Mandat niedergelegt Gerdes scheidet aus dem Post-Vorstand aus

Bonn · Vorstandsmitglied Jürgen Gerdes hat Dienstag Abend sein Mandat bei der Deutschen Post DHL niedergelegt. Erst am Montag wurde über einen Rauswurf spekuliert.

Vor zwei Wochen hatte er noch einen großen öffentlichen Auftritt in Düren: Jürgen Gerdes eröffnete das zweite Streetscooter-Werk. Dort sprach er mit gewohnt bärbeißiger Miene auch über einen möglichen Börsengang des Elektroauto-Projektes, das der Post bei externen Kunden unverhoffte Erfolge beschert. Er dachte an einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren und ahnte wohl noch gar nicht, dass er am Dienstag sein Mandat niederlegen würde. Die Post und Gerdes haben sich „aufgrund unterschiedlicher Auffassungen über die strategische Schwerpunktsetzung des Unternehmens in bestem gegenseitigen Einvernehmen auf ein vorzeitiges Ausscheiden“ geeinigt, teilte die Post mit. Gerdes arbeitete für den Konzern, seit er 20 Jahre alt ist.

Zur Eröffnung des Streetscooter-Werks war der 53-Jährige gerade seit gut einem Monat im Post-Vorstand für das neu geschaffene Ressort „Corporate Incubations“, also unternehmenseigene Innovationen, zuständig. Zuvor hattte er im Vorstand mehr als zehn Jahre die Kernsparte des Unternehmens, Briefe und Pakete, betreut. Bei der Verkündung seines Aufgabenwechsels im April hatte Frank Appel, Vorstandschef der Deutsche Post DHL, den Manager noch in den höchsten Tönen gelobt: „Jürgen Gerdes steht in unserem Unternehmen sinnbildlich für unternehmerische Tatkraft, innovative Weitsicht und wirtschaftlichen Erfolg.“ Er habe die Entwicklung des Streetscooters zu einem Zeitpunkt angestoßen, da E-Mobilität in Deutschland noch nicht in aller Munde war. Eine ganze Reihe wesentlicher kundenorientierter Innovationen etwa bei E-Commerce gehe auf seine Initiative zurück. „Mit seinen Erfahrungen, seiner Energie und seinem Unternehmergeist wird er für unsere Gruppe entscheidende Impulse in neuen Geschäftsfeldern setzen.“ Der Aufgabenwechsel sorgte in der Branche bereits für Aufsehen: Vom Kernressort zu einem neuen Aufgabengebiet, dessen Rahmen noch gar nicht genau abgesteckt war. Appel hat zu diesem Zeitpunkt die Leitung der Brief- und Paketsparte dann selbst übernommen – bis ein Nachfolger berufen ist.

Als Spartenchef hat der Vorstandschef dann offenbar genauer auf die Zahlen geguckt. Jetzt scheidet Gerdes komplett aus dem Vorstand des Bonner Unternehmens aus. Überraschend hatte der Konzern am Freitag eine deutliche Gewinnwarnung herausgegeben. Den prognostizierten operativen Gewinn (Ebit) von 4,15 Milliarden Euro im laufenden Geschäftsjahr strich der Konzern auf 3,2 Milliarden Euro zusammen. Der Rückgang der Briefmengen bei stabilen Preisen habe zu einer hohen Fixkostenbasis geführt. Mit Preiserhöhungen, die die Post sich noch von der Bundesnetzagentur genehmigen lassen muss, soll gegengesteuert werden. „Wir sind in einigen Bereichen vielleicht zu schnell gewachsen”, sagte Appel am Freitag. Die Post hat unter anderem damit zu kämpfen, dass durch den Onlinehandel zwar ihr Paketbereich floriert, die dafür notwendigen Zusteller und ihre Fahrten aber auch immer mehr kosten. „Darüber hinaus hat der Konzern in den letzten Jahren nicht in ausreichendem Maße in die Weiterentwicklung des operativen Geschäfts investiert“, so Appel. Die Sparte soll nun umgebaut werden, was zunächst aber weitere Ausgaben verursacht.

Gerdes legt noch am Dienstag sein Vorstandsmandat nieder. Er verlässt zum 30. Juni 2018 den Konzern. Der Aufsichtsrat lobte am Dienstag: „Er hat kundenorientierte Innovationen und die Internationalisierung erfolgreich vorangetrieben und über viele Jahre maßgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg der Gruppe beigetragen“, sagte der neue Aufsichtsratschef Nikolaus von Bomhard.

Die Verantwortung für das Vorstandsressort Corporate Incubations übernimmt Thomas Ogilvie zusätzlich zu seinem Mandat als Personalvorstand und Arbeitsdirektor des Unternehmens. Er war vor seiner Berufung in den Vorstand für die Konzernstrategie zuständig und sei mit den Projekten eng vertraut, teilte die Post mit.

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