125-Jahr-Feier der IHK Bonn/Rhein-Sieg „Gigantische Simulation von Wertschöpfung“

Bonn · Deutliche Kritik an der Entwicklung der internationalen Finanzmärkte äußerte Bundestagspräsident Norbert Lammert am Montag auf dem Festakt zum 125-jährigen Jubiläum der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg.

„Das hat mit Wertschöpfung nichts mehr zu tun“, sagte der promovierte Sozialwissenschaftler am Montag bei seiner Rede im früheren Plenarsaal des Bundestages vor rund 800 Gästen.

Lammert nahm Anstoß an der Verselbstständigung der Finanzwirtschaft in den vergangenen 25 Jahren. In dieser Zeit habe sich das Weltsozialprodukt – also der Wert von Waren und Dienstleistungen – von 25 auf etwa 65 Billionen US-Dollar etwa verdreifacht. Das Volumen der synthetischen Finanzprodukte habe sich hingegen verdreihundertfacht – auf rund 600 Billionen US-Dollar. Es gebe deshalb erheblichen Erklärungs- und Handlungsbedarf.

„Das System auf den Weltfinanzmärkten ist eine gigantische Simulation von Wertschöpfung, die genau so lange hält, wie die Einbildung stabil bleibt“, so Lammert. Man müsse keine Volkswirtschaft studiert haben, um zu sehen, welche Hebelwirkung das entfalten könne.

125-Jahr-Feier der IHK
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Auch die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich bereitet dem Bundestagspräsidenten Sorge. Die Gesellschaft müsse über die Tatsache und ihre Folgen sprechen, dass mit Kapitaleinkünften mehr verdienen lasse als mit Arbeitseinkünften. Durch die größer werdende Schere zwischen den Einkommen der Manager und der Arbeitnehmer sei kein Zusammenhang mehr zwischen der individuellen Leistung und dem individuellen Vermögen festzustellen.

Arbeitsteilung zwischen Bonn und Berlin „keineswegs vorübergehend gemeint“

In Sachen Bonn/Berlin-Gesetz bleibe er bei seinen früheren Äußerungen, an die IHK-Präsident Wolfgang Grießl zuvor erinnert hatte. Die Arbeitsteilung zwischen Bonn und Berlin sei „keineswegs vorübergehend gemeint“ und alle Beteiligten hätten „Anspruch auf Verlässlichkeit bei den Entscheidungen, die einmal getroffen worden sind“. Die Entscheidung von 1991 für den Umzug von Parlament und Teilen der Regierung nach Berlin habe „Berlin geholfen und Bonn nicht geschadet“.

NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin lobte die Region Bonn/Rhein-Sieg als „absolut wichtigen Standort für Digitalisierung“. Außerdem habe die IHK wichtige Aufgaben. „Ich bin ein großer Freund der Pflichtmitgliedschaft“, sagte der NRW-Wirtschaftsminister. Wenn es die IHK nicht gäbe, müsse der Staat die Aufgaben wahrnehmen: „Wahrscheinlich schlechter und teurer.“ Die Pflichtmitgliedschaft der Unternehmen in der IHK stößt immer wieder auf Kritik.

„Die wichtigste Aufgabe ist und bleibt die betriebliche Ausbildung“, hatte Grießl zuvor erläutert. Wer morgen gute Fachkräfte will, müsse heute ausbilden. Seit 1998 sei die Zahl der Ausbildungsplätze in der Region entgegen dem Bundestrend deutlich gestiegen. Doch es würden noch mehr Stellen gebraucht. Er bat die anwesenden Unternehmer: „Geben Sie auch jungen Menschen eine Chance, die es sich selber und anderen nicht immer leicht machen.“

In einer von WDR-Journalistin Bettina Neu moderierten Diskussion zum Thema Bildung wies die Personalchefin der Siegwerk Druckfarben AG und Co KGaA, Ulrike Lüneburg daraufhin, dass es immer schwieriger werde, qualifizierte Auszubildende zu finden.

Anastasios Mintopoulos vom Weiterbildungsinstitut Alaksa berichtete über seinen Werdegang als Beispiel für beruflichen Aufstieg: Er habe als Kind griechischer Einwanderer Ausbildungen als Gießer, Koch und Einzelhandelskaufmann gemacht und 18 Jahre lang Fernseher verkauft.

„Man muss junge Menschen animieren und fördern“

Anschließend habe er seine berufliche Weiterbildung konsequent geplant: Der Fortbildungsprüfung zum Handelsassistenten folgte die Ausbildereignungsprüfung, der Betriebswirt IHK und das erfolgreiche Absolvieren eines berufsbegleitenden Studiums Master of Business Administration. Danach war er als Vertriebsleiter tätig und gründete sein eigenes Weiterbildungsinstitut. Die Aus- und Weiterbildungsangebote der IHK Bonn/ Rhein-Sieg seien der Schlüssel zu seinem Erfolg gewesen. „Man muss junge Menschen animieren und fördern, auch wenn sie die Sprache nicht können“, so Mintopoulos.

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