Startups beim Ideenmarkt der IHK Gründerszene in Bonn und der Region wächst kräftig

Bonn · Beim 4. Ideenmarkt der IHK in Rheinbach präsentieren sich zahlreiche Startups aus der Region. Ob Mode mit Geschichte, DNA-Analysen oder besondere Navigationsapps: Die Gründerszene in Bonn und der Region wächst kräftig.

Mode als austauschbare Ramschware, das haben drei junge Männer aus Bonn satt. Mit Folien, Chemikalien und weißen T-Shirts ausgerüstet treffen sich Marc Defosse, Angelo Galata und Janosch Wengenroth in einer Garage in Beuel, um die Modewelt umzukrempeln. Das ist nicht eben ein kleines Ziel, aber vielleicht braucht es diese Mischung aus Naivität, Kampfgeist und Glaube an die eigene Idee, um ein eigenes Unternehmen in einem umkämpften Markt zu gründen. „Ich will jedenfalls nicht über 60 sein und sagen müssen: Ich habe es nie versucht“, sagt Marc Defosse, der sich um das Marketing kümmert.

Damals, im Sommer 2014 verbringen die drei Bonner ihre Nächte an einem großen Tisch, über ihren Köpfen flackern Neonröhren, die an Ketten von der Garagendecke herunterhängen, es riecht säuerlich nach Textilfarbe. 80 Euro soll ein selbst produziertes Shirt damals noch kosten, stellen sich die Jungunternehmer vor. Doch schnell wird klar: Das ist viel zu teuer. Hinzu kommt: Die Kleidungsstücke verfärben sich teilweise in der Sonne. Es ist dieser Augenblick, in dem eine Idee an ihrer Umsetzung stirbt, oder einen neuen Weg findet, um am Leben zu bleiben.

Das Trio geht einen neuen Weg. Heute produziert ihr junges Startup namens „Van Dalism“ T-Shirts, die eine Geschichte erzählen. Stoffe aus aller Welt werden zu Brusttaschen verarbeitet. Die Stoffe stammen etwa von einer Voodoopriesterin aus Ghana oder von dem Stamm der Baduy auf der indonesischen Vulkaninsel Java und werden von den drei Gründern im Alter zwischen 30 und 32 Jahren von ihren Reisen mitgebracht. Es kann aber auch jeder zu einem Stoffbotschafter des Bonner Startups werden und Stoffe einschicken, aus denen dann möglicherweise eine Kollektion entsteht. Ein T-Shirt gibt es für 49 Euro. Günstigere Modelle kommen ohne historische Stoffe aus. Die Shirts sind allerdings streng limitiert, maximal hundert Stück gibt es pro Kollektion. „Wir könnten uns das Leben wesentlich einfacher machen, wenn wir 20 000 T-Shirts in China bestellen, aber das wollen wir eben nicht“, sagt Defosse.

Dafür achten die Gründer auf Qualität, die Shirts sind fair gehandelt und entsprechen hohen Ökostandards. Bislang haben die drei Gründer 250 T-Shirts verkauft und suchen jetzt nach Investoren. „Unser Unternehmen steckt noch in den Kinderschuhen“, sagt Defosse.

Das junge Unternehmen ist einer von 15 Teilnehmern des 4. Ideenmarktes der Industrie- und Handelskammer (IHK), der heute unter dem Motto „Best of Startups“ auf dem Campus der Hochschule Bonn Rhein-Sieg in Rheinbach stattfindet. „Wir wollen zeigen, dass es auch bei uns eine Gründerszene gibt. In Bonn und der Region bewegt sich etwas“, sagt Wolfram Schmuck von der IHK. „Präsentieren, vernetzen und kooperieren“ seien die Ziele des Ideenmarktes. Von den mehr als 50 Bewerbern hat die IHK für die Veranstaltung zehn Ideengeber aus der Kreativwerkstatt und 15 Startups ausgewählt, deren Gründung nicht länger als vier Jahre zurück liegt. „Das ist die entscheidende Phase für junge Unternehmen“, erklärt Schmuck die zeitliche Beschränkung.

Szenenwechsel in eine andere Welt: Wer einen Blick auf die Arbeit des Bonner Startups „Dr. Seibt Genomics“ werfen möchte, muss zunächst einige Schutzmaßnahmen durchlaufen. Eingehüllt in einen Vlieskittel betritt man die lichtdurchfluteten Laborräume am Bonner Bogen. Auf den weißen Arbeitsflächen stehen technische Geräte. In einer Halterung stecken kleine Ampullen, in denen Wattestäbchen eingeschlossenen sind. Sie liefern die Grundlage für die Arbeit des Gründers und Pharmazeuten Benjamin Seibt und seines Teams: der Entschlüsselung unseres genetischen Codes. Anhand einer simplen Speichelprobe können Patienten ihr Risiko für bestimmte Erkrankungen, die Verträglichkeit von Lebensmitteln oder die Wirksamkeit von Medikamenten testen lassen – angefangen bei einer Laktoseintoleranz, dem individuellen Thromboserisiko bis hin zur Annahme eines Krebsmittels. So soll eine optimale Therapie erzielt werden.

