Rückschlag durch Pandemie Immer mehr behinderte Menschen sind arbeitslos

Bonn · Acht Prozent mehr Menschen mit Behinderung als vor der Pandemie sind ohne Beschäftigung. Auch für andere Arbeitnehmer verdüstert sich der Ausblick auf den Arbeitsmarkt für 2022,

 In diesem Jahr entwickelt sich der Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung weniger positiv als für Menschen ohne Behinderung.

In diesem Jahr entwickelt sich der Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung weniger positiv als für Menschen ohne Behinderung.

Foto: picture alliance / dpa/Stefan Puchner

Während sich der Arbeitsmarkt gerade erholt, bleibt die Lage für Menschen mit Behinderung schwierig. In den ersten zehn Monaten 2021 waren im Durchschnitt 174 000 Menschen mit Behinderung arbeitslos. Es waren noch mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, ermittelten die Aktion Mensch und das Handelsblatt Research Institute in ihrem Inklusionsbarometer Arbeit.

Die Zahl der arbeitslosen Menschen mit Behinderung lag damit bundesweit mehr als acht Prozent über dem Vorkrisenniveau. In Nordrhein-Westfalen waren im Oktober dieses Jahres zwar rund zwei Prozent weniger Menschen mit Behinderung ohne Arbeit als im Oktober des Vorjahres – doch noch immer fast neun Prozent mehr als im Vergleichszeitraum vor der Pandemie.

Länger arbeitslos

„Insgesamt liegt das Niveau der Inklusion auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland weiterhin auf dem Stand von 2016“, sagt Bert Rürup, Präsident des Handelsblatt Research Institutes. Da sich die Situation in den Jahren vor Corona stetig verbessert habe, heiße das: „Alle seither erreichten Fortschritte sind verloren.“ Erfahrungsgemäß sei der Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung von einer geringeren Dynamik geprägt. Für den Ausblick bedeutet dies: „Menschen mit Behinderung werden deutlich länger gegen die Negativfolgen der Pandemie anzukämpfen haben“, so Rürup.

Für die Region Bonn/Rhein-Sieg hat die Arbeitsagentur bislang nur Daten aus dem Jahr 2019 ermittelt. Damals waren 14 455 Menschen mit einer Schwerbehinderung in Betrieben im Agenturbezirk Bonn/Rhein-Sieg beschäftigt, eine Verringerung von 15,4 Prozent zum Jahr 2018.

Durch den stetigen Beschäftigungsaufbau in den vergangenen Jahren seit 2015 hätten immer mehr Unternehmen die Schwelle von 20 Mitarbeitern erreicht, heißt es bei der Arbeitsagentur Bonn/Rhein-Sieg. Ab dieser Mitarbeiterzahl sind die Firmen verpflichtet, schwerbehinderte Menschen einzustellen. Voraussichtlich sei dieser Trend auch in der Region durch die Corona-Pandemie gestoppt worden, da die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und auch die Zahl der Betriebe in dieser Zeit stagnierten. In den privaten Unternehmen mit mehr als 20 Angestellten in der Region seien 7,2 Prozent der Arbeitsstellen mit Schwerbehinderten besetzt, gesetzlich vorgeschrieben sind fünf Prozent. Für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen muss eine Ausgleichsabgabe in Höhe von maximal 320 Euro gezahlt werden.

Informationsdefizite als Ursache für höhere Arbeitslosigkeit

Als eine Ursache für die höhere Arbeitslosigkeit bei Schwerbehinderten sieht Christina Marx, Bereichsleiterin Aufklärung der Aktion Mensch, ein Informationsdefizit: „Aus unserer Aufklärungsarbeit wissen wir, dass Unternehmen häufig konkrete Kenntnisse zu Fördermöglichkeiten, Beratungsdiensten und Unterstützungsleistungen in Bezug auf die Inklusion von Menschen mit Behinderung in ihren Betrieben fehlen“.

Dabei geht es am Arbeitsmarkt allgemein unabhängig von steigenden Corona-Zahlen gerade aufwärts. „Im November zeichnen sich weiterhin positive Entwicklungen für den Arbeitsmarkt ab“, berichtet Stefan Krause, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Bonn/Rhein-Sieg. Die Arbeitslosenquote im Wirtschaftsraum Bonn/Rhein-Sieg sinkt um 0,1 Prozentpunkte im Vormonatsvergleich auf einen Prozentwert von 5,9. Gegenüber dem November 2020 fällt sie um 0,6 Prozentpunkte. Die Zugänge in die Arbeitslosigkeit seien zurückgegangen, so Krause.

Beratung für Langzeitarbeitslose

Jedoch sei es auch weniger Menschen gelungen, eine neue Beschäftigung aufzunehmen als im Oktober. Die Langzeitarbeitslosen profitierten am wenigsten von den positiven Entwicklungen am Arbeitsmarkt. „Unser Ziel ist, mit Beratung und Qualifizierung, der Arbeitslosigkeit und somit auch Langzeitarbeitslosigkeit gezielt entgegenzuwirken“, sagte Krause.

Die Erholung am Arbeitsmarkt hat sich in Nordrhein-Westfalen auch im November weiter fortgesetzt. 657 352 Menschen waren arbeitslos gemeldet. Mit 6,7 Prozent sank die NRW-Arbeitslosenquote innerhalb eines Monats um 0,2 Punkte und liegt nun 0,9 Prozentpunkte unter der des Vorjahres. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten legte im Vergleich zum Vorjahr um 130 154 Personen zu und erreichte mit nun landesweit 7,21 Millionen Beschäftigten einen neuen Höchststand.

Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland sank im November auf 2,317 Millionen. Damit waren im November 60 000 Menschen weniger ohne Job als noch im Oktober und 382 000 weniger als im November 2020, wie die Bundesagentur für Arbeit am Dienstag in Nürnberg mitteilte.

Düstere Prognose für das nächste Jahr

Die Prognose für das kommende Jahr verdüstert sich: „Der Blick ins nächste Jahr ist eher eingetrübt“, sagte der Vorstandschef der Bundesagentur, Detlef Scheele. Die Agentur gehe inzwischen von erhöhter Arbeitslosigkeit auch im nächsten Jahr aus. Staatliche Regelungen sollen helfen: „Wir begrüßen die Verlängerung der Sonderregelungen für Kurzarbeitergeld und auch in der Grundsicherung für Selbständige. Damit wird die schrittweise Erholung am Arbeitsmarkt stabilisiert“, sagt Stefan Krause.

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