Fahrschulen der Region schlagen Alarm Großer Stau bei Führerscheinprüfungen

Bonn · Wartezeiten stellen Fahrschulen in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis vor Probleme. Theorietermine gibt es erst wieder ab erst für Oktober.

 Eine Fahrschülerin sitzt in einem Fahrschulauto neben ihrem Fahrlehrer. Diese klagen jetzt darüber, dass sie zu wenige Schüler hätten.

Eine Fahrschülerin sitzt in einem Fahrschulauto neben ihrem Fahrlehrer. Diese klagen jetzt darüber, dass sie zu wenige Schüler hätten.

Foto: dpa/Armin Weigel

Viele Wochen müssen Fahrschüler aus der Region Bonn/Rhein-Sieg derzeit auf Prüfungstermine warten. Die nächsten Termine für die Theorieprüfung gibt es erst im Oktober – es sei denn, jemand sagt kurzfristig ab und gibt einen Termin frei. Für die Fahrschulen, die schon in der Corona-Krise mehr als sechs Wochen schließen mussten, ist das eine weitere finanzielle Herausforderung, denn Fahrschüler, die bereits wissen, dass sie lange auf die Theorieprüfung warten müssen, vereinbaren noch keine Fahrstunden. Auch für die praktischen Fahrprüfungen sind die Wartezeiten derzeit deutlich länger als gewöhnlich.

Manfred Moll ist seit 35 Jahren Fahrlehrer bei der Fahrschule Tönessen, die Niederlassungen in Bonn-Duisdorf, Bornheim-Roisdorf, Bornheim-Kardorf und Meckenheim hat. „Die Situation ist unerträglich“, sagt er. Es gebe ja auch junge Menschen, die für ihre Ausbildung oder ihren Job einen Führerschein vorweisen müssten. Außerdem würden Eltern der Fahrschüler anrufen und sich erkundigen, warum es so lange dauert, bis es einen Prüfungstermin gibt und den Fahrschulen Druck machen.

Die Lage der Prüflinge ist auch beim Fahrlehrerverband Nordrhein bestens bekannt. „Für alle Beteiligten ist es eine Katastrophe“, sagt Vorsitzender Kurt Bartels. Früher sei die Theorieprüfung in Bonn-Medinghoven einfach nach dem Taubenschlag-Prinzip abgewickelt worden: Wer sich bereit fühlte, kam, zahlte und musste höchstens mal ein paar Minuten warten, bis ein Platz frei wurde. Jetzt müsse sich jeder Prüfling anmelden, um Wartezeiten zu vermeiden.

Insgesamt konnte der Tüv Rheinland im Frühjahr in NRW über sechs Wochen lang keine Führerscheinprüfungen abnehmen. In diesem Zeitraum sind 21 500 Prüfungen in NRW ausgefallen. Sie müssen seit dem 4. Mai nach der coronabedingten Pause nachgeholt werden und kommen zu den normal anfallenden Prüfungen dazu. „Das geschieht auch weiterhin mit Hochdruck“ versichert Tüv-Sprecher Jörg Meyer zu Altenschildesche.

Der Tüv nehme tatsächlich etwas mehr Prüfungen ab als gewöhnlich, bestätigt Bartels vom Fahrlehrerverband. Allerdings reiche das nicht aus, um den Prüfungsstau abzuarbeiten. Zunächst habe es viele Fehler beim Onlinebuchungsportal gegeben, das sehr unübersichtlich sei. Telefonisch könnten Fahrschulen beim Tüv oft niemanden erreichen, so Bartels. Dass es Termine für die Theorieprüfung in Bonn erst wieder im Oktober gebe, sei wirklich schlimm. „Ich muss doch zielgerichtet unterrichten“, meint der Fahrlehrer. Beim Tüv Nord sei die Lage besser. Dort gebe es nur zwei bis drei Wochen Vorlaufzeit.

Die vorherige Anmeldung für die Theorieprüfung sei in anderen Gebieten und Bundesländern bereits länger Standard, erläutert der Tüv-Sprecher. Das sei nötig, um die Besucherströme zu lenken, alle Personen zu erfassen und immer nur diejenigen Fahrschüler an den Prüfstellen zu haben, die auch einen Platz am Computer für die Prüfung haben. Die frühere Regelung ohne Anmeldung sei auch für den Tüv viel einfacher und bequemer gewesen, so Meyer zu Altenschildesche. Der Termin für die praktische Prüfung wird üblicherweise über die Fahrschule koordiniert.

Bei den Theorieprüfungen sei hinzugekommen, dass der Tüv Rheinland zwar von Anfang Mai bis Mitte Juni Prüfungen abnehmen konnte, aber dabei neben der Pflicht einer Mund-Nase-Bedeckung auch noch strengere Abstandregelungen befolgen musste. Dadurch seien die Kapazitäten in dieser Zeit noch um etwa zwei Drittel reduziert gewesen. Seit dem 15. Juni sei es durch eine andere Coronaschutzverordnung der NRW-Landesregierung wieder möglich, die Räumlichkeiten für die theoretischen Fahrerlaubnisprüfungen mit voller Kapazität zu nutzen. Bei Einhaltung von strengen Hygienemaßnahmen darf in den Prüfräumen für die relativ geringe Zeitdauer der Prüfung die vorher gültige Abstandregelung (mindestens 1,5 Meter) unterschritten werden, meint der Tüv-Sprecher.

Darüber hinaus gelte: Wer in Bonn wohne, müsse nicht zwingend dort die Prüfung in der Theorie ablegen. Fahrschüler können dies an allen Standorten vom Tüv Rheinland in NRW machen. „Wir wissen, dass das zwar mit zusätzlichem Aufwand verbunden ist, aber es schafft etwas mehr Flexibilität für die Fahrschülerinnen und Fahrschüler bei der Planung der Prüfung“, so Meyer zu Altenschildesche.

Bartels vom Fahrlehrerverband berichtet, dass es auch schon in Vorjahren zu Wartezeiten gekommen sei. Genauso wie Moll sieht er die Probleme im mangelnden Nachwuchs bei den Prüfern und fordert mehr Anstrengungen.

Das ist ein Argument, das der Tüv so nicht stehen lassen will: Unabhängig von Corona sei die Zahl der Prüfer in der Region Bonn vergangenes Jahr von 22 auf 25 erhöht worden. Es sei zwar schwierig, die Stellen zu besetzen, aber es gelinge.

Jetzt seien die Kapazitäten für die Abnahme von Prüfungen seit Mai gegenüber dem Zeitraum vor der Pandemie um bis zu 20 Prozent erhöht worden, so Meyer zu Altenschildesche. Es seien kurzfristig die verfügbaren Prüfungszeiten verlängert worden. Ferner sei die Zahl der Prüfer um mehr als zehn Prozent erhöht worden. Personal aus anderen Bereichen wie der Fahrzeugprüfung hilft aus.

„Wir wissen, dass die Situation aktuell für alle Beteiligten nicht so ist, wie wir alle es uns wünschen“, sagt der Tüv-Sprecher. Man sei mit den Fahrschulen und dem Fahrlehrerverband ständig im Austausch.

Fahrlehrer Moll berichtet, dass es auch in Bayern an einigen Standorten des Tüv ähnliche Probleme gibt. Nachdem sich dort nichts gebessert habe, hätten mehrere Fahrschulen die Einfahrt zum Tüv für mehrere Stunden blockiert, um so auf die „unerträglichen Zustände“ am jeweiligen Standort aufmerksam zu machen.

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