Hauptversammlung der Deutschen Telekom in Bonn Aktionäre kritisieren Wahl von Post-Chef Appel zum Aufsichtsrats-Chef

Bonn · Die Deutsche Telekom veranstaltet als erster Dax-Konzern wieder eine Hauptversammlung mit persönlicher Anwesenheit. 1500 Aktionäre kommen ins Bonner WCCB. Die Wahl von Post-Chef Frank Appel zum Aufsichtsrats-Chef der Telekom sehen viele kritisch.

 Post-Chef Frank Appel soll Aufsichtsrats-Chef der Telekom werden.

Post-Chef Frank Appel soll Aufsichtsrats-Chef der Telekom werden.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Wenn nicht viele Aktionäre eine Maske getragen hätten, hätte es wie eine Hauptversammlung wie aus der Vor-Corona-Zeit gewirkt. Die Deutsche Telekom hielt als erster Dax-Konzern das jährliche Aktionärstreffen nicht virtuell wie in den zwei Vorjahren ab, sondern als ganz normales Treffen im Bonner WCCB. Und das ohne verpflichtendes Maskentragen oder andere Corona-Auflagen. Hendrik Schmidt von der Fondsgesellschaft DWS und andere Aktionärsvertreter gratulierten dem Unternehmen zum Mut des physischen Treffens. „Nach unserer Überzeugung ermöglicht nur die Präsenz-Hauptversammlung eine echte interaktive Debatte zwischen Anteilseignern und Unternehmensverwaltung“, sagte Frederik Beckendorff, Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Viele andere Konzerne wie die Deutsche Post bleiben in diesem Jahr noch vorsichtshalber bei virtuellen Treffen.

Telekom-Hauptversammlung: Aktionäre teils aus Niedersachsen angereist

Obwohl die Telekom die Hauptversammlung auch vollständig ins Internet übertrug, kamen doch 1500 Aktionäre ins WCCB. Reinhardt Weigelt war extra aus Edebrecht in Niedersachsen angereist: „Ich freue mich sehr, dass es wieder normal stattfindet“, sagte der langjährige Telekom-Aktionär, der auch in der Vor-Corona-Zeit schon mal bei den Telekom-Hauptversammlungen war. Er habe ihm gut gefallen, dass Vorstandschef Timotheus Höttges seine Rede frei gehalten habe. Besser als vor einigen Jahren in Köln sei auch das Catering.

Eine der wichtigsten Personen der Hauptversammlung der Deutschen Telekom saß im Zuschauerraum: Post-Vorstandschef Frank Appel hatte seinen Platz in der zweiten Reihe, erster Platz am rechten Gang. Appel soll als Nachfolger von Aufsichtsratschef Ulrich Lehner gewählt werden. Während der Hauptversammlung, die zum letzten Mal durch den 75-jährigen Lehner geleitet wurde, war Appel noch kein Mitglied des Aufsichtsrates, aus dessen Reihen er dann zum Vorsitzenden gewählt wird. Deshalb ergriff er aus den Zuschauerreihen das Wort, um sich den Telekom-Aktionären vorzustellen.

Denn schon im Vorfeld waren kritische Stimmen laut geworden, wie der Vorstandschef eines Dax-Konzerns es schaffen könne, gleichzeitig den Aufsichtsratsvorsitz eines anderen Dax-Konzerns zu übernehmen. Auch auf der Hauptversammlung sprachen sich Vertreter großer Aktionärsvereinigungen gegen diesen Schritt aus und stimmten gegen Appels Wahl. Er sei sprachlos gewesen, als er die Personalie gelesen habe, sagte Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Deka Investment: „Immerhin verstößt die Deutsche Telekom durch die Wahl von Herrn Appel und der damit angestrebten Besetzung des Aufsichtsratsvorsitzenden gegen die Grundsätze der guten Unternehmensführung.“ Die Telekom missachte damit die Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex, nach der kein Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft gleichzeitig auch Aufsichtsratschef einer anderen börsennotierten Gesellschaft sein darf.

 Der langjährige Aufsichtsrats-Chef Ulrich Lehner (l.) wurde von Vorstandschef Timotheus Höttges verabschiedet.

Der langjährige Aufsichtsrats-Chef Ulrich Lehner (l.) wurde von Vorstandschef Timotheus Höttges verabschiedet.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Post-Chef Appel als Aufsichtsrats-Chef der Telekom: Kompetenz unbestritten

Lehner wies darauf hin, dass es sich nur um eine Soll-Empfehlung handele. Seine Kompetenz sei unbestritten. Appel sagte, er werde im Sommer bereits einen Teil seiner Verantwortung bei der Post abgeben, um genug Zeit für den Aufsichtsratsvorsitz bei der Telekom zu haben. Außerdem habe er in der Vergangenheit schon mehrfach Doppelbelastungen erfolgreich bewältigt. 2008 sei er mitten in der Finanzkrise als junger Post-Vorstandschef auch Aufsichtsratsvorsitzender der Postbank gewesen sei. Der 60-Jährige will noch bis Sommer 2023 an der Post-Spitze bleiben. Lehner bekam zum Abschied neben vielen lobenden Worten auch den Gong geschenkt, den er bei Abstimmungen zur Hauptversammlung immer gedrückt hatte. Appel wurde am Ende der Versammlung letztlich mit 83,82 Prozent der Stimmen in den Aufsichtsrat gewählt. Im Anschluss an die Hauptversammlung wählte der Aufsichtsrat am Abend Appel zum Vorsitzenden.

Höttges hatte zu Beginn der Versammlung den Aktionäre das Projekt „Schwarzer Schäferhund“ erläutert. Die Telekom will die Mobilfunkversorgung in den Zügen unterbrechungslos gestalten. Dafür werden Repeater auf den Dächern der Waggons installiert und die Scheiben gelasert.

Hauptversammlung in Bonn: Finanzieller Freiraum für die Telekom?

Ein eventueller Verkauf des Funkturmgeschäftes, also der Antennen-Standorte des Konzerns, war ein weiteres Thema in der Debatte: „Herr Höttges bricht mit dem jahrzehntelangen Dogma der Unanfechtbarkeit der Infrastruktur“, sagte Speich. Kern des Geschäftsmodells sei es immer gewesen, die Hoheit über die Infrastruktur zu behalten. Jetzt versuche sich das Management finanziellen Freiraum zu schaffen und das Geschäftsmodell signifikant zu verändern. Die Telekom begebe sich durch den Verkauf in eine neue Abhängigkeit. Höttges betonte, dass Angebote von möglichen Käufern genau geprüft würden: „Wir erwarten eine Premiumbewertung für ein Premium-Asset.“

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