Gericht hält Kostrewa für verhandlungsfähig

Früherer Refugium-Chef muss sich in Bonn einer verkürzten Anklage stellen - Bilanzfälschung und Untreue

Gericht hält Kostrewa für verhandlungsfähig
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Bonn. Der frühere Vorstandschef und Gründer des insolventen Königswinterer Seniorenheim-Betreibers Refugium, Paul Kostrewa, muss sich nun doch vor Gericht verantworten. Der Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Bonn, Richter Hinrich de Vries, eröffnete am Dienstag das Verfahren gegen den unter anderem wegen Bilanzfälschung und Untreue angeklagten 63-Jährigen.

Nachdem das Verfahren gegen Kostrewa fast zwei Jahre wegen gesundheitlicher Probleme des Angeklagten unterbrochen war, hält das Gericht den ehemaligen Unternehmer jetzt für verhandlungsfähig. Allerdings muss sich Kostrewa wegen deutlich weniger Anklagepunkte verantworten, als ursprünglich geplant: Da sein Gesundheitszustand weiterhin nur zwei Stunden Verhandlung am Tag erlaube, schränkte Oberstaatsanwalt Will Breuers die Vorwürfe gegen Kostrewa ein.

Der frühere Chef der damals am Börsensegment Neuer Markt gescheiterten Refugium AG wird nun vor allem bei den Tatbeständen verurteilt, in denen bereits der frühere Refugium-Finanzvorstand und ein weitere Manager zu Bewährungs- und Geldstrafen verurteilt wurden. Zahlreiche Kleinaktionäre hatten bei der Pleite des vermeintlichen Börsenstars aus Königswinter Geld verloren.

Am Dienstag verschaffte sich die Bonner Wirtschaftsstrafkammer einen ersten Eindruck vom Gesundheitszustand Kostrewas. Dessen Anwalt Stefan Hiebl verwies gleich zu Verhandlungsbeginn auf dessen am Dienstagmorgen dramatisch gestiegenen Blutdruck. Das Gericht verließ sich jedoch eher auf ein Gutachten der Bonner Universitätsklinik, das Kostrewa Ende 2005 Verhandlungsfähigkeit bescheinigt hat.

Der Angeklagte will sich den - deutlich abgespeckten - Vorwürfen nach Andeutungen seines Anwalts nun auch stellen. "Das Verfahren hängt seit Jahren wie ein Damoklesschwert über Kostrewa", sagte Hiebl am Rande der Verhandlung.

Sollte Kostrewa vor Gericht kooperieren, stellte die Staatsanwaltschaft ihm eine Bewährungsstrafe in Aussicht. Ein Auszug der Vorwürfe gegen den früheren Vorstandschef in der Anklageschrift dürfte dabei vor allem bei den ehemaligen Refugium-Aktionären einen bitteren Beigeschmack hinterlassen. So soll Kostrewa eine mit Bankkrediten finanzierte Dividende ausgezahlt haben, als Refugium statt der bilanzierten Gewinne längst ein deutliches Minus einfuhr.

Scheinrechnungen an Immobilienfirmen über nie erbrachte Leistungen sollen die Bilanz vor der Kapitalerhöhung aufpoliert haben. Dazu kommen angeblich überhöhte Pachtverträge mit Paul Kostrewas Bruder Alfried sowie dubiose Anweisungen an Wirtschaftsprüfer, es mit den Zahlen nicht so genau zu nehmen.

Die vermeintliche Erfolgsgeschichte von Refugium fand spätestens im Mai 1999 ein Ende, als Kostrewa seinen Posten als Vorstandschef räumen musste. Der Weg dorthin begann - wie die persönlichen Angaben des Angeklagten im Gerichtssaal am Dienstag zeigten - schon viele Jahre vorher. Als Angestellter und später Inhaber mehrerer Architekturbüros sammelte Kostrewa Erfahrung in der Baubranche. Bevor er 1989 nach Bonn kam, verbrachte er mehrere Jahre als "Aussteiger" in der Karibik.

In den neunziger Jahren baute er in der Region ein verzweigtes Netz aus Baufirmen und einem Betreiberverein für Seniorenheime auf. Der Durchbruch für den späteren Refugium-Konzern kam nach Angaben von Kostrewas Verteidiger 1995 als der spätere Refugium-Finanzvorstand, ein Geschäftsmann aus der Region, in das Unternehmen einstieg. Mit dem Börsengang verdienten die Refugium-Oberen - alle handelten mit den eigenen Aktien - offenbar erst einmal bestens.

Heute stellt sich die finanzielle Situation Kostrewas nach Angaben seines Anwalts ganz anders dar: Der ehemalige Manager habe 2001 Privatinsolvenz beantragt. Ihm blieben künftig nur 650 Euro Rente im Monat. Sein Mandant sei außerdem seit Jahren arbeitsunfähig.

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