für diese Entscheidung sieht das Insolvenzrecht nicht vor. Oft eröffnen Gerichte Insolvenzverfahren jedoch nach etwa drei Monaten, wenn das Insolvenzgeld ausläuft. Im Fall von Solarworld legt der vorläufige Insolvenzverwalter, Horst Piepenburg, dem Gericht einen ersten Bericht über die Lage des Unternehmens vor. In Unternehmenskreisen wird erwartet, dass sich Piepenburg in der zweiten Julihäfte in Betriebsversammlungen zum weiteren Vorgehen äußert.

Wie wird nach Investoren gesucht?

Der vorläufige Insolvenzverwalter hat die australische Investmentbank Macquarie mit der weltweiten Suche nach möglichen Käufern für Solarworld beauftragt. Dem Vernehmen nach gibt es mehrere Interessenten. Wie ernsthaft die Angebote sind und auf welche Unternehmensteile sie sich beziehen, blieb jedoch unklar.

Gibt es Interesse aus Indien?

Am Rande des deutsch-indischen Regierungstreffens Ende Mai in Berlin informierte sich der indische Energieminister Piyush Goyal auf eigenen Wunsch bei einem Treffen mit Landespolitikern und Unternehmensvertretern in Leipzig über Solarworld. Um konkrete Angebote ging es dabei nach Angaben aus Verhandlungskreisen nicht. Und doch weckte der Besuch für die zwei großen Solarworld-Produktionsstätten in Sachsen und Thüringen Hoffnung. Indien verfolgt ein ehrgeiziges staatliches Förderprogramm für die Solarenergie. Solarworld könnte dem Schwellenland dabei wichtige technologische Impulse liefern, heißt es in Branchenkreisen. Die Produktionsstandorte in Deutschland gelten für die hiesige Solar-Forschung als notwendige Grundlage. Daher würde ein an der Technologie interessierter Investor die Produktion in Deutschland trotz der im Vergleich zu China höheren Kosten weiter betreiben, so die Hoffnung.

Welche Rolle spielt Großaktionär Katar?

Solarworld ist mit dem Emirat Katar eng verbunden. „Qatar Solar“, eine Tochter der staatlichen Stiftung „Qatar Foundation“, ist mit 29 Prozent an Solarworld beteiligt. Nach der Insolvenz ist der Anteil nun weitgehend wertlos. In dem Wüstenstaat betreiben Solarworld und Katar gemeinsam eine Produktionsstätte. Kein Wunder, dass auch Katar in Branchenkreisen als möglicher Käufer der Solarworld AG oder einzelner Konzerteile gehandelt wird. So könnte sich das Emirat etwa Zugriff auf Technologien sichern. Bereits im Jahr 2013 hatten die Araber Solarworld durch ihr Investment vor der Pleite gerettet.

Womit können die Solarworld-Aktionäre rechnen?

Kleinaktionäre, die etwa die Hälfte der Solarworld-Anteile halten, haben schlechte Karten. Nach dem deutschen Insolvenzrecht hat der Schutz der Arbeitsplätze Priorität. Aktionäre werden als sogenannte nachrangige Gläubiger eingestuft. Das heißt, sie erhalten nur Geld, wenn nach Auszahlung aller anderer Gläubiger Mittel übrig sind – das kommt selten vor. Nur wenn sich herausstellt, dass sie vom Unternehmen nicht rechtzeitig über die Risiken aufgeklärt wurden, könnten sie Ansprüche auf Schadenersatz haben. Ob Solarworld seine so genannte Ad-Hoc-Pflicht verletzt hat und früher über die finanzielle Schieflage hätte informieren müssen, prüft auch die Bonner Finanzaufsichtsbehörde Bafin. Eine Sprecherin verwies allerdings darauf, dass diese Prüfung bei vielen Insolvenzverfahren durchgeführt werde.

Läuft die Produktion weiter?

Solarworld produziert weiter, allerdings in reduziertem Umfang. Anfängliche Schwierigkeiten mit Lieferanten seien weitgehend überwunden, hieß es aus Unternehmenskreisen. Für den Einstieg von möglichen Investoren gilt es als wichtig, dass die Fertigung nicht unterbrochen wird. Eine Wiederaufnahme nach einem Stopp wäre mit hohen Kosten verbunden.

Was sagt die Politik zur Solarworld-Pleite?

Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat sich bisher nicht zur Solarworld-Pleite geäußert und plant dies nach eigenen Angaben auch nicht. Anders sind die Reaktionen in Sachsen und Thüringen, wo insgesamt rund 2000 Menschen für Solarworld arbeiten. Der thüringische Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hat gemeinsam mit Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) Ende Juni ein Treffen mit Vertretern der Industrie und der Bundesregierung zur Lage der Solarindustrie organisiert.

Die Landesminister betonten dabei die Bedeutung der Solarworld AG für die gesamte Branche in Deutschland. Tiefensee versprach einem künftigen Investor finanzielle Unterstützung etwa über Technologieförderung. Außerdem regte er an, die Solarbranche in Deutschland künftig dadurch zu fördern, dass bei öffentlichen Aufträgen nicht mehr nur der Preis, sondern etwa auch die Nachhaltigkeit in der Produktion berücksichtigt werden solle: „Es geht nicht nur um den Erhalt eines Herstellers, sondern auch um die ganze Solarbranche“, so Thüringens Minister Tiefensee.

Die sächsische Landesregierung setzt eher auf Hintergrundgespräche. Hier will man offenbar keine falschen Hoffnungen wecken, dass die Politik Solarworld aus der Krise retten könne.

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