IHK-Bericht 2020 Umsätze im Einzelhandel in Bonn und der Region steigen

Bonn · „Die Kunden sind bequemer geworden“: Verschiedene Einzelhändler aus Bonn berichten über sinkende Kundentreue. Siegburg bleibt für die Region Einkaufsmagnet. Das sind die Gründe.

Die Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg hat am Donnerstag den„Einzelhandelsreports 2020“ veröffentlicht.

Die Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg hat am Donnerstag den„Einzelhandelsreports 2020“ veröffentlicht.

Foto: dpa/Daniel Bockwoldt

Wenn Stephan Wimmers die jüngste Entwicklung des Einzelhandels in Bonn Revue passieren lässt, findet er: „Das ist richtig traurig.“ Der Grund für sein Urteil: In viele Ladengeschäfte, die einen Besitzerwechsel hatten, sind Gastronomiebetriebe eingezogen. Oder die Eigentümer, die für ihr Geschäft keine Nachfolger in der Familie fanden, vermieten nun an einen Filialisten. In weniger attraktiven Lagen in der Region gibt es auch zunehmenden Leerstand, berichtet Wimmers, der Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg, am Donnerstag bei der Vorstellung des „Einzelhandelsreports 2020“.

Dass dem stationären Einzelhandel der Onlinehandel zu schaffen macht, ist eine Binsenweisheit. Über Jahre war der Onlinehandel um mehr als zehn Prozent jährlich gewachsen, inzwischen ist das zwar etwas abgeflacht, liegt aber immer noch bei neun Prozent. Heute erzielt der E-Commerce deutschlandweit einen Umsatz von 58 Milliarden Euro und macht nun elf Prozent des Gesamtumsatzes im Einzelhandel aus.

„Die Kunden sind bequemer geworden, dem müssen wir uns stellen“, zitiert der IHK-Report einen Bonner Juwelier. Und er berichtet von sinkender Kundentreue. Einigen Ladeninhabern brechen die Käufer regelrecht weg, sie erleben eine Halbierung der Kundenfrequenz.

Attraktive Events

Eine Möglichkeit, sie wieder in die Innenstädte und damit auch in die Geschäfte zu locken, sind laut Wimmers attraktive Events. Als Beispiel nennt der IHK-Geschäftsführer „Bonn leuchtet“ und die Gemeinschaftsaktion „Unser Ludwig“, als 700 bunte Beethoven-Figuren des Künstlers Ottmar Hörl im Mai auf dem Münsterplatz Bonner wie Auswärtige anlockten, die Handy-Selfies mit den Figuren gingen um die Welt.

Ein zentrales Anliegen ist dem Bonner Einzelhandel die Erreichbarkeit der City. Die Erprobung des neuen erweiterten City-Rings hält Wimmers für problematisch, insbesondere wenn zu der Umleitung durch die Nassestraße für den stadteinwärts fahrenden Verkehr von der Kaiserstraße kommend auch noch im Januar die geänderte Verkehrsführung hinter dem Stockentor kommt. Autofahrern, die die Markt-Garage überfüllt vorfinden, könnten dann nur noch über die Franziskanerstraße weiterfahren, werden also gleich wieder stadtauswärts geleitet, wie Wimmers erklärt.

Mobilitätsverhalten der Kunden

„Wir haben große Sorge, dass man durch solche Änderungen signalisiert: ‚Wir wollen euch nicht’“, sagt Wimmers. „Wir fordern: Haltet das Mobilitätsverhalten der Kunden im Blick.“ Man wolle nicht nur dem Individualverkehr das Wort reden, betont der IHK-Geschäftsführer, aber das Fahrrad und der öffentliche Nahverkehr, der zudem seine eigenen Probleme wie Überlastung und Ausfälle habe, seien für ältere Menschen und Familien mit kleinen Kindern nicht immer die idealen Verkehrsmittel.

Gleichzeitig setze man sich für ein Verkehrsleitsystem ein, das etwa bereits auf der A59 anreisenden Autofahrern anzeigt, wie lange die Fahrt in die Innenstadt noch dauert. Gäbe es ein besseres Park&Ride-System, könnten die Besucher dann zu entsprechenden Parkplätzen geführt werden, wo sie in eine Bahn in die Innenstadt umsteigen könnten. „Die Park&Ride-Angebote in Ramersdorf und Sankt Augustin reichen nicht“, sagt Wimmers. Auch beim Baustellenmanagement wünscht er sich Verbesserungen. „Während die Marktgarage saniert wurde, war das für die Einzelhändler in der Stockenstraße sehr hart.“ Der Handel benötigt die Innenstädte, die Innenstädte benötigen aber auch den Handel“, meint Winfried Bernartz, Mitglied der Vollversammlung und des Einzelhandelsausschusses der IHK. Soll heißen: Für jeden Besucher steigt das Erlebnis in der City durch attraktive Geschäfte.

Haribo-Store mit Anziehungskraft

Welche Anziehungskraft neue Ladenkonzepte haben, zeigt laut IHK-Report etwa der Haribo-Store in der Bonner Innenstadt. Ein anderes Beispiel, wo ein Anbieter erst auf Messen, dann online und zuletzt mit Geschäften in Innenstädten in den Verkauf ging, sei der Schuhhersteller Leguano aus dem Westerwald. Ja, die Einzelhändler müssten sich „multi-channel“ aufstellen, also ihre Vertriebswege erweitern, sagt Wimmers.

Geschäftsprozesse digitalisieren

Eine Möglichkeit, dem Online-Handel die Stirn zu bieten, ist, eigene Geschäftsprozesse zu digitalisieren, und sei es nur teilweise. Welche Hürden da zu überwinden sind, macht Bernartz klar. Zwar bieten der Bund und das Land NRW verschiedene Fördermöglichkeiten, doch das Programm „Digitalbonus NRW“ sei nichts für Unternehmer, die schnell etwas umsetzen wollten. Bernartz berichtet von mehrmonatiger Bearbeitungszeit des Antrags, das Geld fließe dann erst im Folgejahr – Interessierte müssten sich in Geduld üben.

Teures Warenwirtschaftssystem

Ein richtiges Warenwirtschaftssystem, das die Warenströme einfacher und schneller organisieren könnte, haben laut IHK nur etwa zehn Prozent der Händler. Grund sei vor allem der Preis – zu investieren seien mehrere zehntausend Euro. Und es sei auch eine Zeitfrage: Inhabergeführte Geschäfte ohne Angestellte hätten Probleme, sich zeitlich auf so ein Projekt einzulassen.

Ob das Beethoven-Jahr dem Einzelhandel in Bonn mehr Umsätze bringen wird, wagt IHK-Geschäftsführer Wimmers nicht einzuschätzen.

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