„Wir sind die Ersten, die das komplett anbieten“, beschreibt Seibt die Besonderheit des Startups, welches der Apotheker nach seiner Promotion gemeinsam mit der Biologin Anke Schiedel und der Fachanwältin für Medizinrecht Bettina Mecking im Juli 2014 gegründet hat. Neun Personen arbeiten seit Januar an den umfangreichen DNA-Analysen. Aus der Speichelprobe und den darin enthaltenen Wandschleimhautzellen extrahieren die Wissenschaftler zunächst die reine DNA, wie Seibt im ersten Laborraum zeigt. Nachdem die Probe verschiedene Testverfahren in den beiden weiteren Laboren durchlaufen hat, beginnt die eigentliche Arbeit der Bioinformatik. Dazu werden die Ergebnisse mit dem Human Genome 19, „der perfekten Version des Menschen“ als Referenz verglichen.

Anhand von Abweichungen können Krankheiten und Intoleranzen abgeleitet werden. „Wichtig für die Patienten ist, dass sie nicht allein gelassen werden“, so der Gründer. Eine Genanalyse erfolge immer nur nach einer Beratung. Auch das Ergebnis mit Tabelle, Interpretation und Therapieempfehlung ginge daher an den Facharzt. Die Idee für das spezielle Diagnostikangebot kam Seibt während einer Weltreise, als er in San Francisco mit einem älteren Mann ins Gespräch kam, der wissen wollte, ob er an Alzheimer erkranken werde. „Aus der Forschung war mir diese Möglichkeit bekannt“, so der 31-Jährige. In Zusammenarbeit mit Schiedel entwickelte er Testverfahren und Businessplan.

Der ist wichtige Voraussetzung für ein neu gegründetes Unternehmen. Ein weiterer Faktor bei der Gründung und der Förderung von Startups ist außerdem die Kooperation zwischen Hochschulen und der Wirtschaft. „Wir sehen, dass dabei viele Gründungen heraus kommen,“, sagt Schmuck. Über Investoren wolle man nun weitere Fördermöglichkeiten für potenzielle Gründer erschließen. Die nehmen die Jungunternehmen an die Hand und geben Orientierung.

Um Orientierung geht es auch bei einem weiteren Startup. Wie finde ich mich mit Hilfe meines Smartphones in einer fremden Umgebung zurecht? Wann muss ich zu Hause losfahren, um rechtzeitig meinen Flug zu bekommen? Diesen Fragen widmet sich José Pedro Marrón, Mitgründer des Startups „Locoslab“.

Seit etwa zehn Jahren forscht der 41-Jährige zum Thema vernetzte Welt und digitale Lokalisierung. Ebenso lange arbeitet er als Professor für Informatik. Derzeit lehrt er in Duisburg. Die Idee, ein Startup zu gründen, sei ihm aber erst vor vier Jahren gekommen. „Ich war der Meinung, dass die Technologie, die ich gemeinsam mit meinen Kollegen entwickelt habe, den Menschen zugänglich und nutzbar gemacht werden muss.“

Das Unternehmen habe er zusammen mit zwei weiteren Informatikern gegründet. Mittlerweile sind sie ein Team von fünf Leuten, dass sich auf die Entwicklung von Produkten aus dem Bereich digitale Lokalisierung und Geomarketing spezialisiert hat. „Wir testen derzeit zum Beispiel eine Smartcity-App. Es geht darum, Menschen den schnellsten Weg von A nach B zu zeigen. Das ist vor allem an unbekannten Orten von Nutzen“, so Marrón. Dabei sind sie zum Beispiel auf die Daten von Verkehrsbetrieben und anderen Anbietern, die sich mit Lokalisierung beschäftigen, angewiesen. Das sei aber nicht weiter problematisch. „Wir sehen in ihnen keine Konkurrenten, sondern potenzielle Partner. Am wichtigsten ist, dass möglichst viele Menschen von der Technologie profitieren.“

In einem Pilotprojekt hat er auch schon eine Indoor-App für die Lufthansa am Frankfurter Flughafen getestet. „Wir rechnen zum Beispiel die Gehwege im Innenbereich mit ein und testen wie lange die Sicherheitskontrolle dauert. So verpasst man keinen Flug mehr“, berichtet Marrón.

Ein weiterer Dienst, den Locoslab anbietet, stammt aus dem Bereich Geomarketing. „Wenn ich zum Beispiel im Shopping-Center stehe, zeigt mir meine App nur relevante Infos an – meinem Profil entsprechend. Mir werden nur Läden angezeigt, die meinem Bedarf entsprechen. Dabei nimmt der Dienst auch Rücksicht auf Einschränkungen wie Geh- und Sehbehinderungen oder Kinderwagen und Rollstühle.“ Die Finanzierung des Unternehmens laufe ohne Fremdkapital. „Wir verwenden nur eigenes Geld und werden durch Forschungsprojekte von der EU unterstützt. Seit unserer Gründung sind wir profitabel“, sagt Marrón.

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