Hebammen protestieren in Bonn gegen Billiglöhne

Rund 100 Hebammen, Müttern und Vätern protestierte am Mittwoch auf dem Bonner Friedensplatz gegen ihre immer schwierigeren Arbeitsbedingungen.

Hebammen protestieren in Bonn gegen Billiglöhne
Foto: Barbara Frommann

Bonn. 70-Stunden-Wochen, Nachtarbeit, Bereitschaftsdienste und dazu bei der Geburt die volle Verantwortung für das Leben von Mutter und Kind - die Arbeit von Hebammen ist anspruchsvoll.

Ihr Gehalt steht dazu in krassem Gegensatz. "Freiberufliche Hebammen verdienen im Durchschnitt 7,50 Euro pro Stunde" sagte Angelika Josten, Landesvorsitzende des Hebammenverbandes NRW am Mittwoch in Bonn. Gemeinsam mit rund 100 Hebammen, Müttern und Vätern protestierte sie gegen die ihren Angaben zufolge immer schwierigeren Arbeitsbedingungen.

Die wirtschaftliche Not sei für viele Geburtshelferinnen mittlerweile existenzbedrohend, sagte die Bonner Geburtshelferin Lisa von Reiche. "Es kann nicht sein, dass nur noch die Frauen als Hebammen arbeiten können, die ihre Arbeit durch das Gehalt ihrer Männer quersubventionieren." In Bonn droht laut von Reiche ein Versorgungsengpass für Frauen, die Hebammen in Anspruch nehmen wollen. "Es gibt die Tendenz, dass Geburtshelferinnen aus finanziellen Gründen ihren Beruf aufgeben", sagte von Reiche.

Bundesweit seien 20 bis 30 Prozent der Hebammen in den vergangenen Jahren ausgestiegen. "Besonders schwierig wird die Lage in ländlichen Gebieten", so von Reiche. Dort haben viele Frauen nicht mehr die Wahl, ihre Kinder außerhalb von Krankenhäusern mit Hebammen zur Welt zu bringen. Nach Angaben Reiches arbeiten in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis zwischen 230 und 250 Hebammen.

"Die Betreuung durch die Hebamme kann kein Arzt ersetzen", sagte die Bonnerin Iris Wolfertz, die mit ihrer sechs Monate alten Tochter am Mittwoch den Streik unterstützte. "Sie bieten nicht nur emotionale Unterstützung, sondern ihre Hilfe bei allen praktischen Dingen im Umgang mit dem Säugling vom Stillen bis zum Wickeln ist einfach unersetzbar."

Auch die Hebammenschule am Universitäts-Klinikum der Universität Bonn bemerkt die Verunsicherung bei den Bewerbern um die 15 Plätze, die sie alle eineinhalb Jahre anbieten.

"Es gibt immer noch viele Interessenten", sagte Hebammen-Lehrerin Martina Schlüter-Cruse am Mittwoch. "Aber viele fragen nach den finanziellen Bedingungen und schließen nach der Hebammen-Schule lieber ein Studium an oder orientieren sich beruflich komplett um."

Wie Hebammen arbeiten Hebammen arbeiten entweder fest angestellt in einem Krankenhaus. Oder sie begleiten als freiberufliche Hebammen Frauen bei Hausgeburten, in Krankenhäusern oder in Geburtshäusern. Ihr Einkommen richtet sich nach Gebühren, die von den Krankenkassen festgelegt werden.
So erhalten sie beispielsweise für einen Hausbesuch, der etwa eine Stunde dauert, 27 Euro. Frauen, die freiberufliche Hebammen in Anspruch nehmen, zahlen selber in der Regel eine Rufbereitschafts-Pauschale von rund 300 Euro, die sonstigen Kosten für Geburt, Vor- und Nachsorge durch die Geburtshelferinnen tragen die Krankenkassen. Unter Druck sind die Hebammen vor allem im vergangenen Jahr durch die Erhöhung ihrer Haftpflichtbeiträge geraten. Sie sind von bisher rund 2 300 Euro auf 3 700 Euro im Jahr gestiegen.

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