In der Corona-Krise Wohnkostenfonds soll Mietern und Vermietern helfen

Bonn · Der Verein Haus und Grund und der Mieterbund schätzen den Bedarf für einen Lastenfonds auf drei Milliarden Euro. Damit soll Mietern und Vermietern in der Corona-Krise geholfen werden.

 Viele Gewerbetreibende konnten wegen der Corona-Krise in den vergangenen Wochen ihren Geschäften nicht voll nachgehen. Gaststättenbetreiber leiden besonders.

Viele Gewerbetreibende konnten wegen der Corona-Krise in den vergangenen Wochen ihren Geschäften nicht voll nachgehen. Gaststättenbetreiber leiden besonders.

Foto: dpa/Michael Reichel

Obwohl das coronabedingt eingeschränkte Wirtschaftsleben wieder anläuft, sehen Vermieter die kommenden Monate eher düster. „Ich glaube, das dicke Ende kommt noch“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Eigentümerverbandes Haus und Grund Bonn/Rhein-Sieg, Markus Gelderblom. In den ersten Wochen nach dem Lockdown im März standen bei dem Verein die Telefone nicht mehr still.

Grund war die gesetzliche Regelung des Bundes, wonach Mieter und Pächter vom 1. April bis 30. Juni vor einer Kündigung geschützt sind, falls sie ihre Miete nicht zahlen können. Das gilt aber nur, wenn sie wegen der Corona-Pandemie in Liquiditätsschwierigkeiten geraten sind.

Auch GA-Leser berichten von namhaften Mietern, die nicht zahlen wollen

Die Erfahrung, dass zu allererst internationale Konzerne ihre Mietzahlungen aussetzten, machte Schlagzeilen. Auch Leser des General-Anzeigers berichteten, dass ihre Mieter – darunter namhafte Unternehmen –,angekündigt hätten, ihnen wegen der Corona-Krise die Miete vorzuenthalten. Inzwischen haben sie sich entweder geeinigt oder sind noch in Verhandlungen. „Bei Kontaktaufnahme mit dem Mieter kommt schnell das Einlenken“, erklärt Gelderblom.

Missverständnis

Allerdings hatte die Bundesregierung ein Missverständnis aus dem Weg räumen müssen: Die Zahlungsverpflichtung bleibe für Mieter bestehen, heißt es jetzt in den Erläuterungen zum Gesetz. „Unsere Mitglieder fragen meistens: Muss ich meinem Mieter entgegenkommen?“, so Gelderblom. Er rate zur Abwägung: Es komme auch darauf an, was sich der Vermieter leisten könne. 40 Prozent der Mitglieder von Haus und Grund sind laut dem Dachverband in Berlin auf die Mieteinnahmen als Rentner angewiesen. Zur Abwägung gehört auch, ob es sich beim Mieter um eine Ladenkette handelt, die eigentlich zahlungskräftig genug sein sollte.„Bei kleineren Läden habe ich auch zu Teilerlass geraten“, sagt Gelderblom.

Zahlung nur unter Vorbehalt

Bernhard von Grünberg, Vorsitzender des Mieterbundes Bonn, rät seinen Mitgliedern jedenfalls, in den kommenden Monaten nur unter Vorbehalt zu zahlen. „Die Frage, ob der Mieter für einen Gewerberaum tatsächlich die volle Miete zahlen muss, obwohl die Nutzung verboten ist, ist bisher umstritten.“ Durch eine Vorbehaltserklärung könne sich der Mieter eine Rückzahlung der Miete sichern, falls die Rechtsprechung dies später entscheide.

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Historisches Beispiel aus dem ersten Weltkrieg

Von Grünberg erläutert: Durch die Schließung von Geschäften infolge der Corona-Krise sei die Geschäftsgrundlage für die Nutzung der angemieteten Räume gemindert oder gestört. Das sei etwa auch bei Hochwasser der Fall, auch dann müsse der Mieter nicht zahlen.

Für ein historisches Beispiel muss von Grünberg allerdings mehr als hundert Jahre zurückgehen: Das Reichsgericht habe im Ersten Weltkrieg, als Tanzveranstaltungen verboten waren, darin einen Minderungstatbestand gesehen, der die Mieter von der Mietzahlung entband. „Ich sage: Es gibt auch jetzt keine Mietzahlungsverpflichtung.“ Er rät daher: „Einigt euch in der Mitte.“

Verwendungsrisiko bei den Mietern

Gelderblom sieht das rechtlich anders: „Das Verwendungsrisiko einer Gewerbeimmobilie liegt immer bei den Mietern.“ Das belegten alle Urteile des Bundesgerichtshofes zum Mietrecht. Wo sich Mieterbund und Haus und Grund aber einig sind, ist in der Forderung nach einem staatlichen Miet- und Wohnkostenfonds. Aus diesem sollten, vermittelt durch die KfW-Gruppe oder die Landesinvestitionsbanken, alle coronabedingten Mietausfälle finanziert werden. Im Gegenzug zur Liquiditätssicherung würde der Fonds die Mietforderungen der Vermieter erwerben. Den Finanzierungsbedarf schätzen beide auf rund drei Milliarden Euro.

„Mit einem solchen Fonds hätte man das Schwarze-Peter-Spiel nicht mehr“, sagt Gelderblom. Es besteht darin, dass ähnlich wie bei den von der Regierung angedachten Veranstaltungsgutscheinen einer immer bluten muss: In diesem Fall nicht der Kunde, sondern der Vermieter.

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